Finanzminister Magnus Brunner: "Wir halten den Weg der EU-Kommission für etwas eigenartig."
Finanzminister Magnus Brunner will offen in die Debatte über eine EU-Digitalwährung gehen, hat aber schwere Bedenken bezüglich der Aufgabe von Bargeld und der Privatsphäre.
Im Herbst stehen diverse Konsultationen zum digitalen Euro an. Welche Position hat Ihr Ministerium dazu?
Es gibt bislang nur einen sehr vagen Vorschlag der EU-Kommission. Drei Punkte sind uns in der Diskussion wichtig: erstens den Mehrwert für die Bevölkerung darzustellen. Den erkenne ich noch nicht. Zweitens darf ein digitaler Euro nur Ergänzung zu und nicht Ersatz von Bargeld sein. Darauf werden wir bestehen. Drittens muss die Privatsphäre geschützt bleiben. Wir gehen offen in die Gespräche, aber zu viele Fragen sind noch ungeklärt, um schon an eine konkrete Umsetzung zu denken. Wir halten auch den Weg der Kommission für etwas eigenartig, ein so sensibles Thema zuerst auf technischer und erst dann auf politischer Ebene zu diskutieren.
Welche Probleme soll der digitale Euro lösen?
Die Abhängigkeit von amerikanischen Kreditkartenfirmen wird oft als einer der Gründe genannt. Das muss man sich unvoreingenommen ansehen. Allerdings sagen uns Experten, dass als Serviceprovider, den ein digitaler Euro braucht, erst recht wieder nur Firmen wie Mastercard und Visa in Frage kommen könnten.
Ihre Partei reitet seit Wochen auf dem Bargeld herum. Wieso eigentlich? Niemand will es abschaffen, darauf weist auch die EU-Kommission immer hin.
Die Sorge der Bevölkerung ist real. Die aktuelle Debatte zum digitalen Euro oder zu Bargeld-Obergrenzen macht hellhörig. Deswegen wollen wir das früh genug adressieren und reagieren. In Österreich sind die Emotionen bei diesem Thema vielleicht höher als in manch anderen Ländern. Das Bargeld-Volksbegehren war ja extrem erfolgreich. Aber wir sind bei Weitem nicht die Einzigen. Die Slowakei etwa hat Bargeld seit Kurzem schon in der Verfassung.
Wie kann der Mehrwert des digitalen Euro aussehen? Die meisten verstehen nicht einmal den Unterschied zu einer digitalen Überweisung, wie sie heute schon Alltag ist ...
Den Mehrwert habe ich auch noch nicht verstanden. Und vielen Finanzministerkollegen in Europa geht es genauso. Wir haben noch keine erhellenden Inhalte erhalten, die den Nutzen darstellen.
Die Banken haben Angst, dass die EZB in ihr Geschäftsmodell eingreifen und ihnen möglicherweise Liquidität abhandenkommen könnte, was die Kreditvergabe erschweren würde. Wie gehen Sie damit um?
Die Befürchtungen sind jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Und genau solche Entwicklungen müssen verhindert werden. Es kann nicht sein, dass die EZB als Konkurrenz zu Geschäftsbanken auftritt, das ist nicht ihre Aufgabe. Sie betont zwar immer, dass das nicht der Falls sein wird, hat aber noch keine konkreten Pläne vorgelegt.
Wäre im jetzigen Konstrukt vorgesehen, dass alle EU-Bürger ein Konto bei der EZB haben?
Genau das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Das wäre ja gerade die erwähnte Konkurrenz zu den Banken und sollte deswegen so nicht kommen.
Hätte für die Bürger aber den Mehrwert, dass sie mit einem Klick und ohne Kosten digitale Euros transferieren könnten ...
Das müsste aber anders aufgesetzt sein. Auf die Beschreibungen, wie das funktionieren soll, warten wir noch. Ich will jedenfalls nicht, dass die EZB in alle Lebensbereiche eines Menschen reinschauen und alle seine Transaktionen nachvollziehen kann. Da sind wir wieder bei der Bargelddiskussion, die hängt ja unmittelbar damit zusammen. Wenn es Erklärungen gibt, wie ein digitaler Euro etwa im Interbankenbereich sinnvoll genutzt werden kann oder im Kampf gegen Geldwäsche hilft, ohne massiv in die Privatsphäre einzugreifen, höre ich mir das gerne offen an.
Stichwort Geldwäsche: Österreich trägt Bargeld-Obergrenzen in der EU - entweder 7.500 oder 10.000 Euro - nach anfänglichem Widerstand jetzt doch mit, oder?
Wir haben uns klar dagegen ausgesprochen, tragen den Kompromiss aber mit, weil noch einige Verbesserungen im Abschlusstext erreicht werden konnten. Im Rahmen des gesamten Geldwäschepakets haben wir am Ende des Tages zugestimmt.
Das Interview ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 8.9.2023 entnommen.