Will ins Parlament und braucht dafür noch den Gegenwert von ca. 10.000 Mal 10 Krügel Bier: Dominik Wlazny, Chef der Bierpartei
©Elke MayrGestern Kommunisten-Hype in Salzburg, morgen Bierpartei-Einzug ins Parlament? Was Dominik Wlazny von Kay Michael Dankl noch massiv unterscheidet. Warum Andreas Babler den Chef der einstigen Spaßpartei aber weiter ernst nehmen muss.
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Just am Wahlwochenende der Salzburger Stichwahl machte Dominik Wlazny alias Marco Pogo auf seiner “Turbobier-Tour” in der Mozartstadt Station. Zwanzig Städte in Deutschland, der Schweiz und Österreich graste der Punker auf seiner einmonatigen März-Tour ab. Auch im ausverkauften Salzburger Rockhouse wurden vor allem Pogo-Klassiker wie „King of Simmering“ und „Arbeitslos durch den Tag“ zum Besten gegeben – inklusive der einen und anderen Sauf-Parole: „Glaubt ihr wirklich, wir hätten unsren Duarscht verlorn“?
Noch bis Anfang Mai tourt Wlazny mit einer seiner ältesten Shows durch die Lande: "Nach knapp 2 Jahren, 135 Terminen und gefühlt ebenso vielen Varianten von “Gschichtldrucker” gastier’ ich am 7. Mai 2024 im Wiener Stadtsaal das letzte Mal. Daun is Schluss", lässt er seine Fans wissen.
Politik war und ist auf diesen Punk-Touren aber nie Thema. Auch nicht beim Marco-Pogo-Gastspiel am vergangenen hochspannendem, Wahl-Wochenende in Salzburg. Der studierte Mediziner und Punk-Musiker Dominik Wlazny will freilich mit seiner Bierpartei nach wie vor bei der kommenden Nationalratswahl antreten.
Erste Aktivisten-Treffen im "Rockhouse"
Nach Wien und Graz hatte Dominik Wlazny vor zehn Tagen auch in Salzburg lokale Kandidaten und Aktivisten zu einem Vernetzungstreffen an jenen Ort geladen, an dem vier Tage danach Marco Pogo seinen großen Turbobier-Auftritt hatte. Rund vierzig Interessierte kamen ins Salzburger Rockhouse.
Der Parteichef fehlte aber trotz kurzer Tour-Pause und schickte drei lokale Funktionäre. Demnächst stehen Rekrutierungs-Abende für die Bierpartei-Basis in Innsbruck und Linz an. Der Rest der Landeshauptstädte soll demnächst folgen.
Dominik Wlazny macht Ernst mit seiner Ankündigung, bei der Nationalratswahl im Herbst die 4-Prozent-Hürde überspringen und künftig in der Politik mitmischen zu wollen.
Von 0,1 auf 8 Prozent für die Bierpartei
Nach der Bruchlandung bei der Nationalratswahl 2019 ( nicht einmal 5000 Stimmen und gerade noch messbare 0,1% der Stimmen), dem Scheitern beim Einzug in den Gemeinderat aber zumindest in einige Bezirksvertretungen bei der Wien-Wahl (1,8%) und dem Überraschungserfolg bei der Bundespräsidentenwahl 2022 mit 8 Prozent, messen Umfragen Dominik Wlaznys Bierpartei derzeit hartnäckig zwischen 6 und 8 Prozent zu. Dem erfolgreichen Punker droht als Parteigründer nun aber die Zeit davonlaufen.
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Hilferuf um mehr Zulauf im Fastenzeit-Finale
Beim ausgegebenen Ziel, bis Ende April 20.000 Mitglieder zu schaffen und damit je 59 Euro in die Bierpartei-Kassa zu spülen, steckt er seit Wochen auf halber Strecke fest.
Wlazny rief nun mediengerecht mitten in der nachrichtenarmen Karwoche zum Endspurt auf. Gut zehn Krügeln müssten noch einmal gut zehntausend Fans Dominik Wlazny als Turbo für seine Bierpartei spendieren.
Bislang wurde derart bereits eine halbe Million Euro gezapft. Die für den Aufbau der Partei budgetierten 1,2 Millionen blieben bislang aber Chimäre. Selbst damit kommen Wlazny & Co, die von der Rekrutierung von Aktivisten und Wahlkandidaten bis zur Entwicklung eines griffigen Parteiprogramms von Null auf Hundert starten, nicht sehr weit. Von ausreichend finanzieller Schubmasse für eine Wahlkampagne war dabei noch gar keine Rede.
Ziel 20.000 zahlende Mitglieder abgesagt
Die Kommunikationsprofis der Bierpartei lassen ihren Frontman daher bereits kräftig zurückrudern und haben auf seinen brav verlesenen Rede-Karten vermerkt: Selbst Rapid komme als größter Fußballverein des Landes nur auf 16.000 Mitglieder.
Vom ehrgeizigen Ziel, auf 20.000 zahlende Mitglieder zu kommen, ist daher ab sofort nicht mehr die Rede. Für Ende April ist jetzt vielmehr “ein Kassasturz” angesagt. Nach Auskunft von Bierpartei-Kennern sowohl finanziell als auch personell. Neues Wunschziel: Muss Wlazny schon in Sachen Finanzen kleinere Brötchen backen, sollte er zumindest an der Kandidatenfront mit dem einen oder anderen Neuerwerb glänzen können.
