Setzt sich für Vollzeit und eine über die Legislaturperiode hinaus gültige Standortstrategie ein: Karl Christian Handl, Handl Tyrol.
©Handl Tyrol/Julian RagglDer Tiroler Speckkaiser Karl Christian Handl fordert eine Fokussierung auf Stärken und ein Wirtschaftsleitbild, aus dem eine Standortstrategie schlussgefolgert werden kann.
Was Standortnachteile durch galoppierende Lohnkosten betrifft, erfährt der Tiroler Speckproduzent Handl Tyrol derzeit am eigenen Leib. Kumuliert 26 Prozent betrugen die Lohnkostensteigerungen in den letzten drei Jahren, bei der starken Südtiroler Konkurrenz war es nur rund die Hälfte. „Wir exportieren alle in den deutschen Markt, unseren Betrieb zu verlagern ist keine Option“, fasst CEO Christian Handl das Dilemma zusammen. Das „Tyrol“ im Firmennamen ist Verpflichtung.
Die einzige Antwort zur Produktivitätssteigerung kann für ihn und seinen Betrieb nur Automatisierung sein. Doch er vermisst in den letzten Jahren nicht nur bei der Politik der Regierung, sondern auch bei den Positionen von Interessensvertretungen wie Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung vor allem eines: Weitblick. „Der Karren brennt“, hat Handl deshalb die jüngste Veranstaltung der Tiroler-Adler-Runde übertitelt, eines berüchtigten Zusammenschlusses von Unternehmern, deren Präsident er derzeit selbst ist. Dass sich die Politik, angesprochen auf die Visionslosigkeit, häufig auf die Corona- und Energiekrise ausrede, will Handl so nicht gelten lassen: „Wir hatten selbst auch mit Corona zu kämpfen und mussten dennoch den Betrieb operativ und strategisch führen.“
Die Probleme, die eine neue Regierung lösen muss, sind im Detail nicht neu. In Wien beträgt die Arbeitslosigkeit derzeit elf Prozent, in Tirol drei Prozent – wie kann man mehr Arbeitssuchende vom Osten in den Westen locken? Die Anreize, Vollzeit und über die Pension hinaus zu arbeiten, sind viel zu gering – warum nicht von den Skandinaviern lernen? „Bei einer 50-prozentigen Aufstockung der Wochenarbeitszeit“, so Handl, „bleibt einer dänischen Arbeitnehmerin um 44,1 mehr an Nettoeinkommenszuwachs.“ In Österreich seien es knapp unter 29 Prozent. Weil die Menschen rechnen könnten, „entwickelt sich Österreich zur Teilzeitrepublik“. Aufgabe der Politik werde sein, die Grundlage für die Berechnungen zu ändern.
Was dem Unternehmer am stärksten fehlt, ist ein umfassendes Konzept, wie all diese Probleme anzupacken sind – ein Wirtschaftsleitbild, aus dem eine Gesamtstrategie zu folgern ist. „Es braucht dringend einen Masterplan“. Welche Branchen gilt es zu stärken, und wie sind die Forschungs-, Bildungsinstitutionen und Fördertöpfe aufzustellen? „Das sollte wie beim European Chips Act sein“, zieht Handl eine Parallele zur europäischen Technologiepolitik, die viel Geld auf klar definierte Zukunftsbereiche konzentriert. Wenn mit Sepp Hochreiter der KI-Profi in Linz sitze, müssten nicht alle anderen Universitäten Österreichs auf dieses Feld hüpfen, wirbt Handl, der selbst in Boston studiert hat. Vorbild im universitären Bereich könne etwa die Schweiz sein, wo mit der ETH Zürich eine klare Leituniversität bestünde.
Das Interview ist der trend.PREMIUM-Ausgabe vom 27.9.2024 entnommen.
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