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Sepp Schellhorn: Meine 12 Thesen für Österreich

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17 min

Multigastronom und Unternehmer Sepp Schellhorn

©News / Ricardo Herrgott
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Nach zwei Jahren Abstinenz will Sepp Schellhorn wieder in der Politik mitreden und mitbestimmen. Der trend präsentiert die 12 Thesen des Multigastronoms, Unternehmers und Neos-Politikers, wie Österreichs Wirtschaft wieder auf Schiene kommen soll: Arbeitsplätze, Leistung, Steuern und Staat neu denken.

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Der Salzburger Multigastronom und Unternehmer Sepp Schellhorn war bis zu seinem überraschenden Rückzug aus Parlament und Politik vor zwei Jahren der profilierteste liberale Wirtschaftspolitiker der Neos und wohl auch des Landes. Oft laut, polternd, aber immer auf Grund seiner praktischen Erfahrung nahe an realen ökonomischen Problemen und Zwängen.

Jetzt aber juckt es ihn wieder. Sein Comeback in der politischen Arena soll aber anders verlaufen. Die Erfahrungen des einfachen Abgeordneten, der mahnen, aber nichts umsetzen kann, will er nicht noch einmal machen. Der Pongauer wird daher zunächst ab September eine Tour durch Österreich starten, "an Stammtischen und in großen Hallen", um Unternehmer und andere Gleichgesinnte zu finden, die kluge Wirtschaftsreformen andenken. Unausgesprochener Hintergedanke: Ein solches Programm soll in weiterer Folge in einer Regierungsbeteiligung der Neos im Bund auch umgesetzt werden.

Schellhorn startet in Vorarlberg, die Tour endet im Spätherbst in Wien. Bei den Neos in der Wiener Zentrale stiften die Aktivitäten des auch auf Social-Media-Kanälen sehr präsenten Unternehmers naturgemäß eine gewisse Unruhe. Schon ist die Rede davon, dass Schellhorn als Spitzenkandidat der Pinken für die Nationalratswahl antreten wolle. Schellhorn sagt zu all dem nur so viel: "Wir müssen die Mitte finden, dort ist sehr, sehr viel Platz."

Der trend präsentiert Schellhorns zwölf Thesen, wie das in allen wesentlichen Parametern dramatisch an Boden verlierende Österreich wirtschaftlich wieder on Track gelangen könnte.

These 1: WIRTSCHAFT SIND WIR ALLE

Es ist in Österreich eine volksbildnerische Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle wissen, dass "die Wirtschaft" nicht die Wirtschaftskammer ist, der die "Nichtwirtschaft" in Gestalt der Arbeiterkammer gegenübersteht.

Wirtschaft ist Leben, Wirtschaft ist Alltag. Erst wenn allen wirklich klar ist, dass sie in das wirtschaftliche Leben eingebunden sind, werden sich auch alle als wirtschaftliche Akteure begreifen. Und das ist eine der Voraussetzungen dafür, dass wir als Volkswirtschaft den Stillstand und die Passivität überwinden, die uns veraltete Strukturen und Systeme in vielen Bereichen beschert haben.

These 2: ARBEIT HAT VIELE GESICHTER

Eine weitere volksbildnerische Aufgabe besteht in Österreich darin, den Arbeitsbegriff näher an ein zeitgenössisches Verständnis heranzuführen. Solange ein gar nicht so geringer Teil der Bevölkerung glaubt, dass die einen besitzen und die anderen arbeiten, wird sich am 70er-Jahre-Klima, das nach wie vor einen erschreckend großen Teil der Debatten über volkswirtschaftliche Fragen prägt, nichts ändern.

Unternehmertum ist auch Arbeit, und zwar nicht zu knapp, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann.

These 3: DER STAAT SCHAFFT ARBEITSPLÄTZE - ABER DIE FALSCHEN

Gerade wenn es um die Bereiche Arbeit und Wirtschaft geht, muss man die Verdrossenheit gegenüber der Politik nicht als Alarmsignal, sondern als Hoffnungszeichen lesen. Inzwischen weiß offensichtlich fast jeder, dass der Staat keine Arbeitsplätze schafft, es sei denn, er vergrößert sich selbst und baut die Bürokratie aus. Dort, wo er in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Arbeitsplätze hätte schaffen sollen – Bildung, Gesundheit, Pflege –, hat er es nicht getan.

