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Prellbock Pink [Politik Backstage]

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Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger spitzt auf den Finanzminister-Job von Magnus Brunner und erntet dafür schon jetzt Spott beim möglichen Koalitionspartner ÖVP: „Wünschen kann man sich viel.“

©PICTUREDESK.COM/APA/ROLAND SCHLAGER
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Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger eröffnet bereits drei Monate vor der Wahl den Koalitions-Poker. Wie die Neos ihren Anspruch auf das mächtigste Ressort ÖVP und SPÖ schmackhaft machen wollen und wer auf der pinken Finanzminister-Liste steht.

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Jahrzehntelange wurden hier tonnenweise Kaffeebohnen zur „Jubiläumsmischung“ geröstet. Der ausladend große Innenhof des geschichtsträchtigen Industriegeländes in der Julius-Meinl-Gasse in Wien-Ottakring wurde 2019 zu einer Eventlocation umgerüstet, die, so die Eigenwerbung, „auf gut Wienerisch alle Stückeln spielt“.

Die „Neue Rösthalle“ ist wind- und wettersicher und kann ganzjährig für Firmenevents gemietet werden.

Jüngst ist auch eine Partei dem Charme der modernen Architektur auf historischem Gelände erlegen, die wenig mit Retro am Hut hat. Am ersten Julisamstag hielten die Neos hier ihre Mitgliederversammlung ab. Die Neuwahl der Führungsriege wurde routinemäßig abgehandelt – 91 Prozent für Beate Meinl-Reisinger bei ihrer Wiederwahl als Parteichefin.

Aufsehen erregte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger allein mit einer sehr ungewöhnlichen Ansage: Die Pinken würden bei einer Regierungsbeteiligung den Anspruch auf den Finanzminister stellen. Eine Forderung, die in mehrfacher Hinsicht reichlich kühn wirkt. Zum einen angesichts der Aussicht, dass die Neos ihre zuletzt erreichten acht Prozent der Stimmen auch bei der kommenden Wahl nicht Richtung eines sensationellen zweistelligen Ergebnisses überspringen werden. Zum anderen, weil vollmundig deponierte Must-haves in Sachen Machtverteilung schon Monate vor Verhandlungsstart bei potenziellen Koalitionspartnern verpönt sind.

ÖVP-Murren: „Das fängt ja gut an …“

„Das fängt ja gut an, wenn Meinl-Reisinger schon bevor der Kuchen überhaupt gebacken ist, ultimativ das größte Stück Kuchen verlangt“, sagt etwa ein Spitzenmann aus der ÖVP-Wirtschaftsbund-Ecke.

In allen Koalitionen zwischen ÖVP und SPÖ war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass der größere Regierungspartner den Kanzler und der kleinere den Finanzminister stellt. Dass es wieder zu einer Neuauflage dieser Zusammenarbeit kommt, daran arbeiten vornehmlich die mächtige Wiener SPÖ und auch maßgebliche Teile der ÖVP. Alle Umfragen signalisieren, dass die vormals Große Koalition zu klein ist, um gemeinsam zu regieren. Als unvermeidliche Stimmgewichtszuwaage haben beide Lager zuvorderst die Neos im Auge.

„Mit den Neos haben wir inhaltlich eine größere Schnittmenge”, sagt ein Spitzen-ÖVP-Mann. Zwischen Schwarz und Pink gäbe es generell weniger Reibungsflächen, in Sachen Wirtschaftspolitik zudem ein stärkeres Gegengewicht gegenüber der SPÖ. Wenn es in der SPÖ allein nach Andreas Babler ginge, dann hätte dieser lieber die Grünen als Achsenpartner. Bürgermeister Michael Ludwig führt nach zehn Jahren Erfahrung mit Rot-Grün in Wien aber jene starke Gruppe in der SPÖ an, die partout nicht mehr mit den Grünen will. Die Proklamation, Nicht-wieder-mit-den-Ökos, verbindet so auch schon vor der ersten Koalitionspoker-Runde führende ÖVP-und SPÖ-Leute.

Im Wiener Regierungsviertel rätseln daher Strategen von Schwarz und Rot ob der forschen pinken Finanzminister-Ansage: Geht Meinl-Reisinger deshalb so offensiv aus der Deckung, weil ohne die Neos nach der Wahl kein Staat zu machen sein wird?

Fakt ist: Die Neos sind, was Koalitionen angeht, schlicht traumatisiert. Parteiintern wird hier auch Jahre danach der Ablauf der ersten Koalitionsverhandlungen, die die Pinken zu führen hatten, schmerzhaft in Erinnerung gerufen.

Als im Frühjahr 2018 nach der Salzburger Landtagswahl ÖVP-Chef Wilfried Haslauer die Roten links liegen lassen und stattdessen mit Pink und Grün regieren wollte, waren die Neos nur kurz ob der Aussicht auf die österreichweite Premiere geschmeichelt. Für die erste schwere Ernüchterung sorgte die Forderung von Haslauer noch vor Verhandlungsbeginn: Der damalige Neos-Landeschef und Kammerkritiker Sepp Schellhorn sei als Wirtschaftslandesrat ein absolutes No-Go. Die Neos schluckten das ultimative Njet.

