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Mini-Drama im Maxi-Format [Politik Backstage]

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Justizministerin Alma Zadic - die härteste Verhandlerin der Grünen. An ihrer Forderung drohte das Budget 2024 noch in letzter Minute zu scheitern.

©APA/Hans Klaus Techt
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Warum das Budget 2024 in letzter Minute an Alma Zadic zu scheitern drohte. Mit welchen Tricks Türkis-Grün den Koalitonsfrieden rettete. Weshalb die Zeichen dennoch nicht auf vorzeitige Neuwahlen stehen.

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Es war seit Wochen regierungsintern ohne Wenn und Aber ausgemacht: Freitag der 7. Oktober ist die ultimative Deadline für die politische Klärung der allerletzten Ressortwünsche für den Staatshaushalt 2024. 

Das Feintuning des XXXL-Zahlenwerks mit dem Finanzministerium war zu diesem Zeitpunkt auf Beamten- und Kabinettsebene längst gelaufen. Die kiloschweren Einzeltabellen-Bände für das Budget 2024 an diesem Freitag bis auf wenige Posten gefüllt, um Richtung Druckerei geschickt zu werden.

In Direkttelefonaten auf Ministerebene wurde in den Tagen zuvor da und dort noch last minute Finanzbedarf eingemeldet, der entweder schlicht übersehen und kurzfristig aufgestanden war. Außenminister Alexander Schallenberg deponierte so höchstpersönlich bei Magnus Brunner den dringenden Wunsch nach Geldmitteln für die 2024 geplante aber noch nicht budgetierte Eröffnung einer Botschaft im afrikanischen Ghana.

Finaler Budget-Poker endet mit Abbruch

Am ultimativen Budget-Freitag saß dennoch noch um Mitternacht ein gutes Dutzend hochrangige Kabinetts-Mitarbeiter von Türkis und Grün zusammen. Es wurde mal hitzig, mal zäh nach wie vor um letzte  Budget-Zahlen gerungen. Die Sitzung wurde immer wieder für Telefonate mit den betroffenen Ministern unterbrochen.

Der finale Verhandlungsmarathon endete mit dem Einbekenntnis: „We agree to disagree“.

Es war Samstag drei Uhr früh, als die türkisen und grünen Kabinettsspitzen, unter ihnen auch – als Vertreter der Regierungsspitze – der Kanzleramts-Kabinettschef Andreas Achatz, etwas bleich aber ergebnislos das Finanzministerium verließen.

Der letzte Brocken, der einer Budget-Einigung im Wege stand, machte 30 Millionen Euro aus. Ein schwer vorstellbarer Betrag für jeden Steuerzahler. Eine überschaubare Summe aus Sicht des Finanzministers, der sich ab dieser Woche grünes Licht für Ausgabe von 123 Milliarden Euro holt.

 Stein des Anstoßes waren freilich weder mehr Kohle für den Klimaschutz, dem 'signature dish' im Budget-Menü der Grünen. Oder mehr Zaster für Bundesheer & Sicherheit, das liebste Budget-Markenzeichen der Türkisen.

Budget-Grabenkampf Zadic vs. Brunner um letzte 30 Millionen Euro

Das Ringen um den Staatshaushalt 2024 drohte an 30 Millionen mehr für die laufenden Geschäfte im Justizministerium zur Hängepartie zu werden. 

Bei einem Justiz-Gesamtbudget von 2,4 Milliarden und einer geplanten Steigerungsrate weit über der heurigen Jahresinflation wären die letzten offenen 30 Millionen nüchtern betrachtet kein Kriegsgrund. Und schon gar nicht gewichtig genug, um ein Budget und damit eine Regierung scheitern zu lassen. Genau in diesen Positionen hatten sich die Verhandler auf beiden Seiten eingegraben.

Alma Zadic ließ hochemotionell wissen:Ohne die 30 Millionen mehr, müsste sie Planposten und beim Sicherheitsrisiko Gefängnis-Management einsparen. Der ohnehin ächzende Justizbetrieb würde noch mehr darunter leiden. 

Die öffentlich herzliche, aber intern harte Verhandlerin setzte unausgesprochen darauf: Auch wenn die ÖVP mit ihr als Justizministerin und der Justiz generell alles andere als eine große Freude habe. Wegen ein paar Millionen mehr könne und werde – zumal die ÖVP – das Justiz-Budget und die Regierung nicht scheitern lassen.

Im türkisen Finanzministerium hatte sich Zadic schon in den Jahren zuvor einen einschlägigen Ruf erarbeitet. “Sie ist ein freies Radikal der Grünen”, resümiert ein Spitzenmann in der Finanz und habe bei jedem Budget versucht ihren Spielraum ultimativ auszureizen.

"Nerven" bis zum Verhandlungspatt

Auf Seiten der grünen Verhandler wiederum lebt diesmal der Verdacht besonders hoch: “Das Interesse an mehr Ressourcen für die ungeliebte Justiz ist bei der ÖVP ohnehin sehr beschränkt. Heuer waren die Verhandlungen von Anfang an aber besonders mühsam, weil so gut wie jede unserer Zahl vom Finanzministerium bezweifelt wurde ohne seinerseits die vermeintlich richtigen vorzulegen. Die haben auf Konflikt hin verhandelt.” Der grüne Insider räumt ein: “Wir haben sie aber auch sehr genervt.”

