In einer Grundsatzrede zur Zukunft der Nation hat Bundeskanzler Karl Nehammer seine Standpunkte und sein Programm für die nächsten Jahre skizziert. Die wichtigsten Details daraus.
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In einer fast eineinhalbstündigen "Rede zur Zukunft der Nation" hat ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer seine Standpunkte für die kommenden Jahre skizziert. Nehammer gab dabei viele ÖVP-Klassiker zum Besten, von einer Reform des Arbeitslosengeldes bis zur Streichung der Grundsteuer fürs erste Eigenheim. Auch will Nehammer Ausländern die Sozialleistungen kürzen. Details will er nun in einem "Zukunftsplan 'Österreich 2030" ausarbeiten lassen.
Hintergrund der Rede: Nehammer, der Ende 2021 die skandalgebeutelte ÖVP übernommen hat, wurde von Beobachtern immer wieder attestiert, bisher zu wenig klar gemacht zu haben, wofür er inhaltlich steht. In der groß inszenierten "Rede zur Zukunft der Nation" sollten nun Pflöcke eingeschlagen werden, die in den kommenden Monaten unter Mitarbeit von Politikern und Experten in einem "Zukunftsplan" münden sollen.
Rede als Wahlkampfprogramm
Für den Grünen Koalitionspartner hatte der ÖVP-Chef einige bittere Pillen im Gepäck, etwa was die Sozialhilfe, den Klimaschutz oder die Flüchtlingspolitik betraf. Nehammers ausführliche Erklärung, in der von der Energieversorgung, Bildung, Gesundheit, Wohnen und der EU-Politik über die Putenproduktion bis zur Blasmusikkapelle vielfältige Themen Platz fanden, ließ sich nämlich eher wie ein Wahlkampfprogramm an.
Zunächst ging Nehammer darauf ein, das Amt in Krisenzeiten übernommen zu haben. "All diese Krisen haben eines gemeinsam: Sie sind von Angst geprägt", erklärte Nehammer, "die Angst vor Infektion genauso wie die Angst vor Inflation". Einmal mehr sprach er sich im Zusammenhang mit der Pandemie für "Dialog und Versöhnung" aus, und betonte nach seiner Meinung nach missinterpretierten Aussagen über die Rolle der Experten "unmissverständlich", dass er "der Wissenschaft mehr als dankbar" sei für ihre Leistungen.
Zum "unerträglichen" Krieg in der Ukraine unterstrich der Kanzler, dass man solidarisch mit den Menschen in der Ukraine sei und sich für Frieden einsetze.
Zwar hätten die Krisen gezeigt, dass man "das Unmögliche möglich machen" könne, sie zeigten aber auch "schonungslos die Schwächen in unserem System". Man diskutiere "trefflich wochenlang über das richtige Gendern in Broschüren", verliere dabei aber die wahren Probleme der Menschen aus dem Blick, glaubt Nehammer.
Bessere Ausbildung, länger arbeiten
Das Wichtigste seien die Kinder, betonte Nehammer. Notwendig sei in Zukunft eine "Schule, die den Ansprüchen der Zeit gerecht wird". Es solle selbstverständlich sein, dass Kinder tatsächlich Deutsch können, wenn sie die Schule verlassen, außerdem stellt er sich ein Schulfach Programmieren ab der fünften Schulstufe sowie mehr Fokus auf politische Bildung und Medienkompetenz vor. "Bekennen wir uns dazu, dass Talente gefördert werden und nicht, dass das Mittelmaß unser Ziel ist." Die Meisterprüfung solle genauso kostenlos werden wie ein Studienabschluss.
Ein weiteres Ziel sei es, dass 2030 die Altersarmut in der Pension kein Thema mehr sei. Es seien Anreize für längeres Arbeiten notwendig, ebenso ein leistungsfähiges Gesundheitssystem. Bis 2023 sollen in allen Regionen ausreichend Kassenärzte zur Verfügung stehen, das seien 800 zusätzliche. Um die zu bekommen, will Nehammer für Medizin Studierende eine Berufspflicht in Österreich. Beim Pflegefachkräftemangel machte er unterschiedliche Anerkennungsverfahren als "Hemmnis" aus.
