Oktober 2017: Gernot Blümel, Sebastian Kurz, Stefan Steiner und Elisabeth Köstinger verhandelten mit der FPÖ die türkis-blaue Koalition. Im April 2023 mehren sich die Comeback-Gerüchte um das frühere türkise Spitzenteam.
©APA/Robert JägerSeine verstärkte mediale Präsenz holt ein ÖVP-internes Flüsterthema auf die Vorderbühne: Hat Sebastian Kurz eine Chance auf ein Comeback? Fix ist: Der türkise Ex-Kanzler hat innerlich mit der Politik noch lange nicht abgeschlossen. Innenansicht aus der Büro-Wohngemeinschaft von Kurz & Co.
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Es war jüngst in einer jener Runden, bei denen nach wie vor aktive und ehemalige türkise Amtsträger rund um Sebastian Kurz gelegentlich abends zusammensitzen. Je länger der Abend, desto heftiger ging es um die schlechte Performance der türkis-grünen Regierung. Trotz immer neuen Geldregens für die Wähler hagle es bei Wahlen und in Umfragen nur Ohrfeigen.
Kurz & Co: Grüne haben bei Nachfolgern Oberwasser
Für die türkisen Ex-Gewaltigen, die beinahe auf das Doppelte an Wählerzuspruch kamen, ist der Verfall in der Popularität kein Wunder. Hauptvorwurf der Kurz-Partie: Karl Nehammer und August Wöginger ließen sich von Werner Kogler und Sigi Maurer am Nasenring durch die politische Arena ziehen.
Vor allem Leonore Gewessler könne als Klimaministerin einen Erfolg nach dem anderen in die Auslage stellen. Die ÖVP kassiere bei Wahlen dann auch noch die Ohrfeigen für die Corona-Politik, für die der inzwischen dritte grüne Gesundheitsminister zu verantworten hätte.
"Elli, halt den Schlapfen"
Besonders lautstark soll in einer Runde Ex-Ministerin Elisabeth Köstinger vom Leder gezogen haben. Bis es einem der im Regierungsviertel noch aktiven Türkisen in der Runde zu bunt geworden und er unhöflich, aber bestimmt gesagt haben soll: “Jetzt halt einmal den Schlapfen, Elli.” Köstinger war und ist im türkisen Kosmos nicht irgendwer, sondern eine der wenigen engen weiblichen Vertrauten in der Boyband des Ex-Kanzlers.
Als Kurz nach seinem unfreiwilligen Abgang vom Ballhausplatz im Oktober 2021 ein paar Wochen noch als Partei- und Klubchef auf eine Chance für eine baldige Rückkehr lauerte, war es Köstinger, die Kurz regelmäßig in seinem schmucklosen Büro in der ÖVP-Zentrale in der Wiener Lichtenfelsgasse aufsuchte und als Seelentrösterin fungierte.
Köstingers Heimkehr in die türkise Exil-WG
Seit Anfang April sitzen die beiden wieder Tür an Tür. Elisabeth Köstinger hat sich nach einem kurzen Zwischenspiel beim Unternehmer Christian Baha in jener 400-Quadratmeter-Büroetage im 4. Stock der ehemaligen ÖAMTC-Zentrale am Wiener Schubertring einquartiert, die der “trend” Anfang des Jahres als neues Hauptquartier der Kurz-Partie nach der Vertreibung aus dem Ballhausplatz-Paradies geoutet hat.
Von hier aus betreibt nicht nur die SK Management GmbH die Berater- und Beteiligungsgeschäfte von Kurz. Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli und Gernot Blümel haben ebenso für ihre neuen Tätigkeiten als Investoren und Consulter Quartier genommen.
Auch Köstinger will nun neben ihrem Job als Aufsichtsrätin von Ryanair von der noblen Adresse aus ihr Glück als Beraterin versuchen. Gelegenheiten und Partner, um Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft des türkisen Projekts zu besprechen, findet Köstinger ab sofort genug.
Kurz' Abrechnung mit Wöginger
Sebastian Kurz würde öffentlich keinen kritischen Halbsatz über die Performance seiner Nachfolger verlieren. Gesprächspartner berichten freilich: Die Neugierde des Ex-Kanzlers, der zuvorderst als “Global Strategist” des Firmen-Imperiums von US-Milliardär Peter Thiel firmiert, in Richtung Niederungen der österreichischen Innenpolitik sei ungebrochen. Er sucht nach wie vor jeden Winkelzug in Partei, Regierung und Opposition zu registrieren.
Bis heute wird ÖVP-intern ein Insider-Bericht über eine Begegnung zwischen dem Ex-ÖVP-Chef und dem noch immer amtierenden ÖVP-Klubchef August Wöginger in den ersten Jännertagen herumgereicht, bei der Kurz seinen früheren engen Vertrauten am Rande einer Veranstaltung “nach allen Regeln der Kunst zusammengefaltet hat”, so ein Mit-Wisser.
Kurz empörte sich zuerst darüber, dass Wöginger in einem Bilanz-Video über dessen 20jähriges Jubiläum als Nationalratsabgeordneter alle möglichen ÖVP-Granden lobpries, seine Zeit mit Kurz aber unerwähnt ließ. Politischer Hauptvorwurf auch hier: Die Türkisen ließen sich von den Grünen andauernd unterbuttern.