Alles Ingredienzien für ein Verhandlungspatt. Denn "im Finanzministerium", sagt ein Regierungsinsider, “waren auch die Beamten in der Linie und nicht nur das Minister-Kabinett dafür, Zadic diesmal nicht nachzugeben.” Dazu kam ÖVP-intern auch das Argument: Nachdem man beim türkisen Zwillingsministerium von Innen-Ressortchef Gerhard Karner rund 12 Prozent draufgelegt habe, könne man dem grünen Justizministerium nicht über 15 Prozent Plus zugestehen.

Nachdem vorletzten Samstag früh auch die letzte türkis-grüne Budget-Verhandlungsrunde gescheitert war, liefen ab Samstagmittag die Telefone auf Ministerebene heiß. 

Kompromiss-Offert: Kogler & Gewessler "spenden" 15 Millionen für Zadic

Im Laufe des Wochenende wurden die Streithähne Brunner & Zadic so handelseins: Beide verlassen den bereits wohnlich eingerichteten Budget-Schützengraben und treffen sich in der Mitte.

Alma Zadic lässt 15 Millionen von ihrem 30-Millionen-Forderungspaket nach. Für den offenen Restbetrag sorgt nicht der türkise Finanzminister, sondern zwei der drei grünen Ressort-KollegInnen: Vizekanzler und Beamtenminister Werner Kogler lässt mit Segen des Finanzressorts 10 Millionen aus “seinem” Budget für Alma Zadic springen. Klima- und Umweltministerin zwackt 5 Millionen von ihrem Milliarden-Haushalt zugunsten des laufenden Justizbetriebs ab.

Die Kogler-Truppe suchte danach den grün-internen Millionen-Basar unter dem Teppich zu halten. Alma Zadic ließ vielmehr auf ihren Medienkanälen triumphierend verkünden: In den letzten vier Budget-Jahren – sprich in ihrer MinisterInnen-Ära - hat die Justiz mit 800 Millionen nun in Summe um 50 Prozent mehr als früher in die Budget-Kassa. Und damit den den “stillen Tod der Justiz” (Ex-Justizminister und Vorgänger Clemens Jabloner) verhindert.

Ist dieses finale Mini-Drama im Maxi-Format rund um das Budget 2023 ein weiteres Indiz, dass Türkis-Grün allen Unkenrufen zum Trotz nun tatsächlich bis zum regulären Wahltermin in knapp einem Jahr gemeinsam durchhalten will?

Türkises Warnsignal an grüne Heißsporne

Die ÖVP lässt auf Nachfrage verlauten, dass sie diesmal bewusst hart geblieben sei. Wohl auch, um den Grünen zu signalisieren, dass sie ihr Blatt im Koalitions-Poker im Regierungsfinale nicht überreizen dürften. 

Auf Sicht nachhaltiger bewerten teilnehmende Beobachter beider Lager im Regierungsviertel einen Deal zwischen Türkis und Grün, der im Schatten des Budget-Ringens gedieh. Und dessen Präsentation im Nachrichtengewitter zwischen Start des Prozesses gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und der zweiten Budgetrede von Finanzminister Magnus Brunner unterging.

Vor einem Jahr hatte sich die in Sachen Klimapolitik zerrissene Koalition für ein einvernehmliches und durchaus radikales Gesetzesvorhaben in Sachen “Grüne Energiewende” abfeiern lassen, das auf den etwas sperrigen Namen “Erneuerbare- Wärme-Gesetz” (EWG) hört. Ziel der türkis-grünen Regierungsvorlage, die im November 2022 Richtung Parlament ging: Nach dem geplanten Aus für Öl- und Gasheizungen in Neubauten ab 2024 sollen auch alle bestehenden Heizanlagen klimaneutral umgerüstet werden müssen.

Ab 2035 sollen Heizungen mit Öl oder Kohle verboten sein, 2040 auch das totale Aus für Gasthermen kommen.

Dagegen lobbyierten hinter den Kulissen nicht nur die betroffenen Firmen der Öl- und Gasbranche. In der ÖVP lief bald auch der ganze Wirtschaftsbund gegen des EWG Sturm. “Wir sollten die Emissionen reduzieren und nicht die Heizsysteme. Wenn es eine funktionierende Versorgung mit Biogas gibt, warum sollte dann die Heizung verboten werden”, so ein Spitzenvertreter der Wirtschaft.

Für noch mehr Ärger sorgte aber die Frage, wer denn für Kosten der Umrüstung der Energiesysteme aufkommen soll, die im Schnitt im niedrigen fünfstelligen Bereich veranschlagt werden.

Schwarz-rote Achse gegen grüne Energiewende-Pläne

In Einfamilienhäusern ist genauso schmerzhaft, aber prima vista unstrittig wer dafür aufkommen muss. In Wohnhausanlagen ist das in vielen Fällen gesetzlich der Hauseigentümer. Im Fall der hunderttausenden Gemeindewohnungen müsste etwa das Wiener Rathaus tief in die Budget-Kasse greifen.

