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Pilnaceks Fluch [Politik Backstage]

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Christian Pilnacek, der verstorbene frühere Sektionschef im Justizministerium, im Mai 2022. Damals war er selbst im Rahmen des parlamentarischen ÖVP-Untersuchungsausschusses als Zeuge geladen. Jetzt wird seine Ära im Justizministerium unter die Lupe genommen.

©Imago/Martin Juen/SEPA Media
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Das geplante Skandal-Duell Schwarz-Türkis versus Rot-Blau mit zwei U-Ausschüssen zündet (noch) nicht. Nun fürchtet die ÖVP nach dem Tod des Schatten-Justizministers neues schweres Ungemach an der Justiz-Front.

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“Der Mann zittert ja von den Augen abwärts mit allen Körperteilen vor Angst”, resümiert ein teilnehmender Beobachter. Der Mann mit den weithin auffälligen Gemütsregungen gehört zum obersten Führungspersonal der Republik. Erst als Sektionschef im Finanzministerium sowie stellvertretender Generalsekretär, nunmehr als Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA).

Eduard Müller sitzt in der FMA auf jenem der beiden Vorstandssessel, für den sich die ÖVP per Koalitions-Sideletter das Nominierungsrecht gesichert hat.

Das scharfzüngige Resümee über den Auftritt des langjährigen Spitzenbeamten diesen Donnerstag vor dem U-Ausschuss des Parlaments stammt nicht von einem, dem ÖVP-Günstling gegenüber missliebigen, Oppositionsvertreter, sondern von einem bürgerlichen Ausschuss-Beobachter, dem Eduard Müller aus früheren Begegnungen wohl vertraut ist.

"Edi" Müllers Glück im U-Ausschuss-Unglück

So gesehen war es ein Glück für den in ÖVP-Kreisen einst “der schöne Edi” gerufenen FMA-Chef, dass im U-Ausschuss Film- oder Tonaufnahmen bei der Befragung von öffentlichen Amtsträgern nach wie vor strikt untersagt sind. Denn der gelernte Finanzamtsprüfer hinterließ alles andere als das Bild, das er von sich wortreich vor den Abgeordneten gerne erfolgreich gezeichnet hätte: Das des makellos souveränen Staatsdieners, der nichts als das Wohlergehen der res publica im Auge hat. “Mit Leuten wie ihm hatten skrupellose Machtmenschen wie Thomas Schmid ein leichtes Spiel”, resümiert ein U-Ausschuss-Mandatar.

Im Mittelpunkt der Befragung im U-Ausschuss stand so etwa auch: Welche Rollen hatten Thomas Schmid als weisungsbefugter Generalsekretär im Finanzministerium und Eduard Müller als dessen Stellvertreter im Umgang mit den millionenschweren Steuercausen des gefallenen Immobilien-Tycoons René Benko gespielt?

Diese Woche gingen Mittwoch und Donnerstag Tag 3 und 4 der Befragungen im COFAG-Untersuchungs-Ausschuss über die Bühne. Lediglich sechs Tage sind insgesamt zur Einvernahme von Auskunftspersonen, vulgo U-Ausschuss-Zeugen, reserviert. Donnerstagmittag war also bereits Halbzeit im bislang kürzesten U-Ausschuss angesagt.

Um die COFAG, die Corona-Finanzierungs-AG die mehr als 15 Milliarden Euro an Unterstützung zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Lockdowns ausgeschüttet hat, ging es an den beiden jüngsten U-Ausschuss-Tagen keine Sekunde.

Power-Patt bei der Skandal-Aufklärung

Auf der Agenda stand vielmehr neuerlich die reichhaltige Skandal-Hinterlassenschaft des einst mächtigsten Strippenziehers im Finanzministerium und willfährigsten Helfer von Sebastian Kurz beim Aufstieg zum ÖVP-Chef und Kanzler, Thomas Schmid.

