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Was Österreich jetzt braucht: Eine mutige Klimapolitik, die sich wirtschaftlich rechnet

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Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr

©Alexander Müller / Wifo
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Der Ökonom Gabriel Felbermayr leitet das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO. Er fordert von der nächsten Regierung eine erfolgreiche klimapolitische Strategie und den Staat als mutigen Akteur.

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Der Siegeszug neuer, sauberer Technologien ist beeindruckend. Die Preise für Photovoltaikzellen und Batterien etwa fallen rasant, und die weltweit installierten Kapazitäten wachsen exponentiell. Das Magazin „The Economist“ hat kürzlich das neue Zeitalter der Solarenergie ausgerufen, das „Solar Age“. Die Energieknappheit, bisher eine Konstante in der Menschheitsgeschichte, könne überwunden werden. Der Ausstieg aus umweltschädlicher Energieproduktion sei nicht nur technisch möglich, sondern ökonomisch wünschenswert. Denn den Zutaten zu dieser Revolution – Sand, Sonne, menschliche Erfindungsgabe – seien keine Grenzen gesetzt.

Diese Sicht mag übertrieben optimistisch sein. Klar ist aber: Wenn der Menschheit der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gelingen soll, wird dies auf Basis wettbewerbsfähiger Technologien passieren. Und der globale Wettlauf um die Beherrschung dieser Technologien ist in vollem Gange. China und die USA liegen vorne, das lange in Führung liegende Europa fällt zurück. Wir laufen Gefahr, gefangen in Selbstzweifel und ungeschicktem politischen Agieren nicht nur klimapolitisch zu versagen, sondern auch wirtschaftlich zu verlieren.

Europa und Österreich sind auf dem Weg zur Dekarbonisierung schon einen weiten Weg gegangen, bisher aber ohne große wirtschaftliche Vorteile zu ziehen.

Gabriel FelbermayrWifo-Chef

Eine erfolgreiche klimapolitische Strategie braucht den Staat als Akteur. Der große Klimaökonom Nick Stern, mittlerweile Lordschaft im britischen Oberhaus, hat den Klimawandel vor knapp 20 Jahren schon als das größte und weitreichendste Marktversagen aller Zeiten bezeichnet. Diese Aussage ist ein wenig ungenau, denn wo es gar keinen Markt gibt, kann dieser auch nicht versagen. Aber massive externe Effekte, darüber ist sich die Wissenschaft einig, verhindern effiziente marktliche Lösungen. Darum braucht es staatliche Rahmensetzung, etwa durch Bepreisung von CO2-Emissionen, am besten durch ein Cap-and-Trade-System, zielgerichtete und kosteneffiziente Förderung grüner Technologien und transparente, unbürokratische regulatorische Vorgaben. Innerhalb dieses Systems sollen die Marktkräfte möglichst ungehindert wirken können.

Europa und Österreich sind auf dem Weg zur Dekarbonisierung schon einen weiten Weg gegangen, bisher aber ohne große wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Das ist bei exponentiellen Prozessen wie oben beschrieben nicht verwunderlich. Jetzt gilt es, Nerven zu bewahren und den Kurs zu halten. Für eine erfolgreiche Klimapolitik braucht es für die Marktteilnehmer klare Ansagen, keine Zickzack-Strategie. Es braucht staatlicherseits auch das Vertrauen, dass die Wirtschaft ihre Aufgabe erledigen wird, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Mikromanagement, Bürokratie und widersprüchliche Vorgaben gehören nicht dazu.

Es braucht wohl auch eine neue europaweite Industriepolitik.

Gabriel FelbermayrWifo-Chef

Die ökologische Transformation ist eine Mammutaufgabe. Sie erfordert hohe Investitionen: in neue Produktionsanlagen, Netze aller Art, in das Humankapital. Diese verdrängen in Zeiten knapper Arbeitskräfte andere, für den Konsum bestimmte Aktivitäten. Das ist aber nichts Neues. Auch beim industriellen Wiederaufbau unseres Landes nach dem Zweiten Weltkrieg musste zunächst massiv investiert werden; die Früchte dieser Anstrengungen ernten spätere Generationen, etwa in Form voll abgeschriebener, aber noch lange funktionsfähiger Wasserkraftwerke.

Daher ist es vernünftig und wirtschaftlich effizient, sich für den Aufbau eines neuen Kapitalstocks zu verschulden, denn damit wird Nettovermögen für die Zukunft geschaffen – hier sollten wir die ideologischen Scheuklappen ablegen.

Es braucht wohl auch eine neue europaweite Industriepolitik. Das kann keine Wiederauflage gescheiterter Konzepte aus den 1970er-Jahren sein. Vielmehr geht es um die technologieoffene Förderung von Forschung, um den Ausbau des Binnenmarkts für die Zwecke rascher und effektiver Skalierung und um eine geeignete außenwirtschaftspolitische Absicherung. Vor allem müssen alle Ampeln auf Grün schalten, wenn es um Investitionen geht. Wenn andere bei grünen Technologien aktuell die Nase vorne haben, kann das für uns nicht bedeuten, die eigenen Anstrengungen zurückzufahren. Im Gegenteil.

Der Gastkommentar von Gabriel Felbermayr ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 23.8.2024 entnommen.
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Über die Autoren

Volkswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität Linz (Magister mit Auszeichnung 2000). Danach wechselte er zum Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, wo er 2004 zum Ph.D. promoviert wurde. Der Wechsel zum Ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München erfolgte im Jahr 2010; 2019 wechselte der Ökonom zum IfW nach Kiel. Seit Oktober 2021 ist Felbermayr Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO) in Wien und Universitätsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU).

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