Unternehmer drängen die ÖVP zu einer Strategie in Richtung FPÖ. Sie laufen dabei aber Gefahr, ein blaues Wunder zu erleben.
Im April brüskierte FPÖ-Chef Herbert Kickl die Industriellenvereinigung (IV), indem er eine Einladung zum Gedankenaustausch ablehnte. In seiner Welt ist die Organisation Teil des Systems, gegen das er in den Kampf zieht. Erst recht, wenn etwa IV-Präsident Georg Knill über die von der FPÖ propagierte „Festung Europa“ herzieht. Auf Kontakte zu Wirtschaftslenkern legt Kickl generell keinen großen Wert. Deren Themen interessieren ihn nur am Rande.
Ungeachtet dessen ist in ÖVP-Zirkeln von wachsendem Druck aus Wirtschaftskreisen die Rede, für den – realistischen – Fall, dass die Volkspartei bei den Nationalratswahlen im Herbst nur Platz drei belegt, eine Strategie in Richtung FPÖ zu entwerfen. Notfalls auch mit Kickl als Kanzler, weil das in so einer Konstellation der einzige Weg wäre, Andreas Babler als Regierungschef zu verhindern. Großindustrielle seien da ebenso zugange wie Vertreter von Familienbetrieben und von namhaften kleineren Unternehmen.
Es verdichten sich sogar Gerüchte, dass Unternehmer aus dem Mittelstand, darunter einige aus der Tourismusbranche, die mit der Wirtschaftspolitik und dem Anti-FPÖ-Wahlkampf der ÖVP unzufrieden sind, mit einer eigenen Liste antreten wollen. Der Plan sei, nach der EU-Wahl damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Zumindest werden schon Logos und Plakate entworfen und Spenden gekeilt.
Das Kalkül dahinter erschließt sich nicht wirklich. Man würde ohne Chance auf den Einzug ins Parlament die ÖVP Stimmen kosten – und den Blauen in die Hände spielen. Das ginge auf direktem Weg leichter.
32 Stunden
Dass Ideen von SPÖ-Frontmann Babler wie die 32-Stunde-Woche bei vollem Lohnausgleich in der Wirtschaft keine Begeisterung auslösen, liegt in der Natur der Sache. Und ja, um die heimische Wirtschaft aus der Rezession zu holen, wäre eher das Gegenteil angesagt. Was für einige von Bablers linkspopulistischen Positionen gilt.
Weniger verständlich ist hingegen, worauf Menschen, die sich um die Wirtschaft sorgen, bei den Rechtspopulisten der FPÖ hoffen. In deren Wahlprogramm sucht man ein Kapitel „Wirtschaft“ vergeblich. Es gibt nur „Wohlstand und soziales Gleichgewicht“ mit ein paar Allgemeinplätzen zum Begriff Leistung und der Ankündigung, Privateigentum schützen zu wollen. Zu Wettbewerbsfähigkeit, wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen oder Standortfragen werden keinerlei Aussagen getroffen.
In ihrer politischen Praxis tritt die FPÖ gegen eine Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Prosperität auf – die Stärkung Europas. Sie forderte in den letzten Jahren beharrlich Teuerungsausgleiche, Mietkostenzuschüsse und staatliche Unterstützungen für eh fast alles; durchaus auch auf Schulden. Im Gleichklang mit der SPÖ riefen die Blauen nach gesetzlichen Preisdeckeln für Energie, Lebensmittel oder Mieten. Sie drängten auf die Übergewinnsteuer, und Kickl legte sich für eine Bankensondersteuer ins Zeug. Alles staatliche Eingriffe, wie sie auch sein selbst ernanntes Vorbild Viktor Orbán praktiziert.
Der Hang der FPÖ zur Autokratie
Freie Marktwirtschaft scheint der FPÖ unter Kickl eher suspekt zu sein – und passt auch nicht recht zum Weltbild des Parteichefs, das vom Primat der (Macht-)Politik ausgeht. Bis zu den Putin-Bewunderern innerhalb der FPÖ ist der Weg da nicht so weit.
Den Hang zum Autokratischen zeigt auch das Verhältnis zur deutschen AfD. Sogar die neofaschistische italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Frankreichs Rechtsaußen Marine Le Pen haben wegen der NS-Diktion von AfD-Mann Björn Höcke und wegen der Handlangerdienste des EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah für Russen und Chinesen die Zusammenarbeit mit der Partei aufgekündigt. Die FPÖ nicht.
Alles in allem deutet die Kickl-Linie auf keinen sehr guten Nährboden für Unternehmen hin. Die Festlegung der FPÖ, keine Erbschaftssteuer einführen zu wollen, und die Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen, die auch etlichen Betrieben, vor allem produzierenden, ein Dorn im Auge sind, mutet als Kompensation ziemlich schwach an.
Das mit dem blauen Ex-ÖBB-Vorstand Arnold Schiefer verfasste, angeblich liberale Wirtschaftsprogramm bleibt im Wahlkampf unter Verschluss. Laut Hinweisen aus der FPÖ, weil man für ein paar zusätzliche Stimmen von IV-Mitgliedern nicht riskiere, auf der anderen Seite ein paar Prozent an Andreas Babler zu verlieren. Nach geschlagener Wahl werde dann aber ohnehin nicht mehr so heiß gegessen wie gekocht.
Eine sehr vage Aussicht. Da könnte man genauso gut darauf setzen, dass sich Babler den ökonomischen Realitäten schon noch beugen wird. Aus kurzfristigem Eigennutz eine FPÖ-Regierung zu forcieren, birgt für Unternehmer jedenfalls das Risiko, längerfristig ein blaues Wunder zu erleben. Außer sie rechnen damit, dass die „Freiheitlichen“ zum dritten Mal nach einem Jahr abtreten müssen.
Der Leitartikel ist trend. PREMIUM vom 7. Juni 2024 entnommen.
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