Der SPÖ-Wahlkampf um die Parteispitze geht ins Finale. Wie die beiden feindlichen Lager Wien und Burgenland einander belauern und zur Mobilisierung im parteiinternen Flurfunk schlecht machen.
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Am Rande der jüngsten Plenartagung war es Gesprächsthema Nr. 1 in den Couloirs des Nationalrats: Wer macht in der SPÖ das Rennen um den Parteivorsitz?
Es ist Tag 4 nach Start der Mitglieder-Befragung als ein hausfremder roter Spitzenfunktionär wegen eines Termins durch die Gänge des Hohen Hauses eilt. Er hält kurz inne, outet sich auf Befragen unter vier Augen als Fan von Hans Peter Doskozil und sieht sich längst als Teil seins Teams: “Wir gewinnen das.”
Diesen Dienstag war Halbzeit beim roten Vorsitzenden-Voting, das sich über die ungewöhnlich lange Zeitspanne von 17 Tagen zieht. Es ist der Tag nach dem 1. Mai, dem höchsten Feiertag der Sozialdemokratie, der einmal mehr mit dem Aufmarsch von Abordnungen aller Bezirke und SPÖ-Teilorganisationen auf dem Wiener Rathausplatz zelebriert wurde.
Roter Rathausmann: 1. Mai-Feier als Siegeszeichen für "Pam"
In den Büros der Wiener Rathaus-Spitze wird tags darauf höchst zufrieden Bilanz gezogen. So viele Menschen wie an diesem 1. Mai hatten sich seit Jahren nicht mehr zur Abschluss-Kundgebung am Rathausplatz eingefunden. “Die Wiener SPÖ kann eben mobilisieren, wenn es sein muss”, resümiert ein Rathaus-Mann zufrieden. Was viele ihrer Kritiker und Gegner unterschätzt hätten, werde sich in drei Wochen endgültig zeigen, wenn am 22. Mai des Ergebnis der SPÖ-Mitgliederbefragung verkündet werde, so der Wiener Spitzenrote.
Er ist sich nach dem großen Aufgebot am Rathausplatz sicher: Pamela Rendi-Wagner wird als alte und neue Nummer 1 aus der Mitgliederbefragung hervorgehen.
Auch Babler- und Dosko-Lager sehen sich bereits als Sieger
Ein anderer prominenter Roter will am gleichen Tag am gleichen Rathausplatz eine ganze andere Stimmung wahrgenommen haben: Die große Teilnehmerzahl beim heurigen Mai-Aufmarsch sei in der Tat außergewöhnlich gewesen. Der Zulauf habe vor allem einen Grund: Die Kandidatur des Traiskirchner Bürgermeisters Andreas Babler. Diese kam sowohl für das Partei-Establishment rund um Pamela Rendi-Wagner als auch den Herausforderer Hans Peter Doskozil total überraschend und sei nun für viele SPÖ-Mitglieder die ersehnte Alternative zum programmierten, unheilvollen Duell zwischen Doskozil und Rendi-Wagner.
“Die alte Tante SPÖ ist für viele jüngere Menschen wieder sexy geworden”, formuliert der Babler-Fan in der Wiener SPÖ: “Er ist der Wunsch-Kandidat der Herzen, er wird daher am Ende auch tatsächlich Parteichef werden.”
Aufbruchsstimmung versus verschärfte Grabenkämpfe
Drei konträre Momentaufnahmen in drei vollkommen anderen Welten in einer Partei.
Bis Mittwoch kommender Woche haben die rund 150.000 Mitglieder der SPÖ noch Gelegenheit Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil, Andreas Babler oder “keine/n von diesen” am Stimmzettel anzukreuzen.
Ab 11. Mai startet die Auszählung der Stimmen. Das Parteimanagement lässt sich auch damit ungewöhnlich lange Zeit. Erst zwölf Tage nach Wahlschluss soll am 22. Mai das Ergebnis der Mitglieder-Befragung vorliegen.
Partei-Geschäftsführer Christian Deutsch und Wahlkommissions-Leiter Harry Kopietz wollen die ausgegebene Order eisern durchziehen und bis dahin null über den Verlauf der Mitglieder-Befragung verlauten lassen. Eine erste Bilanz lässt sich allerdings schon vor dem Start ins Befragungs-Finish ziehen.
In den Foren sozialer Medien und zuvorderst im Fan-Lager von Andreas Babler werden die zurückliegenden Wochen trotz ungebrochenen Streits und Haders als Auslöser einer Aufbruchsstimmung in der SPÖ und einer Repolitisierung beschworen. Es wird zudem "eine Verschiebung des Diskurses nach links" gefeiert.
Abseits subjektiver Hochgefühle machen sich in der SPÖ allerdings großflächig wahrnehmbar immer mehr Rache-Gelüste breit.