Als zu Beginn der Regierungsverhandlungen dann „einfach das Wahlprogramm der ÖVP als Verhandlungsgrundlage auf den Tisch gelegt wurde“, so ein Pinker, schlug die Parteiführung in Wien Alarm. Sie schickte eine erfahrene Verhandler-Truppe aus Parlamentsklub und Partei zur Unterstützung nach Salzburg. Diese reisten erst wieder ab, als sie eine ausreichend pinke Handschrift im Koalitionsabkommen und bei der Kompetenzverteilung wähnten.

Pinkes Musterknaben-Dilemma

Nach fünf pinken Regierungsjahren unter schwarzer Dominanz reichte das in den Augen der Wähler allerdings weder personell noch inhaltlich. Die Neos wurden im Vorjahr in Salzburg halbiert und flogen sowohl aus der Regierung als auch aus dem Landtag.

Die pinken Geschäfte führte während der nachträglich endgültig traumatisierenden Koalitionsverhandlungen damals noch Matthias Strolz.

Meinl-Reisinger, mit der Strolz als interner Widerspruchsgeist kein leichtes Leben hatte, übernahm ein paar Wochen nach dem hindernisreichen Start von Schwarz-Grün-Pink in Salzburg die Parteiführung.

Ob die Pinken aus dem zweiten und nunmehr einzigen Koalitionsexperiment in Wien bei der Wahl 2025 weniger beschädigt hervorgeht, ist offen. In Umfragen halten die zur Vizebürgermeisterpartei aufgestiegenen Wiener Neos bei ihren überschaubaren sieben Prozent der letzten Wahl. Derzeit symbolisiert, analysieren teilnehmende Beobachter im Regierungs- und Rathausviertel, aber niemand wie die Wiener Pinken so perfekt das Dilemma der bereits ins verflixte 13. Jahr nach Gründung gehenden Partei.

Der Befund: Die Neos sind so etwas wie die Musterknaben der heimischen Innenpolitik. So wie der Wiener Vizebürgermeister sachkundig, engagiert und überdurchschnittlich vom Anliegen beseelt, etwas zu verändern. Auf der anderen Seite oft „nerdig“ und bierernst dienstbefliessen, damit aber zu farblos und zu brav.

Im künftigen Nationalratsklub kommt auf Beate Meinl-Reisinger allerdings noch eine neue Herausforderung zu: Sie hat nach dem Comeback von Sepp Schellhorn und Parteimitgründer Veit Dengler zwei zusätzliche starke männliche Egos um sich. Dazu kommen auch noch zunehmende Wiederkehrgelüste von Matthias Strolz.

Zu viele Minister-Anwärter für drei Ressorts

Wenn es nach der Wahl tatsächlich ans Ämterverteilen geht, dann sind für die Pinken bestenfalls zwei, maximal drei Regierungsjobs drin – bei weitaus mehr

Pinken, die sich für absolut ministrabel halten. Parteiintern geht daher neuerdings ein Planspiel um, den Poker ums Finanzministerium so anzulegen, dass er weder parteiintern Schaden anrichtet noch den Neos-Regierungstraum platzen lässt.

Rot und Schwarz soll ein von Pink nominierter Finanzminister so schmackhaft gemacht werden: Die Budgetlage werde nach der Wahl prekärer denn je sein. Mit der unvermeidlichen Rolle des Sparmeisters hätten weder ÖVP noch SPÖ bei ihrer Klientel etwas zu gewinnen, die Neos aber kaum eine Klientel, die sie verprellen könnten.

Als pinke Finanzministerkandidaten werden intern aktuell vier Namen ins Spiel gebracht: Ex-Erste-Boss Andreas Treichl, Finanzprokuratur-Chef Wolfgang Peschorn und der Ex-EU-Spitzenbeamte Thomas Wieser – alles top Finanz-Fachleute, die jede Expertenregierung schmücken würden.

Sollte diese Karte nicht stechen, dann würde Beate Meinl-Reisinger herself ins Spiel kommen – als Polit-Allrounderin wie jetzt Magnus Brunner. Zum Aufstieg der Parteichefin ins Finanzministerium könnte keines der pinken Alphatiere, das selber auf einen Topjob spitzt, offen Nein sagen.

Einen ÖVP-Spitzenmann kosten diese pinken Ministerplanspiele freilich nur einen Lacher: „Wünschen kann man sich viel. Die kriegen die Bildung und das Außenministerium – und damit hat es sich.“ Weder Schwarz noch Rot, wird hinter den Kulissen proklamiert, wollen die Schlüsselposition des Finanzministers dem kleinsten Koalitionspartner überlassen.

In der pinken Führungsriege wiederum hält man Bildung zwar weiter für ein zentrales Neos-Thema, den einschlägigen Ministerjob allerdings für einen Titel ohne Mittel. „Der Bildungsminister wird für die wachsenden Missstände verantwortlich gemacht. Er hat aber mangels Kompetenzen wenig Spielraum und droht immer im Dickicht der Interessen von Bundesländern und Gewerkschaften aufgerieben zu werden“, so ein pinker Spitzenmann.

Nicht nur eine Dreierkoalition zwischen Schwarz, Rot und Pink wäre so hierzulande eine Premiere. Auch der beinharte Ministerpoker, der bereits drei Monate vor der Wahl eröffnet ist, wird wohl seinesgleichen suchen.

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