Einige der Causen beschäftigten schon den ÖVP-Korruptionsausschuss. Aus Sicht von Rot und Grün blieben freilich auch nach dessen Ende Fragen offen. Für eine neuerliche Verlängerung hatte sich keine Mehrheit mehr gefunden. Auch wenn bis kurz vor Schluss die roten und pinken Fraktionsspitzen Jan Krainer und Stefanie Krisper noch wie ein politisches Zwillingspaar auftraten, gab NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger die Parole aus: Das schwarz-türkise Sumpfgelände sei ausreichend vermessen. Jetzt sollten sich die Politik stattdessen ans Trockenlegen der Sümpfe und sauren Korruptionswiesen machen.

Ohne Pink gab es für eine Verlängerung aber keine ausreichende Mehrheit. Denn die Grünen schieden aus Koalitionsräson als Partner für eine Verlängerung des U-Ausschusses aus. Gemeinsame Sache mit Rot und Blau in Sachen ÖVP-Korruptionsausschuss zu machen, wäre ein Bruch des türkis-grünen Koalitionsvertrages.

Verdeckte Neuauflage von U-Ausschuss über Thomas Schmids Skandal-Hinterlassenschaft

Ergebnis dieses Polit-Patts ist eine sehr österreichische Lösung: Der nun auf Verlangen der Opposition eingesetzte U-Ausschuss ist hochoffiziell der Überprüfung und Aufarbeitung der Vergabe der COFAG-Milliarden gewidmet. De facto ist er aber eine Verlängerung des ÖVP-Korruptionsausschusses.

Gipfel der sehr österreichischen Lösung: Parallel dazu findet ein U-Ausschuss zur Untersuchung des “rot-blauen Machtmissbrauchs” stand – mit spiegelgleich ebenfalls nur sechs Zeugen-Befragungstagen.

Binnen weniger Tage sollen auf Verlangen der der ÖVP dreizehn Jahre, vom Beginn der kurzen Kanzler-Ära Gusenbauer 2006 bis Ende der kurzen Vizekanzler-Ära Strache 2019, auf Malversationen vor allem in Sachen Aufträge und Inserate durchleuchtet werden.

ÖVP will "Skandal-Spieß einmal umdrehen"

“In den letzten vier Jahren stand es im U-Ausschuss immer 4 gegen 1, also alle anderen gegen die ÖVP. Jetzt wollen wir den Spieß einmal umdrehen”, sagt ein ÖVP-Stratege.

Ein türkiser Ausschuss-Auskenner gesteht zudem ein: Es sei mehr als fraglich, dass die gewählte Agenda einer juristischen Überprüfung vor dem Verfassungsgerichtshof standhalten würde. Aber bis ein entsprechendes Verfahren abgeschlossen wäre, sei die laufende Legislaturperiode samt allen U-Ausschüssen längst Parlamentsgeschichte.

Zwei Ausschüsse, die im Turbo-Modus sechs Monate vor dem Nationalratswahl-Termin durchgezogen werden sollen, stehen so weder für die Parlamentarier noch für das p. t. Publikum unter einem guten Stern. Bislang hat so keiner der beiden U-Ausschüsse wirklich gezündet.

Déjà-vu des Unsittenbilds

Der von Rot-Blau initiierte COFAG-U-Ausschuss bot bislang nur ein Déjà-vu des bereits sattsam bekannten Unsittenbilds rund um Thomas Schmid.

Für den von Schwarz-Türkis begehrten Gegen-U-Ausschuss in Sachen Rot-Blau setzen die ÖVP-Strategen nun ihre Hoffnungen auf die Einvernahme von blauen Spitzenfunktionären – von FPÖ-Parteichef Herbert Kickl abwärts – kommende Woche.

