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Politik Backstage: „Wir sind gekommen, um zu bleiben”

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FPÖ-Chef Herbert Kickl und sein Wirtschaftsexperte Arnold Schiefer wollen große Reformen umsetzen.

©APA/HELMUT FOHRINGER
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Wie nun auch die FPÖ Banken und Konzerne unter dem Motto „Alle tragen mit“ bei der Budgetsanierung zur Kasse bitten will. Was die ÖVP-Verhandler aber in Sachen „Volkskanzler“ Kickl am meisten fürchten. Warum die SPÖ dem Bundespräsidenten nachträgt, bei der Rettung der Dreierkoalition ausgelassen zu haben.

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An das neue Setting im Hohen Haus hat sich das Gros der Beteiligten sichtlich noch nicht gewöhnt. Auf der Regierungsbank sitzt einmal mehr mutterseelenallein der Chef der Steuer-Sektion im Finanzministerium, Gunter Mayr. Der Spitzenbeamte hat nach dem Wechsel von Magnus Brunner als EU-Migrationskommissar nach Brüssel vorübergehend die Führung des Ressorts übernommen. Selbstbewusst und, wenn geboten auch konfliktfreudig verteidigt er den von der blau-schwarzen Budget-Verhandlergruppe gemeinsam mit dem Finanzressort erarbeiteten Konsolidierungsplan für das aus dem Ruder gelaufene Budget 2025. Als etwa Ex-Klimaministerin Leonore Gewessler die Abschaffung des Klimabonus als „Steuererhöhung” geißelt, kontert der Spitzenbeamte knochentrocken, aber bestimmt: Der Klimabonus habe null von einer Steuer und sei eine klassische Förderung, die nun gestrichen wird.

Das Gros von Gewesslers ehemaligen ÖVP-Regierungskolleg:innen verfolgten den Disput zwischen dem Finanzminister und der Ex-Klimaschutzministerin von den ÖVP-Abgeordnetenreihen aus.

Solange keine neue Regierung bestellt ist, bleiben Gerhard Karner, Klaudia Tanner, Norbert Totschnig & Co politische Zwitter: Um politisch & pekuniär auf Nummer sicher zu gehen, legen sie auch nach der Betrauung mit der Weiterführung der Ministergeschäfte durch den Bundespräsidenten ihr Mandat nicht zurück.  Nur wenn sie aufgrund der Tagesordnung als Minister gefragt sind, nehmen sie – solange eine neue Regierung nicht steht – in den ersten drei Reihen der ÖVP-Fraktion Platz.

Nehammers geplatzter Premieren-Auftritt

Diesen Dienstag marschieren die schwarz-türkisen Polit-Zwitter bald nach Sitzungsbeginn für knapp zwei Stunden vorübergehend wieder auf der Regierungsbank ein. 

Nach dem kompletten Rückzug von Karl Nehammer aus der Politik am Dreikönigswochenende muss Alexander Schallenberg das zweite Mal binnen vier Jahren in den süß-sauren Apfel beißen und sich nun auch dem Parlament für ein paar Wochen als  Übergangsregierungschef präsentieren.

Im ÖVP-Drehbuch war noch bis Anfang des Jahres für die erste Parlamentssitzung 2025 ein anderer Hauptakteur vorgesehen: Bis 15. Jänner wollte Karl Nehammer die Dreierkoalition des Landes in trockenen Tüchern haben. Und nach dem Segen durch die Parteigremien und den Bundespräsidenten in der ersten Nationalratssitzung des Jahres am 22. Jänner seine Regierungserklärung als erster Kanzler einer Dreierkoalition abgeben.

Doch am dritten Tag des neuen Jahres ließ Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger via Pressekonferenz den Traum einer Kickl-freien Koalition aus Schwarz-Rot-Pink platzen. Nicht einmal 48 Stunden danach stand auch die ÖVP vom Verhandlungstisch auf.

Gruppentherapie auf offener Parlamentsbühne

Seit nunmehr zehn Tagen zimmern Herbert Kickl und Christian Stocker bereits am Projekt der ersten Regierung unter einem blauen Kanzler.

Auf offener Parlamentsbühne liefern sich die Möchtegern-Koalitionäre zwei Wochen nach dem endgültigen Scheitern mehr denn je heftige Wortgefechte, wie und warum der Polit-Dreier nicht flott wurde.

