Pamela Rendi-Wagner ist Parteigeschichte. Das finale Ringen zwischen Hans Peter Doskozil und Andreas Babler um den nächsten SPÖ-Chef offenbart: Das zerrüttete Verhältnis zwischen dem Wiener Rathaus und dem Eisenstädter Landhaus ist ein Schlüssel zu diesem roten Drama.
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Im SPÖ-Klub wurde in den letzten April-Tagen ein auffälliger Stimmungswechsel registriert. Partei- und Klubchefin Pamela Rendi-Wagner sprühte vor Selbstbewusstsein und Tatendurst. Wenige Tage nachdem die von Hans Peter Doskozil erzwungene Mitglieder-Befragung beendet war, schien die Bunkerstimmung in der roten Führungsspitze verflogen.
Über den Auslöser des Stimmungsumschwungs ging in den Couloirs des Parlaments als Erklärung um: Ein Vögelchen im Parteimanagement habe der Parteichefin gezwitschert, dass alle Zeichen auf eine Niederlage für ihren ewigen Widersacher aus dem Burgenland stehen. Fakt ist, die Auszählung der Briefwahl-Stimmen ergab am Ende tatsächlich: Pamela Rendi-Wagner liegt eindeutig vorne, gefolgt von Hans Peter Doskozil und Andreas Babler.
Wenige Stunden nach Start der Zusammenkunft der Wahlkommission gingen im Burgenland und in Niederösterreich, beides Speerspitzen im Machtkampf pro Doskozil, so schon Tartaren-Meldungen um: Ihr Kandidat habe verloren, die ungeliebte Chefin in der Mitglieder-Befragung obsiegt.
Pam rechnete bis zuletzt mit Sieg
Teilnehmer der Wahlkommission berichten zudem, dass Parteigeschäftsführer Christian Deutsch aus allen Wolken fiel, als diesen Montagnachmittag die Stimmen aus der Onlinebefragung und der Briefwahl zusammengeführt wurden: Die Nummer eins bei den Briefwählern stürzte auf den schmählichen dritten Platz ab.
Der als Außenseiter angetretene Traiskirchner Bürgermeister lag ein paar Hundert Stimmen vor ihr. Das Ergebnis erwischt nicht nur die SPÖ-Zentrale, sondern auch zahlreiche Spitzengenossen am falschen Fuss.
Pamela Rendi-Wagner hatte zu ihrer Unterstützung ein Heer von Granden der Partei aufgeboten: den langjährigen Bundespräsidenten Heinz Fischer, bis auf Christian Kern alle verfügbaren roten Ex-Bundeskanzler, Wiens Bürgermeister und Chef der SPÖ, die Spitzen der SPÖ-Frauenorganisation und der roten Gewerkschafter. „Das ist für alle ein Desaster“, analysiert ein langgedienter SPÖ-Spitzenmann, „auch für den Wiener Bürgermeister.“
Zerbrochene Achse Ludwig-Doskozil
Michael Ludwig, berichten Rathaus-Insider, wird sehr emotional, wenn die Rede auf den Burgenländer kommt. Dabei waren die beiden einander jahrelang durchaus parteifreundschaftlich verbunden. In Eisenstadt wird erzählt: Ludwig habe es nicht verwunden, dass Doskozil in der Pandemie-Hochzeit bei Anti-Corona-Maßnahmen – etwa beim „Ost-Lockdown“ zu Ostern 2021 – immer öfter aus dem Bündnis mit Wien ausscherte und die strengen Regeln des „Wiener Wegs“ nicht mehr mitmachen wollte.
In Wien kreidet man dem Burgenländer vor allem „Illoyalität und Heckenschützen-Mentalität“ gegenüber Ex-SPÖ-Chefi Pamela Rendi-Wagner an. Das zerrüttete Verhältnis zwischen dem Wiener Rathaus und dem Eisenstädter Landhaus ist auch ein Schlüssel für den nächsten und wohl vorerst finalen Akt in diesem roten Drama.
Im Lager der Dosko-Gegner ist man wild entschlossen, seinen Aufstieg zum Parteichef noch zu verhindern. Mit dem Begehr nach einer Stichwahl durch die Mitglieder scheiterten die Wiener im Parteivorstand mit 22 zu 25 der Stimmen. Jetzt kommt eine Kampfabstimmung bei Parteitag am 3. Juni.