Munition für Vorwahlkampf scharf machen

Da wie dort wird vor allem versucht, Munition für den Vorwahlkampf zu finden und scharf zu machen.  Im Windschatten der beiden gegnerischen U-Ausschüsse nimmt derweil abseits des Parlaments ein Projekt Fahrt auf, das zusätzlich für Konfliktstoff sorgen könnte:

Zum einen innerhalb der noch aufrechten Koalitionsehe zwischen Türkis und Grün. Zum anderen für die heiße Phase des kommenden Wahlkampfs.

Alma Zadic lässt nach geheimer Tonband-Aufnahme Ära Pilnacek durchleuchten

Ausgangspunkt ist der öffentliche Wirbel um jene geheime Tonbandaufnahme, in der der früher mächtigste Mann im Justizministerium wenige Monate vor seinem Tod schwere Vorwürfe in Sachen Interventionen gegen die ÖVP und insbesondere gegen Wolfgang Sobotka in heiklen Justizcausen erhebt.

Der brisante Inhalt wurde wenige Wochen nachdem Pilnacek am Ufer eines Seitenarms der Donau in der Wachau tot aufgefunden worden war, öffentlich gemacht. Die Justizministerin installierte in der Folge im Dezember des Vorjahres eine siebenköpfige interdisziplinäre Untersuchungskommission unter Leitung des ehemaligen Chefs der internationalen Anti-Korruptionsakademie in Laxenburg, Martin Kreutner: “Zur Aufklärung des Verdachts der politischen Einflussnahme auf die österreichische Justiz”.

Diese soll bis Ende Mai “Verdachtsmomente in Richtung einer (auch nur versuchten) politischen Einflussnahme auf die Justiz im Zeitraum von Jänner 2010 bis Dezember 2023 aufklären”.

Der lange Untersuchungsraum mit Start Jänner 2010 ist nicht zufällig gewählt. In diesem Jahr übernahm Christian Pilnacek, der mit seinen schwerwiegenden Vorwürfen posthum die Untersuchung auslöste, die Leitung der Strafrechtssektion und damit auch die Aufsicht über die Führung von Strafverfahren.

Whistleblower-Homepage für anonyme Hinweise

Um auch anonyme Hinweise möglich zu machen, wurde online eine Whistleblower-Seite eingerichtet, bei der konkrete Hinweise auf versuchte politische Einflussnahme deponiert werden können.

“Selbst wenn man den in solchen Fällen üblichen Narrensaum wegrechnet, kommen weitaus mehr Hinweise als erwartet”, sagt ein teilnehmender Beobachter. “Es kann daher sein, dass der für Mitte Juni geplante Vorlage-Termin des Kommissions-Berichts noch etwas nach hinten verschoben werden muss.”

Eines wollen angesichts der vielen neuen Gerüchte und Verschwörungstheorien rund um das Ableben von Christian Pilnacek aber alle Beteiligten vermeiden: Dass nach Ende der beiden U-Ausschüsse der heikle Kreutner-Bericht zu nahe an den Start des Intensiv-Wahlkampfs für die Nationalratswahl im September kommt. Eine längerfristige Verschiebung oder gar eine auf die Zeit nach den Wahlen scheide zudem angesichts der aufgeheizten Stimmung in Sachen Skandalen aus.

Nach U-Ausschüssen kommt Justiz-Prüfbericht der Zadic-Kommission

In der ÖVP wird derweil die Arbeit der Zadic-Kommission, deren Bericht in jedem Fall erst nach Ende der beiden bereits hochsensiblen U-Ausschüsse vorliegen wird, mit besonderen Argusaugen beobachtet.

Die aktuelle Verlängerung des ÖVP-Korruptions-Ausschusses via COFAG-Untersuchungs-Ausschuss suchen die Schwarz-Türkisen derweil noch unverdrossen mit dem Anti-Rot-Blau-Ausschuss zu neutralisieren.

Für die Wochen und Monate danach fürchten die Schwarz-Türkisen aber nichts mehr als eine neue Welle von Macht-Missbrauchs-Vorwürfen in Sachen Justiz.

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