Weil „eine kleine radikale Clique von Großunternehmern und Großindustriellen die Macht in der ÖVP übernommen hat”, poltert SPÖ-Chef Andreas Babler. „Weil Sie nicht bereit waren, politische Verantwortung zu übernehmen”, sucht Neos-Klubvize Nikolaus Scherak in pinker Manier nüchtern zu kontern. „Herr Kollege Babler, ich würde mich in Grund und Boden schämen, wenn ich so viele Unwahrheiten verbreiten würde, wie Sie das gemacht haben”, poltert ÖVP-Klubchef August Wöginger.

Seit Tagen werden Verhandlungsdetails geleakt. Die ÖVP sucht die rote Propaganda vom Putsch der Industriellen und Superreichen in der ÖVP mit Szenen aus den letzten Stunden des schwarzen-roten Ringens um eine Zweier-Koalition mit arschknapper Mehrheit zu entkräften: Im Finale habe Babler plötzlich neue Steuer- und Belastungswünsche in Höhe von drei Milliarden aus dem Hut gezogen.   

Die immer schärfer konturierten Schwarz-Weiss-Erzählungen werden – wer sich die Mühe macht, hinter den Kulissen auf Spurensuche zu gehen – um viele Zwischenfarben reicher, das Gesamtbild vielschichtiger.

Offene Rechnungen mit Meinl-Reisinger

In einem Befund stimmen erfahrene rote und schwarze Verhandler ohne Wenn und Aber überein. Wann immer bislang im Politik-Geschäft Verhandlungen auf der Kippe stehen, gibt es vor dem endgültigen Aus - meist unter vier Augen - ein Aviso des Ausstiegswilligen. Motto: Unser Spielraum ist erschöpft. Wenn wir noch zu einer gemeinsamen Lösung kommen wollen, müsst ihr uns da oder dort entgegenkommen. Die Schmerzpunkte werden ein letztes Mal so benannt, dass ein Entgegenkommen last minute noch möglich wäre. 

„Meinl-Reisinger hat ohne Vorwarnung hingeschmissen und uns damit die Chance genommen, vielleicht doch noch zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen”, lassen sowohl schwarze als auch rote Spitzenverhandler wissen. 

ÖVP-Leute bringen auch hier eine Spitze gegen Babler an: „Er hat die Beate von Anfang an sehr oft anrennen lassen. Schon rund um Silvester haben einige bei uns geglaubt, dass die Neos bald alles hinschmeissen werden.”

Van der Bellen, der Leider-nein-Mediator

Aufklärungs- und Aufarbeitungsbedarf sehen rote Verhandler nicht nur bei den Pinken, sondern auch beim aktuellen Hausherren in der Hofburg. Als nach einer sehr kontroversen nächtlichen Verhandlungsrunde am 2. Jänner am frühen Morgen danach ruchbar wurde, dass Beate Meinl-Reisinger zu einer Blitz-Pressekonferenz rufen wolle, um das Aus zu verkünden, griffen SPÖ-Verhandler zum Handy und ließen Bundespräsident Alexander Van der Bellen (VdB) wissen: Jetzt sei das Staatsoberhaupt dringend gefragt. VdB solle Karl Nehammer, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger umgehend noch einmal an einen Tisch bitten, um als Mediator auszuloten, wie die Drei doch noch zusammenkommen können. „Wenn der Bundespräsident dringend ruft, wäre Meinl-Reisinger gar nichts anderes übrig geblieben, als ihre Pressekonferenz zu verschieben”, so ein SPÖ-Mann. 

Alexander Van der Bellen war freilich seinerseits schon dringend von Beate Meinl-Reisinger gesucht worden.

Als die beiden einander dann rund 45 Minuten vor Start der „Wir steigen aus”- Pressekonferenz endlich am Handy-Hörer hatten, war die Milch bereits vergossen. Meinl-Reisinger war wild entschlossen, die bereits Tage davor intern vorbereitete Option „Pinke Reißleine“ durchzuziehen.

Zum Gespräch gebeten wurden im Laufe des Nachmittags so allein die beiden Hinterbliebenen der Dreier-Koalition, Karl Nehammer und Andreas Babler. 

Für SPÖ-Verhandler ist ihr vergeblicher Versuch, Alexander Van der Bellen last minute als Mediator zur Rettung der „Zuckerlkoalition” ins Spiel zu bringen, ein Beleg mehr, dass es Babler & Co mit dem Gang in der Regierung zumindest damals noch ernst meinten. 

Wenn es da etwas noch aufzuarbeiten gibt, dann dies, so ein erfahrener roter Verhandler: Der Bundespräsident habe seine wichtigste und tragende Rolle bei der Steuerung der Regierungsbildung „nicht ausreichend wahrgenommen”. 