Es ist nicht zu wenig Geld in den öffentlichen Haushalten, auch nicht in den Sozialtöpfen – Österreich hat eine der höchsten Sozialquoten weltweit –, es wird nur falsch verteilt.

These 4: NACHHALTIGE ARBEITSPLÄTZE WERDEN VON UNTERNEHMEN GESCHAFFEN

Das ist schwer genug, und das liegt nicht zuletzt am Staat: Die überzähligen Beschäftigten in den unterschiedlichen Ebenen der Bürokratie – haben wir uns schon über die Absurditäten des Föderalismus unterhalten? Als mittelständischer Unternehmer lernt man sie sehr viel näher und intensiver kennen als jeder Manager in einem Großkonzern oder als Arbeitnehmer – wollen beschäftigt werden.

Was dereinst als Schutz der Arbeitnehmer vor ausbeuterischen Unternehmern begonnen hat, ist zum großangelegten Belästigungsprogramm geworden. Wer es nicht glaubt, kann gerne Einblick in die Prüfungsunterlagen meiner Unternehmen aus den vergangenen Jahren nehmen.

These 5: ES GILT DER MISSTRAUENSGRUNDSATZ, DAS MUSS SICH ÄNDERN

Warum gibt der Staat so viel Geld aus, um die zu quälen, denen er seine Finanzierung und den allgemeinen Wohlstand verdankt? Offensichtlich deshalb, weil der Staat vor allem gegenüber den mittelständischen Unternehmen nach dem Misstrauensgrundsatz agiert. Statt dann zu reagieren – und zwar streng, konsequent und ohne Ansehen der politischen Gesinnung –, wenn Fehler 'gemacht, Vorschriften umgangen, Steuern hinterzogen werden, erfindet die staatliche Bürokratie immer mehr Vorschriften, deren Beachtung ohne Zuhilfenahme externer Experten auch für den gebildeten und erfahrenen Unternehmer gar nicht mehr zu überblicken ist.

Wer Vertrauen will, muss Vertrauen auch gewähren, der Misstrauensgrundsatz muss weg.

These 6: DAS PFERD WIRD IMMER AUFS NEUE VON HINTEN AUFGEZÄUMT

Der Staat ist kein Unternehmen, sondern die Struktur, die es möglich macht, gemeinschaftliche Aufgaben wahrzunehmen und Risiken, die für den Einzelnen nicht zu beherrschen sind, abzusichern. Der Staat hat also die Infrastruktur herzustellen, innerhalb derer sich seine Bürger frei entfalten können, vom Straßennetz über die öffentliche Sicherheit und das Gewaltmonopol bis zum Bildungssystem. Und er hat, zumindest in unserer europäisch-sozialstaatlichen Tradition, die Aufgabe, über ein öffentliches Gesundheits- und Pensionssystem dafür zu sorgen, dass seine Bürger auch dann überleben können, wenn sie aus gesundheitlichen oder aus Altersgründen nicht mehr dazu in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.

Was die Form dieser Absicherung betrifft – Versicherungssysteme oder Sozialleistungen –, darüber kann man gut unterschiedlicher Meinung sein. Wichtig ist nur, dass man sich darauf einigt, was der Staat zu leisten hat und wie viel Geld er braucht, um diese Leistungen zu erbringen. Erst dann kann die Diskussion darüber beginnen, wie diese Mittel aufgebracht werden und wer wie viel beiträgt. In Österreich läuft die Diskussion seit Jahrzehnten umgekehrt: Die Frage, was der Staat leisten soll, wird praktisch nie gestellt, immer wird nur darüber gestritten, um wie viel man welche Steuern erhöhen muss, damit der gefräßige Staat weiter satt wird.

