Wenn Blicke... SPÖ-Chefin Rendi-Wagner bekommt ihren Widersacher im Burgenland nicht und nicht in den Griff (Foto aus dem Jahr 2020).
©APA/helmut FohringerTrotz Treueschwüre der Regierung rüstet die Opposition für Neuwahlen. In der SPÖ wollen mächtige Rote den Dauerkonflikt Doskozil vs. Rendi-Wagner entschärfen: Der erfolgreiche Ex-Rapid-Manager Christoph Peschek, einst "größtes politisches Talent der SPÖ" (Michael Häupl), soll die brustschwache Parteizentrale auf Siegkurs bringen.
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Klausuren auf offener Bühne gehören hartnäckig zum Selbstdarstellungsrepertoire der Politik. Sie laufen immer nach dem gleichen Drehbuch ab: Von TV-Kameras begleiteter Rückzug zu internen Beratungen, danach Verkündigung eines möglichst großen Bouquets an Plänen und neuen Vorhaben.
Mitte dieser Woche zogen sich Karl Nehammer und Werner Kogler zum Auftakt für einen Tag tatsächlich ohne weitere mediale Anteilnahme zurück, erst danach gab es die rituellen Ansagen samt anschließendem informellem Get-together mit den Medien. Türkis-Grün ging just an jenem Ort öffentlichkeitswirksam auf Klausur, wo vor genau drei Jahren Sebastian Kurz und Heinz Christian Strache Einigkeit demonstriert hatten. Fünf Monate danach war Türkis-Blau Geschichte.
Als politische Substanz auch der jüngsten Klausur in Mauerbach lässt sich eine Botschaft ausmachen: Karl Nehammer und Werner Kogler sind mehr denn je entschlossen, bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2024 weitermachen zu wollen. Das Vorhaben hat aus heutiger Sicht mehr Erfolgsaussichten als die einstigen Ansagen vom Türkis-Blau. Im Vergleich zum Chat-Bomben-Arsenal von Thomas Schmid liest sich das Ibiza-Transkript des Ex-FPÖ-Führungs-Duos Strache und Gudenus zwar heute wie die letzte Durchlaufprobe einer Laienspieltruppe.
ÖVP bleibt nach Kurz ein Scherbenhaufen
Türkis-Grün hat sein Ibiza bislang dennoch ohne Neuwahlen ausgestanden. Denn den politischen Preis für den Erhalt der Macht hat die ÖVP mit der Ablöse von Sebastian Kurz durch Karl Nehammer bereits geleistet. Die ÖVP ist und bleibt nach Kurz aber ein Scherbenhaufen. Der seit gut einem Jahr amtierende Kanzler hat null Interesse, die massiven Stimmverluste ohne Not vorzeitig zu realisieren. Er hofft – mehr, als er daran glaubt –, dass ihm in den verbleibenden eineinhalb Jahre die Herkulesaufgabe gelingt, den nachhaltigen Vertrauensverlust für die ÖVP wieder ins Positive zu drehen.
Werner Kogler wiederum weiß, dass er und die Grünen in ihrem politischen Leben nie mehr so viel politische Macht und Gestaltungsspielraum haben werden wie seit dem Kurz-Sturz im Zweier-Bündnis mit den maroden Schwarz-Türkisen. Grün wird daher nur im äußersten Notfall vorzeitig die Reißleine ziehen.
Rot, Blau und Pink rüsten sich fürs Regieren
Die maßgeblichen Spitzenpolitiker in den Oppositionsreihen haben in den letzten Jahren aber zu viele Stars und Sternchen aufsteigen und verglühen gesehen, um nicht vorsorglich auf Nummer sicher zu gehen. Rot, Blau und Pink tun möglichst alles, um intern auch für vorzeitige Neuwahlen und vor allem nachfolgende Regierungsverhandlungen gerüstet zu sein.
Die größten Hürden und offenen Baustellen hat nach wie vor die größte Oppositionspartei. Die SPÖ-Spitzen suchten in der ersten Jännerwoche noch vor Türkis-Grün mit einer Klausurtagung Einigkeit und Stärke zu demonstrieren.