Rotes Powerplay nach Neos-Abgang

Mit dem Absprung der Pinken kamen bei ÖVP und SPÖ die Einschätzungen ihrer Verhandlungsmacht über Nacht gehörig ins Rutschen. ÖVP-intern fürchtete vor allem der Wirtschaftsbund, ohne den Puffer der Neos permanentem Powerplay der Babler-Truppe auch im Regierungsalltag ausgeliefert zu sein. Im Babler-Team glaubte man sich nach Wegfall des zweiten bürgerlichen Gegenübers in der Tat stärker denn je. Und ließ das, so ein ÖVP-Insider, Nehammer & Co auch spüren. Dass nicht einmal zwei Tage nach Schwarz-Rot-Pink auch Schwarz-Rot krachend scheiterte, erklären teilnehmende Beobachter zu einem Gutteil auch damit: „Für eine gedeihliche Zusammenarbeit muss auch die persönliche Chemie zwischen dem Spitzenpersonal stimmen. Daran hat es sowohl zwischen Meinl-Reisinger und Babler als auch zwischen Nehammer und Babler gehapert.“

„Nur meine Mutter und Doris Bures sagen Andreas statt Andi zu mir“

Eine sehr verquere Familienaufstellung der SPÖ-Verhandler-Riege wird sowohl von pinken und als auch schwarzen Vis-à-vis von vielen Beispielen unterfüttert gezeichnet. „Wir sind nicht einer SPÖ, sondern zumindest drei SPÖs gegenübergesessen: Den Babler-Leuten, der Wiener SPÖ und den SPÖ-Gewerkschaftern.“

Wie sehr mehr neben- als miteinander besonders die von Michael Ludwig als Babler-„Nanny” bestellte Doris Bures und SPÖ-Chef Babler agierten, beschreiben Verhandler mit folgender Anekdote: Als Bures Babler, der auch vom politischen Gegenüber am liebsten mit „Andi” angesprochen werden wollte, diesen in einer Verhandlerrunde einmal mehr hörbar abgrenzend als „Andreas” anspricht, lässt dieser mehr launisch als launig wissen: „Alle nennen mich Andi, nur zwei Personen nennen mich Andreas: Meine Mutter und Doris Bures.“ 

Bei SPÖ, Neos und Grünen hat aber die interne Aufarbeitung des gemeinsamen Scheiterns erst begonnen. „Damit es zu einem gedeihlichen Miteinander etwa in U-Ausschüssen und in der Parlamentsarbeit kommen kann, ist da noch viel zu tun”, sagt ein SPÖ-Mann. Dafür könnten Rot, Pink und Grün mehr Zeit haben als ihnen lieb ist.

FPÖ proklamiert: „Wir sind gekommen, um zu bleiben“

„Wir sind gekommen, um zu bleiben”, proklamiert dieser Tage ein Spitzenmann im FPÖ-Verhandlungsteam. Diese vollmundige Ansage ist zuvorderst an das neue schwarze Vis-a-vis gerichtet. „In der ÖVP glauben viele noch immer, sie müssen jetzt zwei, drei Jahre mit uns teilen und halbwegs mit uns auskommen, danach geht es aber mit der alten Vorherrschaft weiter. Da werden sie sich täuschen. Wir wollen ein paar echte Reformen”, so ein FPÖ-Mann.

Drei Brüche mit der bisherigen politischen Praxis sollen ganz oben auf dem blauen Wunschzettel stehen.

ÖVP will Hürden gegen blaue Plebiszitokratie

Ein ÖVP-Spitzenverhandler rechnet damit, dass Herbert Kickl sein nicht nur historisch belastetes Wahlkampf-Motto „Volkskanzler” weiter forcieren und massiv auf Volksbefragungen und Volksabstimmungen setzen will. Die von der Kärntner FPÖ initiierte Volksbefragung über Windräder war da nur ein Anfang. In der Regierung Kurz-Strache waren einschlägige Pläne an das Ende der Regierungsperiode aufgeschoben worden. Dazu kam es wegen des Ibiza-Skandals nicht mehr.

„Hier entsprechende Hürden einzubauen, damit Kickl nicht zugleich Regierung und Opposition spielen kann und uns via Plebiszite permanent unter Druck setzt, wird eine große Herausforderung”, so der Tenor in ÖVP-Verhandlerkreisen.

