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Pensionssystem: Rechnungshof und IHS drängen auf Reform

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Wohlverdienter Ruhestand? Der Rechnungshof siegt dringenden Handlungsbedarf, um das Pensionssystem nachhaltig zu sichern.

©Elke Mayr
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Der Bundesrechnungshof und IHS-Chef Bonin sehen dringenden Handlungsbedarf, um das österreichische Pensionssystem nachhaltig abzusichern. Die Arbeit der Alterssicherungskommission und das Pensionsantrittsalter stehen in Kritik.

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Der Rechnungshof sieht umfassenden Handlungsbedarf zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Pensionssystem.

Bei den gesetzlichen Eingriffen in das Pensionsrecht vermisst der Rechnungshof eine klare Linie. Zwischen 2005 und 2022 sei das Pensionsrecht insgesamt 29-mal maßgeblich geändert worden, die finanziellen Auswirkungen seien dabei oft nicht dargelegt worden. Kritisch hält der Rechnungshof außerdem fest, dass die Pensionsanpassung seit 2005 nur zweimal - wie vorgesehen - mit einem am Verbraucherpreisindex orientierten Anpassungsfaktor erfolgte.

Im Umgang mit dem Pensionsalter kritisiert der Rechnungshof ebenfalls eine fehlende Strategie. Wichtige Maßnahmen wäre aus Sicht des Rechnungshofs eine Anhebung des effektiven Pensionsantrittsalters und gegebenenfalls auch des gesetzlichen Pensionsantrittsalters. Das effektive Pensionsantrittsalter werde ab Mitte der 2030er-Jahre nach Umsetzung der Angleichung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters für Frauen stagnieren, obwohl die Lebenserwartung steigt, so der Rechnungshof. Rund 30 Prozent der Aufwendungen für die gesetzliche Pensionsversicherung wurden 2020 öffentlich finanziert.

Kritik an der Alterssicherungskommission

Scharfe Kritik übt der Rechnungshof an der Alterssicherungskommission. Die 2016 beschlossene Kommission sollte alle drei Jahre einen Bericht über die langfristige Entwicklung und Finanzierbarkeit des Pensionssystems bis zum Jahr 2050 erstellen und beurteilen, ob Änderungen im Pensionssystem nötig sind. Der Berichtspflicht sei die Alterssicherungskommission im Jahre ihrer Gründung 2017 aber nicht nachgekommen, kritisiert der Rechnungshof. Erst vier Jahre später legte sie 2021 eine Langfristgutachten vor. Dabei habe die Bundesregierung zudem die erforderliche Berichterstattung an den Nationalrat unterlassen.

In dem Bericht der Alterssicherungskommission sowie in den zwei ebenfalls gesetzlich vorgeschriebene Berichten der Bundesregierung vermisst der Rechnungshof außerdem eine gesamthafte Aussage über die Nachhaltigkeit. Während der Fiskalrat die Nachhaltigkeit des Pensionssystems durch den Anstieg demografieabhängiger Ausgaben langfristig nicht gesichert sieht, mache die Alterssicherungskommission trotz ähnlicher Prognosen keine Aussagen dazu und schlage auch keine Reformmaßnahmen vor, kritisiert der Rechnungshof.

Kritik übt der Rechnungshof auch an der fehlenden Besetzung des Vorsitz der Alterssicherungskommission. Die Kommission konnte sich erst im November 2019 konstituieren, weil es vorher keine Einigung über den Vorsitz gab. Bereits Anfang 2022 legte der Vorsitzende Walter Pöltner aus Protest gegen die sozial gestaffelten Pensionserhöhungen sein Amt wieder zurück. Seitdem ist der Posten wieder vakant.

IHS-Chef Bonin: Antrittsalter auf 67 Jahre erhöhen

Auch IHS-Chef Holger Bonin vermisst in Österreich die Diskussion über eine Reform des Pensionssystems. Er befindet dieses als "generös" und betonte in der ORF-Pressestunde vom 15. Oktober, dass "perspektivisch" ein Antrittsalter von 67 Jahren in Betracht gezogen werden müsse.