Das Ergebnis blieb einmal mehr durchwachsen. "Der Slogan der 'Bodensee-Allianz' von Deutschland, Schweiz und Österreich, die Europa besser gegen illegale Zuwanderung vom Balkan und Mittelmeer rüsten soll, hat bestenfalls das Zeug, in die Lehrbücher für missglücktes Marketing einzugehen", sagt ein erfahrener roter Parteistratege. Das zeige nur, wie brüchig der Friede in der SPÖ in Sachen Asyl und Migration ist, wenn Parteichefin Pamela Rendi-Wagner eine Fata Morgana wie diese als neue rote Lösungsvision in Sachen Flüchtlinge ausgeben muss.
Doskozil, "the Elephant in the room"
Die Schlagzeilen dominierte aber ohnehin einmal mehr ein Abwesender: Hans Peter Doskozil, letzter mit absoluter Mehrheit regierender roter Landesfürst und Dauer-Widersacher der Parteichefin, hatte ihre Einladung neuerlich ausgeschlagen und sein Fehlen mit einer Dienstreise in die Schweiz begründet. Der burgenländische Landeshauptmann, ätzt ein Roter, hielt sich freilich nicht als Vorhut für die "Bodensee-Allianz" von Rendi-Wagner bei den Eidgenossen auf. Teilnehmer der Klausur berichten, dass Dokozil so zwar "the elephant in the room", aber erstaunlicherweise in der vertraulichen Strategierunde kein Thema war.
Mit keiner Silbe wurde auch eine Baustelle angesprochen, die seit gut einem Jahr hinter den Kulissen bislang erfolglos beackert wird. Je mehr sich Rendi-Wagner als Parteichefin einzementiert, desto dringender wird es aus Sicht auch wohlwollender Parteifreunde, die Schwachstellen in der SPÖ-Zentrale zu beheben. Rendi-Wagner machte sich im politischen Alltag im vergangenen Jahr mehr denn je rar, um – so ihre Strategie – ihre Rolle als rote Kanzlerkandidatin zu festigen, die über dem Tagesgezänk steht.
Im Parlament und bei anderen öffentlichen Auftritt schickt sie immer öfter den Klubobfrau-Stellvertreter Jörg Leichtfried vor. Der steirische Mandatar ist als SPÖ-Stimme mehr bemüht als erfolgreich, resümieren Parteifreunde, die es gut mit ihm meinen. "Leichtfried ist und bleibt ein Leichtgewicht. Seine öffentlichen Auftritte schaden mehr, als sie nutzen. Er wird innerparteilich immer mehr zu einer Lachnummer", urteilt ein Spitzengenosse schonungslos.
SPÖ-Manager Deutsch kein Flankenschutz
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, dessen Job es wäre, der Parteichefin öffentlich Flankenschutz zu geben, tritt nach außen hin so gut wie nie in Erscheinung. Bei Deutsch dürften sich Fremd- und Selbstbild besser als bei anderen die Waage halten. Denn, wenn er selten einmal am TV-Schirm auftaucht, dann kommt der langjährige Parteisekretär wie ein in den 70er-Jahren steckengebliebener Funktionär rüber. Spitzengenossen versuchen, Pamela Rendi-Wagner seit einem Jahr eine oder einen Co an der Seite von Deutsch schmackhaft zu machen. Die Parteichefin ist diesem Plan nicht abgeneigt. Vom roten PR-Profi und Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler bis zum leitenden ÖGB-Sekretär und erfolgreichen Kampagnen-Manager Willi Mernyi gab es bisher nur Absagen.
In den letzten Wochen macht nun ein neuer Kandidat für den Parteimanager-Job in der SPÖ die Runde, der besonders viele Fürsprecher in den obersten Rängen der SPÖ hat. Und angesichts der Gemengelage nach kurzem Nachdenken nicht wie alle anderen Kandidaten postwendend abgesagt hat. Alle Engagements scheiterten bisher vor allem daran, weil Christian Deutsch Kernkompetenzen wie die Kommunikation nicht abgeben wollte.