Kurze Leine für Blaue in Brüssel als Koalitions-Sprengsatz

Zu einem weiteren Knackpunkt in den Koalitionsgesprächen dürfte die Haltung der Blauen zur Europäischen Union werden. Eine gemeinsame Formel im Regierungsprogramm und ein grundsätzliches Bekenntnis zur EU, glaubt ein ÖVP-Wirtschaftsmann, werde gelingen. Ein immer wiederkehrender Konfliktherd könnte aber die tragende Rolle eines blauen Kanzlers in Brüssel werden. Auf EU-Ebene ist Herbert Kickl als Mitglied im Rat der Staats- und Regierungschefs einer der beiden Gesetzgeber der Union. Der Kanzler ist dabei praktisch keinen politischen Vorgaben unterworfen, er muss nicht einmal grünes Licht von seinen Regierungskollegen im Ministerrat einholen.

In der ÖVP werden daher seit Tagen Pläne gewälzt, wie der Kanzler hier vor EU-Gipfeln durch jeweils innerhalb der Koalition ausverhandelte gemeinsame Positionen -  an die Kandare genommen werden kann.

FPÖ moniert Sololäufe in Brüssel à la Gewessler

Ein FPÖ-Verhandler quittiert dringende ÖVP-Wünsche wie diese launig so: „Die Frau Ministerin Gewessler hat beim EU-Renaturierungsgesetz folgenlos gegen die Wünsche der ÖVP gestimmt. Wenn die Grünen mit ihren einst 13 Prozent der Stimmen einen Joker gehabt haben, dann haben wir mit unseren 28 Prozent zumindest zwei Joker bei EU-Beschlüssen”. Sprich: Die FPÖ geht in die Verhandlungen über diese ÖVP-Gretchenfrage mit der Position, dass sich Herbert Kickl in Sachen EU-Politik nicht an die Leine nehmen lassen wird. Ein blauer Kanzler werde, so wie seine Vorgänger, vor und nach Gipfeln den Hauptausschuss oder den EU-Unterausschuss des Parlaments lediglich informieren - parlamentarisch oder politisch binden lassen werde er sich nicht.

Kickl-Konterpart in der ÖVP dringend gesucht

Last but not least grassiert in ÖVP-Verhandlerkreisen die Sorge vor der spalterischen Sprache und dem rüden Ton, der mit der FPÖ auch in Regierungsämter einziehen könnte. Kickl tritt zwar schon seit seinem „Volkskanzler”-Wahlkampf  mit modischer Brille sowie meist im feinen Zwirn samt Krawatte statt in Jean und offenem Hemd auf. Dass Kickl & Co künftig bei ihrer Kommunikation ein gänzlich neues Outfit wählen, damit rechnen auch die gutgläubigsten Blau-Verbinder bei den Schwarzen nicht. 

Der neue engste Führungskreis in der ÖVP rund um Parteichef und Vizekanzler-Anwärter Christian Stocker, Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer und ÖVP-Klubobmann August Wöginger, hat daher bei der Zusammenstellung der ÖVP-Ministerliste abseits von Bünde- und Länder-Interessen auch eines im Auge. „Wir brauchen zumindest eine besonders strahlende, berufliche Erfahrung und Unabhängigkeit vermittelnde Persönlichkeit in unserem Team, die unseren Markenkern glaubwürdig vermittelt”. Denn die ÖVP will sich künftig vor allem als Anwalt von Leistung und Sicherheit positionieren.

Nach der Ära des Menschenfischers Sebastian Kurz und des „graden Michel” Karl Nehammer weiß auch Christian Stocker, dass er nicht die Person ist, die für die ÖVP auf Sicht politisch retten kann, was noch zu retten ist. Wer der „Strahlemann” im ÖVP-Regierungsteam sein könnte, ist noch offen.

Blaues Wirtschafts-Brain Schiefer: „Wenn dann nur Finanzminister“

Dieser Tage starten Kickl & Stocker vorerst einmal das Ringen, welche Partei welches Ministerium besetzen wird.

Im Abtauschpoker der beiden Schlüsselministerien Finanz- versus Innenressort könnte nach dem Kanzleramt künftig auch das Finanzministerium in blauer Hand sein, die heiklen Polizei- und Geheimdienstagenden bei der ÖVP verbleiben.

Herbert Kickls Wirtschafts-Brain Arnold Schiefer hat im Vorfeld FPÖ-intern wissen lassen: Wenn Kickl Schiefer in seinem Ministerteam haben wolle, dann komme für ihn ausschließlich das Finanzressort in Frage. Sollten sich Kickl & Schiefer doch anders entscheiden, kämen ersatzweise Ex-Staatssekretär Hubert Fuchs oder Neo-Parlamentarierin Barbara Kolm ins Spiel.