Im Dosko-Lager wird appelliert, anzuerkennen, dass dieser gewonnen hat. „Wir hätten auch die Krot schlucken müssen, wenn das anders ausgegangen wäre“, sagt ein Dosko-naher Spitzenfunktionär: „Der Wiener Bürgermeister hat sich genügend verspekuliert. Jedem, der jetzt noch Spielchen spielen will, sollte klar sein, dass die Stimmung in sechs Bundesländern eindeutig für Dosko als Parteichef ist.“
Vier ergebnislose Friedensgespräche Dosko-Babler
Da vermochten auch vier Anläufe für Friedens-Gespräche unter vier Augen (Stand Dienstag zu Redaktionsschluss) nichts auszurichten.
In Wiener SPÖ-Kreisen wird bereits die Schreckensvision in Stellung gebracht: Ein SPÖ-Chef Doskozil würde unweigerlich zum Geburtshelfer einer starken linken SPÖ-Konkurrenz nach Vorbild vom Kai Michael Dankls KPÖ-Plus-Erfolg jüngst in Salzburg.
„Wenn es Andreas Babler gelingt, den Rendi-Wagner-Anhängern ein Angebot zu machen, hat er plausible Chancen, die Partei zu übernehmen“, sagt ein Stratege der Wiener SPÖ. Ein langjähriger Rathaus-Insider formuliert es prosaischer: „Der Hass auf Dosko ist bei einigen der Wiener SPÖ-Führung so groß, dass sie sagen, da ist uns der Babler lieber."
Geheime SPÖ-Wien-Umfrage: Babler bringt mehr Stimmen
Parteiintern lebt nun auch der harte Nahkampf mit Umfragen wieder auf. Hans Peter Doskozil hat diesen eröffnet als er im vergangenen Herbst eine Umfrage lancierte: Die SPÖ würde mit einem Kanzlerkandidaten Doskozil weitaus besser bei Wahlen abschneiden als mit Rendi-Wagner. In der Wiener SPÖ wird dieses Ergebnis massiv angezweifelt. Sie hatte schon lang davor in Umfragen erhoben, dass beim Wiener Wahlpublikum Rendi-Wagner klar vor Doskozil im Vorteil sei.
Im Dunstkreis der Wiener SPÖ wurde jüngst auch erhoben, mit wem derzeit die roten Aktien am besten liegen. Die Sonntagsfrage für die kommenden Nationalratswahl wurde abwechselnd mit den drei Parteichef-Kandidaten der SPÖ-Mitglieder-Befragung gestellt.
Das Ergebnis, so ein Rathaus-Insider: Pamela Rendi-Wagner käme mit einem Plus von sechs Prozentpunkten, Andreas Babler immerhin noch mit einem Plus von drei Prozentpunkten vor Hans Peter Doskozil zu liegen.
Im Wahlkampf um das endgültige Shootout um die Parteispitze dürfte freilich auch Andreas Babler bald den Welpenschutz verlieren, den er angesichts des lange dominierenden Zweikampfs zwischen Rendi-Wagner und Doskozil genoss. „Sein Heldenstatus bröckelt bei näherem Hinschauen“, sagt ein Dosko-Anhänger.
Das beginnt für diesen damit, dass die hohe Zustimmung für die SPÖ in Traiskirchen ein Erbe seiner Vorgänger als Bürgermeister und kein einmaliges Verdienst Bablers sei. Auch in seiner Heimat Niederösterreich sehe man den neuen roten Hero der SPÖ-Basis offenbar weitaus nüchterner. Als das neuerliche SPÖ-Debakel bei der jüngsten Landtagswahl in Niederösterreich und ein Sturz des glücklosen Parteichefs absehbar war, unternahmen die Strippenzieher der NÖ-Partei alles, Babler als neuen Parteichef zu verhindern.
In einer geheimen Kommandoaktion stellten Arbeiterkammer-Chef Markus Wieser und der St. Pöltener Bürgermeister Matthias Stadler die Weichen für eine Kür von Sven Hergovich. Die niederösterreichische SPÖ macht nun auch im roten Showdown nicht für ihren Landsmann Babler Stimmung, sondern ist eine der Speerspitzen für einen künftigen SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil.
Dieser Beitrag ist der trend.PREMIUM Ausgabe vom 26. Mai 2023 entnommen.