Wiener Flüster-Propaganda über zweifelhafte Wahlschlepper-Aktionen im Burgenland
Die Fan-Clubs der Bewerber für den Parteivorsitz stecken viel Energie in die tagtägliche Feindbeobachtung und sorgen so für Nachschub an Missgefühlen.
In Wien machten dieser Tage Nachrichten wie diese aus dem Burgenland die Runde: Die SPÖ-Funktionäre legten ihren Mitgliedern dringend nahe, ihre Stimmzettel nicht in Wien, sondern bei der burgenländischen Landespartei abzugeben. Diese würde dann – nach einer internen Zählung – das Stimm-Paket in der “feindlichen” Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße abgeben.
Eine konzertierte Aktion wird vom roten Parteimanagement in Eisenstadt aber vehement dementiert. Die Landes- und Bezirkspartei-Organisationen bieten lediglich – ähnlich wie an regulären Wahltagen mit "fliegenden Wahlkommissionen" – immobilen Parteimitgliedern an, die Weiterleitung der ausgefüllten Stimmzettel in den verschlossenen Kuverts zu übernehmen.
In Wiener SPÖ-Krisen will man aber weiterhin wissen, dass die burgenländischen Genossen diese zweifelhafte Mischung aus Service und Kontrolle auch jedem anderen Parteimitglied dringend nahelegen würden.
Burgenländische Flüsterpropaganda über fragwürdige Telefon-Aktionen des Leiters der SPÖ-Wahlkommission
In den Doskozil-freundlichen Bundesländern wird wiederum hinter vorgehaltener Hand empört berichtet: Der Leiter der Wahlkommission Harry Kopietz, der als ehemaliger Landesparteisekretär und Landtagspräsident die Wiener SPÖ wie seine Westentasche kennt, “ruft die einzelnen Bezirksparteichefs und Sektionsleiter persönlich durch, damit sie dafür sorgen, dass möglichst viele Mitglieder an der Befragung teilnehmen und auch für Pamela Rendi-Wagner stimmen”, so ein Bundesländer-Spitzenroter.
Dosko-Spaltpilze in der Wiener SPÖ
Fakt ist in jedem Fall, es gibt für die Rendi-Wagner-Fans in Wien ausreichend Grund für Nervosität. Denn die Strahlkraft von Doskozil in den eigenen Reihen wird in der Wiener SPÖ höher eingeschätzt als offiziell zugegeben.
Das wurde dieser Tage auch sichtbar: Die im ersten Bezirk – in unmittelbarer Nähe der Berufs-Feuerwehr am Wiener Hof – angesiedelte “Feuerwehr-Sektion” steht als politische Heimat vieler Feuerwehrleute und Polizisten dem burgenländischen Ex-Polizeichef Hans Peter Doskozil nicht nur aus beruflichen Gründen nahe. Als der Burgenländer jüngst von der mit rund tausend Mitgliedern größten Wiener Partei-Sektion zur Vorstellung seiner Pläne eingeladen wurde, fanden sich im Publikum auch langjährige Gemeinderäte und Spitzenfunktionäre der Wiener SPÖ ein.
In der Wiener Parteizentrale wurde nicht nur das zuletzt besorgt registriert. Auch das parteiinterne Gewicht des kleinsten Bundeslandes wird von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch & Co wichtiger genommen als der Anschein vermuten lässt. Das Burgenland wirft im Vergleich zur Einwohner- und Wählerzahl die relativ größte Anzahl an Parteimitgliedern in die rote Waagschale.
Höchste SPÖ-Mitglieder-Dichte mit 12.400 Genossen im Burgenland
12.400 Genossen sind in der SPÖ Burgenland aktuell als Mitglieder eingeschrieben. Wien hat als mächtigste und größte Landesorganisation nur dreimal mehr Mitglieder.
In Relation zu den Wahlberechtigten, rechnet ein Burgenland-Funktionär vor, müsste die auf ihre Tradition und Organisationstärke stolze Wiener SPÖ mehr als fünfmal so viele Parteimitglieder wie das Burgenland haben.
Warum Ludwig mit Dosko & Babler nicht will und kann
Zu mehr gegenseitigem Respekt vermochte das bisher aber nichts beizutragen. Im Gegenteil: Das Misstrauen zwischen den burgendländischen und Wiener Roten wurde durch den wochenlangen innerparteilichen Wahlkampf um die SPÖ-Spitze noch weiter vertieft.
Selbst der für seine Umsicht und Vorsicht bekannte Wiener Stadt- und Parteichef Michael Ludwig macht dieser Tage im kleinen Kreis kein Hehl daraus, was er von den beiden Kontrahenten von Pamela Rendi-Wagner hält. Hans Peter Doskozil ist für Ludwig ein unverbesserlicher Egomane, mit dem er künftig weniger denn je zu tun haben will. Andreas Babler hält der nach wie vor mächtigste Mann in der SPÖ für einen weltfremden Träumer, den er, solange er etwas zu sagen hat, nicht an der SPÖ-Parteispitze sehen will.