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Das Wahlsystem der USA: So läuft die US-Präsidentenwahl ab

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Präsidentenwahlen in den USA: Über Sieg und Niederlage entscheidet auch das Wahlsystem der Vereinigten Staaten von Amerika.

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Am 5. November 2024 finden in den USA Präsidentenwahlen statt. Deren Ausgang wird auch vom amerikanischen Wahlsystem bestimmt. Die Rolle der Wahlmänner, das Phänomen der "Swing-States" und die Bedeutung von Staaten mit einer großen Zahl von Wahlmännern im Rahmen der Presidential Elections.

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Wer wird der nächste Präsident der USA? Sticht der republikanische Trumpf Trump ein zweites Mal oder bekommen die USA nach dem Verzicht von Joe Biden auf die Kandidatur für eine weitere Amtsperiode mit Kamala Harris zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Frau als Staatsoberhaupt?

Fakt ist: die Fronten sind verhärtet. Donald Trump wütet wie eh und je. Er und das republikanische Lager scheuen nicht davor zurück, zu polarisieren, Gegner zu diskreditieren und alle erdenklichen Plattformen zu nutzen, um – auch mit Unwahrheiten – gezielt Ängste zu schüren und seinen Anhängern das Blaue vom Himmel zu versprechen.

Fakt ist auch: der Ausgang der Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika wird weltweit mit Spannung erwartet, wird er doch über den weiteren politischen und wirtschaftlichen Kurs der USA, der größten Wirtschaftsmacht der Erde entscheiden. Im Jahr 2024 ist die Wahl in den USA nicht nur eine zwischen Demokraten oder Republikanern, zwischen (voraussichtlich) Kamala Harris und Donald Trump, zwischen der regierenden Vizepräsidentin und dem im Jahr 2020 abgewählten Alt-Präsidenten. Es ist vor allem eine Wahl zwischen politischen Systemen und grundsätzlichen Haltungen.

Auf der einen Seite eine (Harris) Politik des Verhandelns, des Ausgleichs, des Respekts und der Kooperation, dem Schutz von Rechten von Minderheiten, der Gleichstellung von Frauen, der sozialen Gerechtigkeit und der Bereitschaft, dem Klimawandel und seinen Folgen entschieden entgegenzutreten.

Auf der anderen Seite (Trump) eine Politik dessen erste Präsidentschaft keine Zweifel offen gelassen hat, wofür er steht und wie er seine zweite Amtsperiode anlegen würde. Seine Politik ist eine der Härte, der Macht, der Handelsbarrieren und des notfalls mit Waffen zu verteidigenden Old-White-Men-Establishments, mitunter irrational erscheinenden Entscheidungen und Auftritten und der Klimawandel-Ignoranz bzw. Leugnung.

Es braucht nicht viel Phantasie, um sich die Unterschiede zwischen den Folgen des jeweils möglichen Wahlausgangs auszumalen.

Das indirekte Wahlsystem der USA

Die Art und Weise, wie der nächste Präsident – oder die erste Präsidentin der USA gewählt wird ist komplex und unterscheidet sich grundlegend von dem Prozedere in anderen Demokratien.

Der gravierendste Unterschied ist der indirekte Wahlmechanismus, der zurückgeht auf die Zeit der Gründung der USA und von deren Gründervätern der USA im Zuge der Verfassung von 1787 eingeführt wurde. Dabei wählen die Bürger nicht die Kandidaten selbst, sondern Wahlmänner, das sogenannte Electoral College, die sich vorab verpflichtet haben, ihre Stimme in der Folge einem bestimmten Kandidaten zu geben.

Drei aus heutiger Sicht nicht mehr ganz verständliche Gründe waren die für die Schaffung des demokratisch-föderalistischen Systems ausschlaggebend:

  1. Förderung des Föderalismus: Das Electoral College sollte die Machtbalance zwischen den bevölkerungsreichen und bevölkerungsarmen Staaten sichern und jeder Region Einfluss gewährt.

  2. Vermeidung von Tyrannei der Mehrheit: Der Präsident sollte nicht nur durch die Stimmen der größten und dicht besiedelten Regionen gewinnen, sondern eine breite Unterstützung im gesamten Land haben.

  3. Prävention von Chaos und Unsicherheit: Durch die Einführung eines indirekten Wahlprozesses sollte verhindert werden, dass eine instabile oder gefährliche Figur durch reine Popularität Präsident wird

Das Electoral College

Das Electoral College besteht aus 538 Wahlmännern (Electors). Diese Zahl setzt sich wie folgt zusammen:

  • 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses, entsprechend der Bevölkerung der Staaten. Mindestens einer pro Bundesstaat.