Eigentum schaffen, Leistung belohnen
Im Bereich des Wohnens propagierte Nehammer das Eigentum. Es gebe derzeit nur drei Möglichkeiten, an Eigentum zu kommen: Eine Erbschaft, mit Glück über den Lottogewinn oder über einen Bankkredit, aber da werde es durch neue Regelungen der EU und der Finanzmarktaufsicht schon schwierig, kritisierte Nehammer. "Mein Ziel ist es, dass alle Österreicherinnen und Österreicher zur besitzenden Klasse gehören und nicht zur nicht-besitzenden." Lösen will der ÖVP-Chef die Frage über die Zweckwidmung der Wohnbauförderung, außerdem solle die Grunderwerbssteuer für das erste Eigenheim gestrichen werden. Überhaupt soll die Abgabenquote von 42 auf 40 Prozent gesenkt werden.
"Leistung muss sich wieder lohnen" war ein weiteres ÖVP-Mantra, das Nehammer bediente. "Es kann die Balance nicht dazu führen, dass die einen nur mehr work und die anderen nur mehr life haben." Die Schere zwischen Einkommen aus Arbeit und Bezug aus Sozialleistungen müsse wieder größer werden. So bleibt Nehammer bei der Forderung nach der regierungsintern gescheiterten Arbeitslosengeld-Reform, wonach man in der ersten Phase mehr Geld bekommen soll, dieses dann aber "deutlich" abgesenkt wird. Sein Ziel sei es auch, die Sozialleistungen neu zu regeln, sodass nur jene voll berechtigt seien, die durchgehend fünf Jahre in Österreich leben, "und wenn nicht, nur die Hälfte".
Versorgungssicherheit und Klimaschutz
Bessere Rahmenbedingungen seien auch für die Lebensmittelversorgungssicherheit, also die Landwirtschaft, notwendig. Denn es steige zwar hierzulande die Nachfrage nach Putenfleisch, doch der Großteil der Putenproduktion finde aufgrund günstigerer Bedingungen im EU-Ausland statt. Es gebe viel zu tun, "es braucht auch hier konkrete Maßnahmen", findet der Kanzler. Im Kunst- und Kulturbereich sprach sich Nehammer für Vielfalt aus - es solle die Blasmusikkapelle ebenso geben wie das Hermann-Nitsch-Museum.
Bekannte Positionen gab es auch zum Klimaschutz: Fleischkonsum und Auto zu verbieten seien keine Antworten, sondern Rückschritte, befand Nehammer. "Manchmal hat man das Gefühl, dass man sich entschuldigen muss, dass man überhaupt auf der Welt ist", meinte er in Richtung der Klimaaktivisten. Er wolle die Sorgen der Jungen nicht kleinreden, aber man müsse mit Kreativität und Innovation in der Technologie gegen den Klimawandel vorgehen, und "dieser Untergangsapokalypse" der Aktivisten entgegen treten. "Österreich ist das Autoland schlechthin", meinte er mit Blick auf die Branche, und "auch ich werde mich dagegen aussprechen, den Verbrennungsmotor zu verbannen".
In der Energieversorgung hätte Nehammer gern eine Pflicht zur Gas-Einspeicherung für Energiekonzerne, denn es könne nicht sein, "Risiken zu verstaatlichen und Gewinne dann zu privatisieren".
Neutralität und Asyl
Die Neutralität bezeichnete Nehammer als weiterhin fixen Bestandteil der Sicherheitsstrategie. Auf EU-Ebene scheue er keine Diskussion um eine Änderung der Verträge in Kompetenzfragen, ließ Nehammer wissen. Zum Thema Asyl bekräftigte der Kanzler, "die Europäische Union muss hier deutlich in die Gänge kommen, denn tatsächlich liegt hier vieles im Argen".
Österreich solle seinen Vorstellungen zufolge 2030 "unabhängiger, sicherer und auch im wahrsten Sinne des Wortes voller Energie ist", fasste Nehammer zusammen. "Packen wir es an."