Der Pferdefuß des Bierpartei-Capos
Denn der Erfolg von Kay Michael Dankl, aus dem Stand mehr als ein Drittel der Salzburger Wählerstimmen als Bürgermeisterkandidat zu gewinnen, hat den Optimismus im Kreis um Dominik Wlazny beflügelt, es auch erfolgreich ins Parlament zu schaffen.
Politik-Strategen machen im direkten Vergleich mit Dankl bei Wlazny aber noch einen Pferdefuß aus: Beide treten als Personen gewinnbringend auf. Bei Kay Michael Dankl kommt allerdings ein attraktives Thema hinzu. Ob der in Salzburg exorbitanten Wohnungspreise schaffte es Dankl, sich als glaubwürdiger Anwalt geplagter Mieter und Wohnungskäufer zu profilieren.
Dominik Wlazny setzt weiter nur auf allgemeine Parolen wie den Kampf gegen Kinderarmut, für gleichen Lohn für Frauen und Männer, ein gerechtes Bildungssystem und ein gesundes Gesundheitswesen.
Im Hofburg-Wahlkampf haben platte Parolen wie diese noch gereicht. Zumal die Präsidentenwahl primär ein Persönlichkeits-Wettrennen ist und vom Staatsoberhaupt mangels Kompetenzen keine praktischen politischen Maßnahmen erwartet werden. Alexander Van der Bellen, der 2022 zu seiner Wiederwahl antrat, hatte zudem – abseits des FPÖ-Kandidaten Walter Rosenkranz – nur Newcomer wie Dominik Wlazny, den Krone-Kolumnisten Tassilo Wallentin und einige andere mehr als Gegenkandidaten.
Wlazny-Wähler Babler in der Bierpartei-Falle
Die einst größten Parteien des Landes, SPÖ und ÖVP, wollten angesichts dieser Gemengelage keinen Cent in einen Wahlkampf stecken. Wer immer als eingefleischter Rot- oder Schwarz-Türkis-Wähler mit Van der Bellen nicht (mehr) konnte, musste so auf jemanden ausweichen, der seiner politischen Gesinnung am nächsten kam.
Selbst der heutige SPÖ-Parteichef Andreas Babler votierte so 2022 nicht für die erfolgreiche Symbolfigur des Anti-Rechts-Lagers Van der Bellen, sondern für den schillernden Bierpartei-Chef Dominik Wlazny. Heute droht der Spaßkandidat von gestern zur Bedrohung für Babler bei dessen erster entscheidender Testwahl zu werden.
Der in- und außerhalb der Partei unter Dauerkritik stehende Rendi-Wagner-Erbe sucht sich derzeit zwar im Lichte der Wiedereroberung des Bürgermeister-Sessels in Salzburg zu sonnen. Der rote Lokalmatador Bernhard Auinger ging noch in der Stunde des SPÖ-Triumphes aber unmissverständlich auf Distanz zum extra angereisten Parteichef.
”Die SPÖ sollte nicht weiter nach links rücken” ließ der neue Salzburger Stadtchef wissen. Den Wahlerfolg reklamierte er ausnahmslos für sein Team und sich – ohne höflichen Pflicht-Verweis auf den von Babler & Co gern propagierten Aufwind seit dessen Parteichef-Kür: "Wir haben hier selbstständig wahlgekämpft, haben auf lokale Themen gesetzt. Ich habe immer gesagt, es geht hier nicht um die Bundespolitik. Auch wenn es medial versucht wurde."
Hamburg und FC St. Pauli statt Wahl in Salzburg
Beim ersten Wahlgang Anfang März wurde die SPÖ in der Mozartstadt nur knapp aber doch zur Nummer 1. SPÖ-Bürgermeisterkandidat Auinger lag aber nur mit bloß 800 Stimmen vor KPÖ-Herausforderer Dankl. Andreas Babler ließ sich damals bei den reichlich desperaten Roten nicht blicken. Am Samstag des Wahlwochenendes weilte der heimische SPÖ-Chef stattdessen beim Landesparteitag der Hamburger SPD. Am ersten Wahl-Sonntag saß er auf der Zuschauertribüne seines deutschen Lieblingsfußballvereins FC St. Pauli. Ein Jahr nach seiner erfolgreichen Kandidatur muss der Traiskirchner Bürgermeister nicht nur deshalb nach wie vor um Respekt und Gefolgschaft kämpfen.
Umso mehr genießt er Ausflüge nach Deutschland, wo er angesichts der Dauerkrise der von SPD-Kanzler Olaf Scholz präsidierten Ampel-Koalition unverdrossen als roter Hoffnungsträger gehandelt wird.
In Österreich ist das über Bablers engsten Führungskreis hinaus nicht auszumachen. In der SPÖ beginnt sich vielmehr neuerlich Ernüchterung breit zu machen. “Von der Aufbruchstimmung, die von der Löwelstraße propagiert wird, ist keine Rede”, sagt ein SPÖ-Insider, “Es macht sich stattdessen Schulterzucken und Ratlosigkeit wie in Zeiten von Rendi-Wagner breit.”
Dabei sind bei den EU-Wahlen die Chancen der SPÖ, den zweiten Platz von 2019 zu verteidigen, weiter intakt. Im September droht der einstigen Kanzlerpartei aber nach wie vor der Verweis auf den dritten Platz. Denn Babler erwächst im Bund nicht nur mit der nun auch in Salzburg wachgeküssten KPÖ neue Konkurrenz von linksaußen. Auch Dominik Wlazny hat allen roten Lockrufen, sich seine Kandidatur im Bund “im Sinne des großen Ganzen” doch noch einmal zu überlegen, bislang eisern widerstanden.