Für den Posten des Innenministers wird ÖVP-intern Parteichef Christian Stocker gehandelt. 

Blaue Parole „Alle tragen bei“ lockt mit Diskont-Krediten statt Banken-Steuer

Ein zusätzlicher harter Brocken tut sich am blau-schwarzen Verhandlungstisch just bei einem Thema auf, das die ÖVP nach dem Abbruch der schwarz-roten Verhandlungen samt Andreas Babler für immer los zu sein glaubte. 

Als Geldquelle für die Budgetsanierung nimmt auch die FPÖ Energiekonzerne und Banken ins Visier. Was unter Babler & Co. klassenkämpferisch Abschöpfung „der horrenden Milliardengewinne” gerufen wurde, kommt bei Kickl & Schiefer trickreich auf marketingtechnisch abgefederten Samtpfoten daher. Unter dem abwechselnd gebrauchten Motto „Alle zahlen mit” und „Alle tragen bei” will FPÖ-Wirtschaftsmann Schiefer Banken anstelle einer möglichen Bankenabgabe Ideen wie diese schmackhaft machen: Mit besonders günstigen Wohnungs- oder Investitions-Krediten würden diese sowohl etwas von ihren Gewinnen direkt an die Kunden zurückgeben und zugleich die lahme Konjunktur ankurbeln. Schiefer platziert diese Idee schon seit Beginn der blau-schwarzen Wiederannäherung im Gespräch mit Bankmanagern und ÖVP-Wirtschaftsleuten.

Als sich diesen Donnerstag früh die Steuer- und Finanz-Verhandler - für die FPÖ präsidiert von Hubert Fuchs und für die ÖVP von Harald Mahrer -  trafen, kam das schwarz-rote Reizthema Bankenabgabe erst gegen Schluss des vierstündigen Treffens vorläufig nur sehr kursorisch aufs Tapet. Statt der von Babler & Co einst mit einer Milliarde veranschlagten Bankenabgabe brachte das FPÖ-Team ein paar hundert Millionen als Wunschziel befristet auf zwei Jahre ins Gespräch.

Wie hoch genau eine solche Abgabe aus FPÖ-Sicht sein soll und ob diese mit einem indirekten Steuereinnahmen-Turbo à la Schiefers „Alle tragen mit” ganz oder teilweise kompensiert werden könne, wird frühestens kommenden Mittwoch beim nächsten Treffen der Finanz- und Steuerverhandler auf die Agenda kommen.

„Vorsichtig distanzierte“ Annäherung Kickl & Stocker statt einstige Hurra-Stimmung Kurz & Strache

Alles in allem, sagt einer, der schon bei den Verhandlungen von Türkis-Blau führend mit dabei war, unterscheidet sich das Aufgebot zwischen Kickl-Stocker und Kurz-Strache massiv: „2018 war ein Gemeinschaftsgefühl da, Blaue und Schwarze waren kaum mehr zu unterscheiden. Jetzt bewegen wir uns sehr distanziert und vorsichtig aufeinander zu”.

Was da wie dort auffällt, ist das enorm gewachsene Selbstbewusstsein der Blauen. Als der ehemalige ORF-Online-Chef und nunmehrige Unternehmer in der Kommunikationsbranche Thomas Prantner (C3) zu einem seiner regelmäßigen Networking-Abende rief, platzte diesmal der gewählte Treffpunkt, der ÖVP-nahe Managementclub, aus allen Nähten. Stargast des Abends war wenige Tage vor der burgenländischen Landtagswahl Norbert Hofer. Im Publikum drängte sich alles um ihn und die mutmaßlich neuen Keyplayer in der Republik: Angefangen vom wiederauferstandenen blauen Mister-ORF-Message-Control Peter Westenthaler bis zur erst 32-jährigen blauen Vize-Landeshauptfrau in Salzburg, Marlene Svazek. Noch weitgehend unbeachtet pflügte sich auch ein strohblonder junger Mann durch die Manifestation der blauen Wiederauferstehung: Peter Sidlo, dessen Bestellung zum Casino-Vorstand als Protegé von Ex-FPÖ-Chef Heinz Christian Strache jene Lawine an spektakulären Justiz-Ermittlungen auslöste, die bald auch den scheinbar unaufhaltsamen türkisen Höhenflug unter sich begrub. Beginnend mit dem einst mächtigsten Beamten der Republik, Finanzministeriums-Generalsekretär Thomas Schmid, über Finanzressortchef Gernot Blümel bis zum ÖVP-Messias a. D. Sebastian Kurz. 

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