Der Trump-Sieg bei der US-Wahl stellt Europa handelspolitisch vor enorme Herausforderungen. Europa kann aber aus der ersten Amtszeit des Republikaners lernen. Was Ökonomen & CEO's am Tag nach der Wahl über die Folgen sagen.
Bei österreichischen Firmen mit starkem US-Geschäft wird das Ergebnis der US-Wahlen mit Gelassenheit kommentiert. Herbert Eibensteiner, CEO des Stahl- und Technologiekonzerns Voestalpine, fordert „vor allem raschen handelspolitischen Konsens zwischen den USA und der EU, um wieder Planungssicherheit für Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks herzustellen". Die Voestalpine habe die lokale Wertschöpfung an ihren 49 US-amerikanischen Standorten - mit rund 3.000 Beschäftigten - in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt in der Weiterverarbeitung ausgebaut und könnte von einem Wirtschaftsprogramm weiter profitieren.
KTM-Chef Stefan Pierer nahm in seiner Rolle als Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Oberösterreich den Wahlausgang zum Anlass, um standortpolitische Forderungen zu deponieren. „Der Wahlsieg von Donald Trump bedeutet für Europa ein Rendezvous mit der Realität – wirtschaftspolitisch wie auch sicherheitspolitisch. Europa braucht einen Industrial Deal und einen Technology Deal, um auf die globalen Herausforderungen reagieren zu können und den Standort Europa wieder wettbewerbsfähig zu machen."
Die meisten Ökonomen warnten vor einer Ausweitung von handelspolitischen Streitereien, wie sie Trump in seiner ersten Amtszeit begonnen hatte. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr hatte sich kürzlich in einem trend-Interview über zeitgemäße handelspolitische Antworten Europas auf einen Trump-Sieg geäußert. „Zu rechnen ist mit einem zehnprozentigen Zusatzzoll auf alles, gegenüber China noch einmal mit Verschärfungen. Wir wissen aber auch, dass er bereit ist, Zölle wieder wegzuverhandeln", führt Felbermayr aus: „In Europa hatte man unter Jean-Claude Juncker schon einmal eine Gegenwaffe: Gegen die angedrohten Autozölle von 25 Prozent hat man eine Digital-Sales-Tax (DST) in Stellung gebracht, die die amerikanischen Tech-Konzerne getroffen hätte. Am Ende kam es weder zu den Autozöllen noch zur DST. Eine solche Drohung hätte vermutlich heute eine noch höhere Relevanz als unter Trump 1.0.".
Bei einem von Trump angezettelten „Handelskrieg" rechnet der Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, mit einem stärkeren Rückgang der Wirtschaftsleistung in Europa als in den USA, weil China für viele europäische Unternehmen ein enorm wichtiger Exportmarkt und Produktionsort sei. Beispielsweise sei die deutsche Industrie stark von China abhängig und Deutschland wiederum der wichtigste Exportmarkt für österreichische Unternehmen.
Zu den geplanten Zollplänen Trumps äußerte sich auch der Chefvolkswirt der deutschen Commerzbank, Jörg Krämer: „Die Zölle verteuern nicht nur deutsche Waren in den USA, sondern dürften auch zu Gegenzöllen der EU führen, was den Außenhandel weiter belasten würde. Außerdem erhöht eine von Trump forcierte Deglobalisierung mittelfristig die Inflationsrisiken auch im Euroraum."
Die Europäische Union (EU) muss nach Ansicht von IHS-Chef Bonin nun dringend ihre Hausaufgaben machen. Die EU müsse „sehr schnell und glaubwürdig in die Verteidigung investieren", um sich von den USA unabhängiger zu machen. Die europäischen Unternehmen müssten ihr China-Klumpenrisiko reduzieren und sich andere Produktionspartner in Asien suchen, beispielsweise in Vietnam. Außerdem müsse die EU versuchen, die weltweite multilaterale Handelsordnung zu stabilisieren. „Ein Zusammenbruch" der Welthandelsorganisation (WTO) sei ein "viel größeres Risiko" für Europa als für die USA oder China.
Schnell reagieren muss laut Expert:innen besonders das Exportland Deutschland: "Der Weg von der Stagnation zur Rezession ist nicht weit und wird gerade wahrscheinlicher. Mit der aktuell in Berlin diskutierten Sparpolitik wird man den weiteren Absturz der Wirtschaft nicht auffangen können. Reformen und Investitionen anstatt Reformen oder Investitionen ist die einzige Antwort", analysiert Carsten Brzeski, ING-Chefvolkswirt, der Deutschland wegen wirtschaftlicher Stagnation und struktureller Schwächen als verwundbarer als zur ersten Amtszeit Trumps sieht.
„Im Falle eines Sieges von Trump würde das internationale Handelssystem mit hoher Wahrscheinlichkeit noch chaotischer werden, als es das derzeit ist", schreibt das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) in einer aktuellen Analyse unter Verweis auf den US-Ökonomen Richard Baldwin.