These 7: NEUE STEUERN SIND NIE DIE LÖSUNG

Weil das so ist, gehen auch alle Steuerdebatten in Österreich so gut wie immer am Problem vorbei. Das beste Beispiel dafür sind die in malariaartigen Schüben auftretenden Diskussionen über die Einführung von Vermögens-und/oder Erbschaftssteuern. Es beginnt damit, dass praktisch nie davon die Rede ist, welche neuen Aufgaben der Staat eigentlich wahrnehmen will oder soll, wofür das frische Geld also verwendet werden soll. Als Argument wird immer nur gebracht, dass Österreich einer der wenigen Staaten sei, in denen es diese Steuern nicht gibt. Das ist zwar wahr, wahr ist aber auch: es gibt kaum ein Land, in dem die Lohn- und Einkommenssteuern so hoch sind wie in Österreich (zu den sogenannten "Lohnnebenkosten" kommen wir noch).

Gerade aus liberaler Sicht spricht wenig dagegen, arbeitslose Einkommen stärker zu besteuern als Arbeitseinkommen. Wer selbst ein Vermögen aufbauen kann und nicht die Hälfte seines Einkommens an den Finanzminister abliefern muss, ist nicht darauf angewiesen, zum Beispiel Wohnungseigentum durch Erbschaft zu generieren. Will heißen: Eine Erbschaftssteuer kann man beginnen zu diskutieren, wenn die Einkommenssteuern über einige Jahre auf jene 20 Prozent gesenkt werden, mit denen eigentlich jeder moderne Staat seine Aufgaben ohne große Probleme erfüllen können sollte.

These 8: VERSTECKTE STEUERN SIND IMMER DAS PROBLEM

Um eine ehrliche Debatte über die Aufgaben des Staates und ihre Finanzierung durch allgemeine Steuern und Abgaben überhaupt zu führen, müsste erst einmal Transparenz über die tatsächliche Situation im Abgabenbereich hergestellt werden. Denn nicht nur haben wir in Österreich besonders hohe Lohn- und Einkommenssteuern, wir leisten uns auch ein System der versteckten Steuern, die verniedlichend als "Lohnnebenkosten" bezeichnet werden und dazu führen, dass zwei Drittel dessen, was ein Arbeitnehmer einen Unternehmer kostet, nicht beim werktätigen Bürger, sondern beim Staat landen.

Das ist eine Größenordnung, die eigentlich in jedem Staat, der von freiheitsliebenden Menschen bewohnt würde, umgehend zu Aufständen führen müsste. Möglich ist so etwas nur in einem Staat, dem es im Lauf der Jahrzehnte gelungen ist, eine Mehrheit seiner Bevölkerung in staatliche Abhängigkeit zu bringen, was am Ende nichts anderes ist als die Perversion der Sozialstaatsidee. Was Freiheit bringen sollte, hat Abhängigkeit geschaffen.

These 9: LEISTUNG IST AUS DER MODE GEKOMMEN

Seit Jahren gibt es eine Diskussion darüber, dass die jüngeren Generationen sich nicht mehr ins Hamsterrad ihrer Eltern und Großeltern begeben und ihr Leben an die Erwerbsarbeit verschwenden wollen. Das kann man gut finden, und auch ich persönlich finde es gut – solange allen klar ist, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen haben. Wenn ich neue Arbeitskräfte nur noch bekomme, wenn ich den Bewerbern – eigentlich bin ja inzwischen ich als Unternehmer und "Arbeitgeber" der Bewerber – eine Viertagewoche anbiete, die im Wesentlichen den gleichen Lebensstandard ermöglicht, den man sich früher nur mit einer Fünftagewoche und einem gewissen Maß an Überstunden leisten konnte, wird nicht nur mein Betrieb an seine Grenzen kommen, sondern unsere Volkswirtschaft in ihrer Gesamtheit.

Ich glaube, dass alle, die jetzt vom bösen Wachstumszwang und vom gesundheitsgefährdenden Leistungswahn schwadronieren, ihr böses Erwachen noch vor sich haben. Irgendwann in nicht allzu weiter Ferne werden die privaten Umverteilungssysteme, mit denen die heutige Großelterngeneration eine leistungskritische Enkelgeneration finanziert, und die staatlichen Umverteilungssysteme, die sich sehr wohl auf ein beständiges Wachsen der Einnahmen durch Steuern und Abgaben verlassen, an ihre Grenzen gekommen sein. Und dann?