Wenn man langfristig denke, "dann haben wir einen Konsolidierungsbedarf im Bereich der Pensionsversicherung", argumentierte der IHS-Chef weiter. Durch die demografische Entwicklung steige jener Teil, den der Staat zu den Pensionen zuschießen müsse. "Das wird nicht leichter zu finanzieren, wenn die Gesellschaft älter wird", gab Bonin zu bedenken: "Wir werden über eine Pensionsreform nachdenken müssen."

Die sukzessive Erhöhung des Frauenpensionsalters in Österreich auf 65 Jahre bis zum Jahr 2033 erfolgt für dessen Dafürhalten "relativ spät". Abgesehen davon stelle sich die Frage, wie man Menschen dazu bringen kann, überhaupt bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter zu arbeiten. Auch darüber werde zu wenig diskutiert, findet der IHS-Chef.

Reaktionen auf die Kritik

Das Sozialministerium betonte dazu, die Alterssicherungskommission sei "voll handlungsfähig". Sitzungen würden von der stellvertretenden Vorsitzenden, der Präsidentin des Seniorenrates und ÖVP-Seniorenbundes Ingrid Korosec, einberufen, die Geschäfte führe das Büro der Kommission. Zur Kritik des Rechnungshofs an der Arbeit der Alterssicherungskommission betonte das Ministerium, die gesetzlichen Vorgaben würden bei der laufenden Evaluierung des Pensionssystems stets eingehalten. Zwar würden aufgrund der hohen Inflation, der Wirtschaftsentwicklung und einer erhöhten Anzahl von Pensionsantritten die Staatsausgaben mittelfristig steigen, langfristig habe dies aber nur mäßige Auswirkungen.

Die SPÖ betonte, dass 95 Prozent der ASVG-Pensionen anders als bei Beamten, Selbstständigen und Bauern durch Beiträge gedeckt seien. Es gebe daher "überhaupt keinen Zweifel", dass das Pensionssystem für die zwei Millionen ASVG-Pensionistinnen und Pensionisten nachhaltig und finanzierbar sei, so SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch in einer Aussendung. Handlungsbedarf sieht die SPÖ aber dabei, gesundes Arbeiten bis zu Pension zu ermöglichen, und fordert einer Neubewertung der Schwerarbeiterpension.

Auch der Seniorenrat wies die Kritik des Rechnungshofs zurück. Das österreichische Pensionssystem sei "langfristig abgesichert und eines der besten der Welt", so die beiden Präsidenten Peter Kostelka und Ingrid Korosec in einer Aussendung, Verbesserungen seien wichtig, aber "ein generelle Schlechtreden unseres Pensionssystems lehnen wir ab". Die Kritik an der Alterssicherungskommission sei dagegen "durchaus berechtigt", der richtige Adressat aber die Regierung, welche die Kommission nach dem Rücktritt Pöltners im Stich gelassen habe, meinte der Präsident des SPÖ-nahen Pensionistenverbands Kostelka. Trotz Vakanz im Vorsitz sei die Alterssicherungskommission voll handlungsfähig, betonte er gemeinsam mit Korosec.

Dagegen sahen sich die NEOS in ihren Warnungen vor einem Kollaps des Pensionssystem bestätigt. "Die anderen Parteien müssen endlich aufwachen: Weiter nichts zu tun, ist ungerecht und höchstgradig verantwortungslos", so Sozialsprecher Gerald Loacker in einer Aussendung. Konkret fordern die NEOS eine Erhöhung des Pensionsantrittsalter, eine Pensionsautomatik, ein einheitliches Pensionskonto mit denselben Regeln für alle Versicherten und "ein Ende der jährlichen Extra-Erhöhungen jenseits der Inflationsrate".

Die Arbeiterkammer sah sich ebenfalls in vielen Punkten durch die Rechnungshofkritik bestätigt. Sie fordert eine handlungsfähige und von der jeweiligen Bundesregierung unabhängige Alterssicherungskommission mit klaren Aufträgen sowie Anreize und gute alternsgerechte Arbeitsbedingungen zur Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters. Kritik übte die AK an den deutlich höheren Bundesbeiträgen für die Pensionen der Selbstständigen und Landwirten gegenüber jenen der ASVG-Versicherten.

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