  • 100 Senatoren, zwei pro Bundesstaat.

  • 3 Wahlmänner für den District of Columbia, gemäß dem 23. Zusatzartikel zur Verfassung.

Die Anzahl der Wahlmänner pro Bundesstaat entspricht der Summe seiner Repräsentanten im Kongress (Repräsentantenhaus + Senat). Bevölkerungsreiche Staaten haben mehr Kongress-Abgeordnete und daher auch mehr Wahlmänner. Zum Beispiel hat Kalifornien, der bevölkerungsreichste Staat, 55 Wahlmänner (53 Repräsentanten + 2 Senatoren), während kleinere Staaten wie Wyoming nur 3 Wahlmänner haben (1 Repräsentant + 2 Senatoren).

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Verteilung der Wahlmänner in den 50 Bundesstaaten der USA: Das bevölkerungsreiche Kalifornien ist mit 55 Wahlmännern der Bundesstaat mit den meisten Wahlmännern. Dennoch können kleinere Bundesstaaten mit geringerer Bevölkerung und weniger Wahlmännern das Ergebnis der Wahl überproportional stark bestimmen.

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Die Wahlmänner im Wahlprozess

Am Wahltag geben die Bürger ihre Stimmen ab. Sie wählen dabei indirekt die Wahlmänner, die sich verpflichtet haben, für einen bestimmten Präsidentschaftskandidaten zu stimmen.

In fast allen Bundesstaaten gilt das "Winner-takes-all"-Prinzip. Das bedeutet, dass der Kandidat, der die Mehrheit der Stimmen in einem Bundesstaat erhält, alle Wahlmännerstimmen dieses Staates gewinnt. Ausnahmen sind Maine und Nebraska, die ein proportionales System verwenden, bei dem Wahlmänner auf Basis der Ergebnisse in den Kongresswahlbezirken und des Gesamtstimmenergebnisses vergeben werden.

Im Dezember, ein Monat nach der allgemeinen Wahl, treffen sich die Wahlmänner in ihren jeweiligen Bundesstaaten, um offiziell ihre Stimmen für den Präsidenten und den Vizepräsidenten abzugeben. Diese Stimmen werden dann an den Präsidenten des Senats (in der Regel der amtierende Vizepräsident) gesendet.

Wieder ein Monat später, am 6. Jänner, findet eine gemeinsame Sitzung des Kongresses statt, bei der die Stimmen des Electoral College offiziell gezählt und das Ergebnis verkündet wird. Der Kandidat, der dabei die einfache Mehrheit, also mindestens 270 von 538 Wahlmännerstimmen erhält, wird zum Präsidenten gewählt.

Sollte die Wahl unentschieden ausgehen, also jeder 269 Stimmen und damit kein Kandidat eine Mehrheit erreichen, entscheidet das Repräsentantenhaus über den Präsidenten, wobei jeder Staat eine Stimme hat.

Kontroversen rund um das Electoral College

Das Electoral College hat im Laufe der Geschichte verschiedene Kontroversen ausgelöst. Die schwerwiegendste: Es ist möglich, die Präsidentschaftswahl zu gewinnen, ohne die Mehrheit der landesweiten Stimmen (Popular Votes) zu erhalten. Das war bereits mehrmals der Fall. Prominente Beispiele sind die Wahlen von 2000 (George W. Bush gewann gegen Al Gore) und 2016 (Donald Trump gewann gegen Hillary Clinton).

Der Hintergrund dafür: Ein Kandidat kann in vielen bevölkerungsarmen Staaten knapp gewinnen und in wenigen bevölkerungsreichen Staaten deutlich verlieren. Da jeder Staat mindestens drei Wahlmänner hat, sind kleinere Staaten im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl im Electoral College überrepräsentiert.

Stimmen bevölkerungsreicher Staaten haben deshalb weniger Gewicht. Das kann dazu führen, dass die Popular Vote, die landesweite Stimmenmehrheit, nicht mit der Mehrheit der Wahlmännerstimmen übereinstimmt.

Obwohl Wahlmänner in der Regel verpflichtet sind, für den Kandidaten zu stimmen, den sie vertreten sollen, gab es in der Vergangenheit Fälle von sogenannten "faithless electors", die entgegen ihrer Verpflichtung gestimmt haben. Diese Fälle sind jedoch selten und haben bisher keine Wahl entschieden.