These 10: NICHT LEISTUNG BESTRAFEN, SONDERN RISIKO BELOHNEN. UND ZWAR FÜR ALLE

Ich bin seit Jahren fasziniert davon, dass alles, was sich "Start-up" nennt und sich ein digitales Mäntelchen umhängen kann, vom Staat und von den Behörden so behandelt wird, wie man sich das eigentlich für alle Unternehmen aller Branchen wünschen würde: Zugang zu Risikokapital, schlanke Genehmigungs- und Bewilligungsstrukturen, Flexibilität in Arbeitsrecht und Steuerfragen.

Warum genau können Unternehmen, die ihre Kunden per prekär beschäftigten Fahrradboten mit Essen versorgen, mit unvergleichlich besseren unternehmerischen Bedingungen rechnen als ein herkömmlicher Bewirtungsbetrieb? Und warum geht diese Diskussion, wenn sie denn überhaupt geführt wird, in Österreich immer so aus, dass man auch die Neuen knechtet wie die Bestehenden, statt allen etwas mehr Luft zu verschaffen? Glauben wir wirklich daran, dass Gerechtigkeit dann herrscht, wenn es allen gleich schlecht geht? Wäre es nicht einen Versuch wert, darauf zu achten, dass es alle gleich gut haben, zumindest was die Startchancen betrifft?

These 11: WIR HÄNGEN DER IDEE DER ERGEBNIS-GLEICHHEIT AN UND VERHINDERN DAMIT CHANCENGLEICHHEIT

Das führt uns zurück vom Konkreten ins Abstrakte: So wie wir den Sozialstaat von der Freiheitsidee zur Abhängigkeitsrealität verkommen lassen haben, haben wir die Idee der Chancengleichheit durch die Illusion der Ergebnisgleichheit ersetzt. Chancengleichheit befeuert die Lust am unternehmerischen Tun, erzwungene Ergebnisgleichheit tötet jeden Leistungswillen.

Dabei sollte auch einem Absolventen des österreichischen Bildungswesens klar sein, dass Chancengleichheit immer unterschiedliche Ergebnisse bedeuten muss, weil wir eben nicht alle gleich sind. Wer Ergebnisgleichheit als Gerechtigkeitsideal vertritt, führt die Idee der Chancengleichheit ad absurdum. Der Sozialstaat hat nicht die Aufgabe, alle auf ein gerade noch leistbares Mittelmaß zu nivellieren, er ist dafür da, die aufzufangen, die dem Risiko nicht gewachsen sind. Wenn das, was einst als letztes Sicherheitsnetz gedacht war, zum erstrebenswerten Ziel für alle wird, hat die Mittelmäßigkeit endgültig gesiegt.

These 12: DER STAAT MUSS ZURÜCK AN DEN START

Ich gehöre nicht zu denen, die im Nachhinein alles besser wissen, aber inzwischen ist wohl allen klar, dass sich der Staat durch seine Rolle während der fast drei Jahre der Corona-Pandemie auf eine Weise in das wirtschaftliche Leben der Einzelnen und der Unternehmen eingemischt hat, die auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten ist.

Wir brauchen einen wirtschaftspolitischen Neustart, und der kann nur gelingen, wenn der Staat zurück an den Start geht und sich zumindest hinter jene Linien zurückzieht, von denen aus er vor der Pandemie den Kampf gegen Freiheit und Unternehmergeist geführt hat. Vergessen wir dabei auch nicht den Parallelstaat in Gestalt der Sozialpartnerschaft: Wo war die Wirtschaftskammer, als es wirklich ums Eingemachte ging? Sie hat den Erfüllungsgehilfen staatlichen Wirkens gegeben und sich dabei auch noch gesundgestoßen. Es braucht einen neuen Anlauf für die unternehmerische Freiheit, sonst ist es auch mit der wirtschaftlichen Sicherheit vorbei.

Sepp Schellhorns 12 Thesen finden Sie auch in der trend. PREMIUM-Ausgabe vom 25.8.2023

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