Das mobilisierte umgehend Widerstand aus zwei politisch diametralen Ecken. Denn für das EWG braucht es in weiten Teilen aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Zwei-Drittel-Mehrheit – sprich die Stimmen von SPÖ oder FPÖ. Da sich die Blauen aus Prinzip verweigern, kommen dafür nur die Roten in Frage.

Die SPÖ machte es freilich zur Bedingung, dass bei den Umrüstungskosten der Staat kräftig zuschießen müsse. Die ÖVP wiederum wollte im Wohnrecht verankert wissen, dass die Mieter für teure Umrüstungsinvestitionen mit zur Kasse gebeten werden.

Den grünen Gesetzes-Erfindern blieb bald nur noch die Rolle, zusehen zu müssen, wie ihr hochgefeierter Plan zur Klimaneutralität in Sachen Haushalts-Energie rasant verwelkt.

Polit-Drama um "Heizhammer" in Berlin als türkis-grüner Koalitionskitt in Wien

Eine Revolte im ÖVP-Klub gegen die türkis-grüne Regierungsvorlage von gestern war bereits in Gang; grünes Licht von den Roten damit eine Fata Morgana.

Zudem konnten sich Gewessler & Co erste Reihe fußfrei ansehen, wie ein grüner Hero, der deutsche Wirtschafts- und Umweltminister Robert Habeck, mitten im Sommer an der Frage des Heizens im Winter zu verglühen drohte.

Von außen nahm eine gnadenlose Kampagne der “Bild”-Zeitung “Habecks Heizhammer” unter Dauerfeuer – mit Schlagzeilen wie "Habeck will Energie-Stasi einsetzen!” Regierungsintern trat die FDP massiv auf Bremse.

Die lebensbedrohliche Zerreißprobe für die Deutsche Dreier-Koalition gab den letzten Anstoß, warum sich Türkis und Grün diese Woche Hand in Hand von der gemeinsamen Regierungsvorlage verabschiedeten. 

In einer drei Stunden davor einberufenen Pressekonferenz am frühen Dienstagnachmittag wurde in Sachen Energie eine 180-Grad-Wende verkündet: Statt dem Zwang zum Heizungstausch mit Fallbeil 2035 (Öl) und 2040 (Gas) soll künftig das Prinzip Freiwilligkeit gelten, verführerisch garniert mit großzügigen Förderanreizen der Übernahme von drei Viertel bis Hundert Prozent der Kosten durch Vater Staat.

Ein Motiv für den Blitztermin lag auf der Hand: Die Präsentation des überraschenden Lebenszeichens der türkis-grünen Kompromissfähigkeit in heiklen Klimafragen bei einem regulären Ministerrat am Tag danach wäre doppelt untergegangen. Am Mittwochvormittag lieferten sich bereits Magnus Brunners Budgetrede und der Start des Kurz-Prozesses einen Zweikampf um die öffentliche Aufmerksamkeit.

Nehammer-Eloge auf ÖVP-Feindbild Gewessler

Karl Nehammer suchte sich am Tag davor daher besonders ins Zeug zu legen und sparte nicht mit Superlativen: “Es ist heute ein guter Tag für die Energiewende.” Der Kanzler sang zudem eine seltene Eloge auf die neben ihm stehende – und in der ÖVP als sture Ideologin verschriene - Klima- und Umweltministerin, gipfelnd in Sätzen wie diesen: “Wir sind auch eine lernende Bundesregierung. Wir wollen dem Abschwung entgegen wirken und gleichzeitig den Klimaschutz vorantreiben.” 

Leonore Gewessler hat ihre spektakuläre Wende ab sofort vor allem bei Hardcore-Klimaschützern zu verteidigen, die ihr Verrat vorwerfen. Die Ex-Global2000-Chefin wird aber nicht müde zu propagieren: “Das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 bleibt. Wir gehen nur einen anderen Weg.”

Im kleinen Kreis formuliert sie es deutlicher: „Es hat kein Sinn stur auf einem Kurs zu bleiben, der politisch nicht durchsetzbar ist und daher praktisch nichts bringt." Und resümiert mit Blick auf den Koalitionspartner, der trotz heftigen Gegenwinds beim EWG mit im Boot bleibt: “Hartnäckigkeit zahlt sich aus”.

Nicht nur der grüne Sektor im Regierungsviertel wertet unterm Strich beides als nachhaltige Signale des türkis-grünen Überlebenswillens: Sowohl das mit Hängen und Würgen verabschiedete Budget 2024 als auch den spektakulären Neuanlauf in Sachen Klimaneutralität 2040.

Türkis und grüne Regierungs-Insider proklamieren so dieser Tage gerne selbstgewiss im kleinen Kreis: „Woran könnte Türkis oder Grün nach diesen beiden großen Brocken die Regierung heuer noch ernsthaft scheitern lassen, um Neuwahlen im Frühjahr 2024 vom Zaun zu brechen?“

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