Kurz' lebhafte Neugierde am ÖVP-Innenleben heizt Comeback-Gerüchte an
"Kommt Kurz zurück?" war schon bisher eine der meist gestellten Fragen hinter den türkisen Kulissen. Die WG der Ex-Spitzen-Türkisen am Wiener Schubertring und die zuletzt immer schärfere interne Kritik an der Performance der Nachfolger, hat ÖVP-intern die Frage nach einem möglichen Comeback dynamisiert.
Mit der zuletzt auch verstärkt medialen Präsenz wurde das Flüsterthema nun auch auf die Vorderbühne geholt. Vor allem das große Interview zuletzt im “Trend” und ein Auftritt des Ex-Außenministers als Außenpolitik-Experte bei Claudia Reiterer in der ORF-Talksendung "Im Zentrum" belebten die Comeback-Spekulationen.
Kurz dementiert Gelüste nach einem Wiedereinstieg in die politische Arena zwar routiniert. Das proklamierte “Nein, Danke” nehmen aber viele Kurz-Intimi dem 36jährigen nicht ganz ab. In diesen Kreisen dominiert folgender Befund: Wenn es nach Kurz gehe, dann stehe für ihn nach Erledigung der juristischen Causen einer Wiederkehr nichts mehr im Wege.
Kurz sieht sich mehr denn je als Opfer
Denn Kurz sei nach wie vor überzeugt: Wenn es mit rechten Dingen zugehe, werde weder beim Vorwurf der falschen Zeugenaussage noch bei dem der Inseratenkorruption strafrechtlich etwas an ihm hängenbleiben.
Politisch fühle er sich daher mehr denn je als Opfer. Was unter Vorgängern wie Werner Faymann gängige Praxis gewesen sei, solle nun allein ihm erfolgreich juristisch zum Vorwurf gemacht werden: Die Pflege der Boulevard-Landschaft mit Inseraten-Millionen.
Kurz nutzt seine öffentlichen Auftritte im Vorfeld der erwarteten Gerichtsverfahren so auch für entsprechende Stimmungsmache.
Im ÖVP-Klub zittert die Hälfte um ihr Mandat
Ob diese abseits der juristischen Hürden allerdings je politisch gelingen kann, darüber scheiden sich ÖVP-intern die Geister. Je öfter die Türkisen bei Wahlen abschmieren, desto mehr klammern vor allem im ÖVP-Klub ihre Hoffnung an die Aussicht einer Wiederkehr des türkisen Messias.
Viele verdanken den zwei erfolgreichen Wahlgängen unter Kurz ihr Mandat und sehen ihre Chancen, je wieder ins Parlament einzuziehen, schwinden.
ÖVP-Spitzenmann: "Comeback eine Träumerei, dafür ist zu viel passiert"
Ein ÖVP-Spitzenmann hält das alles freilich für "Träumereien. Wer das glaubt, kennt die Mechanismen der Politik nicht. In der ÖVP gibt es für Kurz kein Comeback, dafür ist zu viel passiert. Und dass Kurz eine eigene Partei gründet, die dann mit 15 Prozent ins Parlament einzieht, das glaube ich nicht.”
Seine verstärkte öffentliche Präsenz erklärt der ÖVP-Spitzenmann so: “Er ist ein homo politicus, eine Rampensau und hat Lust an der Bühne. Das lässt ihn halt nicht los. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er neuerlich eine Funktion in der Innenpolitik anstrebt. Dafür ist die Welt, in der sich jetzt bewegt und die Schweine-Kohle, die er dort verdient, zu faszinierend.”
Kurz-Intimus: "Unglücklich, solange er nicht wieder Kanzler ist"
Intime Kurz-Kenner, die mit ihm wie vor regelmäßig Kontakt haben, berichten allerdings: “Er vermisst die öffentliche Aufmerksamkeit und die Welt der Politik. Der Sebastian ist unglücklich, solange er nicht wieder Kanzler ist.”
Fakt ist, dass nicht nur namhafte ÖVP-Spender wie Alexander Schütz den gestürzten ÖVP-Chef und Kanzler mit Wort und Tat nach wie vor unterstützen. Auch ein Teil des Raiffeisen-Imperiums, das in der ÖVP großes Gewicht hat, fördert Kurz & Co weiter nach Kräften.
Kurz-Büropartner Blümel: Politik, Nein Danke
Nur einem, der sich bei Kurz am Schubertring einquartiert hat, wird zu hundert Prozent abgenommen, dass er tatsächlich nur eine günstige Gelegenheit des Office-Sharing bei Freunden angenommen hat. Ex-Finanzminister Gernot Blümel lässt Vertraute und Weggefährten nachhaltig wissen, dass für ihn das Kapitel Politik für immer abgeschlossen ist.
“Der Sebastian brennt nach wie vor nach öffentlicher Aufmerksamkeit”, sagt ein teilnehmender Beobachter des Innenlebens der Kurz-Partie: “Der Gernot ist tiefenentspannt wie nie zuvor. Er hat das Leben in der ersten Reihe nie wirklich genossen und mit der Politik innerlich endgültig abgeschlossen.”