Die Chefökonomin des ÖGB, Helene Schuberth, analysiert die Rezessionsgründe. Dass es keine Erbschaftssteuer gibt, hat für sie „feudale Züge“.
Unternehmer klagen, unter anderem wegen zu hoher Lohnabschlüsse international nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. Wie lautet Ihre Antwort?
Die Regierung hat uns in Österreich eine besonders hohe Inflation beschert. Wir haben immer gewarnt, dass wir dadurch ein Wettbewerbsproblem bekommen. Letztlich waren die guten Lohnabschlüsse der einzige positiven Konjunkturimpuls und konnten einen stärkeren Einbruch des Konsums verhindern.
Wie kommen wir jetzt aus der Rezession, wenn die Betriebe Probleme haben, ihre Produkte abzusetzen?
Die Ursachen des Einbruchs der Industrie sind vielschichtig; Die Lohnkosten machen nur zehn bis 30 Prozent der Gesamtkosten aus. Das ist nicht mehr wie früher der entscheidende Wettbewerbsfaktor. Der alleinige Fokus auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit erinnert mich ein bisschen an das erste Semester im Wirtschaftsstudium. Der ÖGB hat kein Interesse, dass sich Österreich aus den Märkten preist, aber wir verstehen dieses Lohn-Argument nicht. Sonst würden wir anders handeln.
Dass die Unternehmen weniger investieren, sorgt Sie nicht?
Das sorgt mich sehr, aber ich glaube nicht, dass das wesentlich mit den Löhnen zu tun hat. Die Gefahr einer Deindustrialisierung wird viel mehr durch hohen Energiekosten und fehlende Planungssicherheit beim europäischen Weg der Transformation getrieben.
Ist der Faktor Arbeit bei uns nicht zu stark belastet?
Arbeit ist zu hoch besteuert, was mittelfristig geändert werden sollte. Im Gegenzug braucht es eine Vermögens- und noch mehr eine Erbschaftssteuer. Dass eine solche fehlt, hat für mich feudale Züge und ist extrem leistungsfeindlich.