Prominente Rote machen für Ex-Rapid-Manager mobil
Der derzeitige Topkandidat für den roten Spitzenmanager-Posten, Christoph Peschek, bringt aus Sicht seiner Fürsprecher viele Talente für den fordernden Job mit: Der 39-Jährige, der im November seinen Job als Geschäftsführer Wirtschaft bei Rapid quittierte, hat in den vergangenen sieben Jahren nicht nur als durchschlagskräftiger Manager im Fußballgeschäft von sich reden gemacht. Der in Wien-Donaustadt verwurzelte Rote hat auch das politische Handwerk von der Pike auf gelernt.
Als Jugendsekretär der GPA, Jugendvorsitzender der roten Gewerkschafter und Bezirksrat erregte er als Mittzwanziger auch die Aufmerksamkeit von Michael Häupl, der ihn 2010 auf der roten Gemeinderatsliste an wählbarer Stelle mit der Ansage platzierte: "Er ist unser größtes politisches Talent." Peschek erlag nach einer Gemeinderatsperiode seiner Jugendliebe Rapid und heuerte 2015 bei seinem Lieblingsklub als Geschäftsführer Wirtschaft an. Seine politischen Funktionen legte er zwar komplett zurück, die Kontakte zur Politik rissen aber nicht ab.
Grün-Weißer als Scharnier zwischen roten Widersachern
Im Gegenteil: Politisch höchst unterschiedlich tickende Spitzengenoss:innen von Renate Brauner über Peter Hacker bis Hans Peter Doskozil waren der VIP-Loge von Rapid in den vergangenen Jahren gern gesehene Gäste.
"Peschek ist jung, politisch erfahren, redet wie ein Sozi, ist geerdet und bodenständig", sagt ein roter Peschek-Fan. Das im Moment "einfache Parteimitglied" stünde als "Politiker und Person auch sehr gut für den bodenständigen Flügel der Partei, der sich von der Bobo-Truppe rund um Rendi-Wagner an den Rand gedrängt fühlt", so ein weiterer prominenter Genosse. Peschek könnte, ist nicht nur dieser überzeugt, dank seiner Person aber auch seiner persönlichen guten Beziehung zu Hans Peter Doskozil zum Scharnier zwischen dem Dauerwidersacher und der SPÖ-Zentrale in Wien werden. Zudem würde Pescheks Gewerkschaftsvergangenheit auch die Achse der SPÖ-Zentrale zum roten Machtzentrum Gewerkschaft festigen.
Der SPÖ-Mann glaubt, dass es für die SPÖ fünf vor zwölf ist, weil die FPÖ dabei sei, ihr die Poleposition in der Wählergunst nachhaltig streitbar zu machen:
"Die SPÖ braucht jemanden, den sie in den kommenden Monaten bis zur Wahl ins TV schicken kann und der dort nicht zum Schadensfall wird, sondern unfallfrei agiert."
Das wäre auch eine Win-win-Lösung für die Parteichefin: Pamela Rendi-Wagner, die immer mehr in der SPÖ als Spitzenkandidatin für unumgehbar halten, habe damit die Chance, sich stärker auf ihre Rolle als staatstragende Kanzlerkandidatin zu konzentrieren.
Ludwig prüft, Rendi schweigt
Das Projekt Peschek wird zur Zeit im gewichtigsten Machtzentrums der SPÖ, dem Wiener Rathaus, auf Herz und Nieren geprüft. Führende Rathausgenossen machten sich zuletzt bei Wiens Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig dafür stark.
Peschek selber ließ seine roten Fans wissen, dass ihn ein entsprechendes Angebot selbstredend ehre und er einem Comeback in der Politik prinzipiell nicht abgeneigt sei. Entscheidend seien die konkreten Agenden. Denn die Erwartung seiner roten Anhänger an den Ex-Rapid- Manager ist groß: Er soll für die SPÖ endlich die aus ihrer Sicht überfällige Rapid-Viertelstunde einklatschen.
Pamela Rendi-Wagner, die wie viele Spitzengenossen um den möglichen prominenten Transfer Richtung SPÖ weiß, hält sich freilich noch bedeckt. Sie hat mit Christoph Peschek bislang noch nicht über ein mögliches rotes Comeback geredet.