Es gibt laufend Debatten über mögliche Reformen oder die Abschaffung des Electoral College. Befürworter einer Abschaffung argumentieren, dass das System undemokratisch sei und nicht mehr den modernen Wahlanforderungen entspreche. Gegner hingegen betonen die Bedeutung des Electoral College für den Schutz der föderalistischen Struktur der USA und die Sicherstellung einer breiten geographischen Repräsentation.

Erklärvideo: Das Wahlsystem der USA

Der Ablauf der Präsidentschaftswahl

Vorwahlen und Caucuses: Die Präsidentschaftswahlen beginnen in der Regel mit den Vorwahlen (Primaries) und Caucuses in den einzelnen Bundesstaaten, wo die Wähler ihre Präferenz für die Kandidaten der jeweiligen Parteien kundtun. Diese finden in den Monaten vor dem eigentlichen Wahltag statt.

Parteitage: Nach den Vorwahlen und Caucuses halten die politischen Parteien ihre nationalen Parteitage ab, auf denen die Delegierten den offiziellen Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei nominieren.

Wahlkampf: Zwischen der Nominierung und dem Wahltag führen die Kandidaten umfassende Wahlkampfstrategien durch, um die Unterstützung der Wähler zu gewinnen.

Wahltag: Die eigentliche Präsidentschaftswahl findet am Dienstag nach dem ersten Montag im November statt. In diesem Jahr ist es der 5. November 2024. An diesem Tag geben die wahlberechtigten Bürger ihre Stimmen ab.

Wahlmännerstimmen: Die abgegebenen Stimmen bestimmen nicht direkt den Präsidenten, sondern die Wahlmänner, die dem Electoral College angehören.

Swing-States und ihre Bedeutung

In etlichen Bundesstaaten gibt es klare Mehrheiten für eine der beiden großen Parteien. Der Ausgang der Wahl ist dort also mit ziemlicher Sicherheit prognostizierbar. Ein Schwenk in der Mehrheit wäre eine große Überraschung.

Umso mehr Bedeutung kommt den "Swing-States" zu, die auch als "Battleground States" bezeichnet werden. In diesen Bundesstaaten gibt es keine klare Präferenz für Demokraten oder Republikaner. In diesen Staaten wechselt das mehrheitliche Ergebnis häufig zwischen den Parteien.

Swing-States haben zudem oft eine beträchtliche Anzahl von Wahlmännern. Nachdem dem Sieger alle Wahlmänner eines Bundesstaates zufallen, sind diese Swing States das entscheidende Zünglein an der Waage für den Wahlausgang. Der Ausgang in diesen Staaten kann somit das gesamte Wahlergebnis stark beeinflussen.

Kandidaten und ihre Wahlkampfteams konzentrieren ihre Ressourcen und Anstrengungen daher im Wahlkampf auch auf diese Staaten, da sie die entscheidenden benötigten Stimmen liefern könnten.

Historisch gesehen gehören zu den wichtigsten Swing-States unter anderem:

  • Florida: Mit 29 Wahlmännern ist Florida der größte Swing-State. Seine wechselnde politische Landschaft macht es zu einem Schlüsselstaat.

  • Pennsylvania: Mit 20 Wahlmännern war Pennsylvania in den letzten Wahlen oft umkämpft.

  • Ohio: Ohio, mit 18 Wahlmännern, hat seit Jahrzehnten eine entscheidende Rolle gespielt und gilt als Barometer für den Wahlausgang.

  • Michigan: Mit 16 Wahlmännern ist Michigan ein weiterer wichtiger Swing-State, der oft umkämpft ist.

  • Wisconsin: Auch Wisconsin mit seinen 10 Wahlmännern gehört zu den entscheidenden Staaten.

Einige Staaten sind aufgrund ihrer hohen Anzahl von Wahlmännern besonders wichtig für den Wahlausgang:

  • Kalifornien: Mit 55 Wahlmännern ist Kalifornien der Staat mit den meisten Wahlmännern. Traditionell neigt Kalifornien zu den Demokraten.

  • Texas: Texas hat 38 Wahlmänner und ist traditionell ein starker Staat für die Republikaner, wird jedoch zunehmend umkämpfter.

  • New York: Mit 29 Wahlmännern ist New York ein weiterer wichtiger Staat, der meist demokratisch wählt.

Die Rolle der Wahlmänner, die Möglichkeit, mit geringerem Stimmenanteil zu gewinnen, die Bedeutung der Swing-States und die entscheidende Bedeutung von Staaten mit vielen Wahlmännern bringen daher spannende Variablen in die Präsidentschaftswahlen der USA.

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