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Systemwechsel - Vorbereitung für eine zweite Amtszeit von Donald Trump

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US-Präsidentschafts-Kandidat Donald Trump

©Getty Images
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Verschärfter Protektionismus, Anti-Grün, Aushöhlung von Institutionen, Geschäfte nur noch mit loyalen Partnern: Die Vorbereitungen auf eine zweite Amtszeit von DONALD TRUMP laufen auf Hochtouren. Welche Folgen eine neuerliche Präsidentschaft des Republikaners für die europäische und die österreichische Wirtschaft hätte.

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Als Donald Trump am 20. Jänner 2017 seinen Amtseid als US-Präsident ablegte, rätselte die Welt, wie ernst seine bizarren Aussagen aus dem Wahlkampf davor zu nehmen seien. Täglich aufs Neue wurde im Verlauf seiner vierjährigen Amtszeit versucht, seine kryptischen Nachrichten auf Twitter zu deuten sowie zwischen Getöse und Substanz zu unterscheiden.

Diesmal ist es anders. Der Republikaner wird höchstwahrscheinlich Kandidat seiner Partei für die US-Präsidentschaftswahlen im November sein, und er hat laut derzeitigen Umfragen zumindest eine 50-prozentige Chance, gegen den Demokraten Joe Biden zu gewinnen und in das mächtigste Amt der Welt zurückzukehren. Im Unterschied zur ersten Periode bereiten sich seine Strategen, seine Unterstützer und er selbst jedoch penibel darauf vor.

Denn der Start 2017 war chaotisch: Wo die Trump-Gegner im Kongress ebenso wie im Staatsdienst Widerstand leisten konnten, taten sie es. Trump musste sich stark auf präsidentielle Dekrete stützen, so genannte Executive Orders, bis der diplomatische Dienst besetzt war, dauerte es mehr als ein Jahr.

In den USA häufen sich nun Berichte, denen zufolge im Hintergrund dafür gesorgt wird, Bremsen und Stolpersteine vom ersten Tag einer zweiten Trump-Amtszeit an zu minimieren. Das so genannte "Project 2025" der konservativen Heritage Foundation hat ein 900 Seiten langes Papier fabriziert, in dem auch eine künftige ökonomische Agenda skizziert ist.

Ausgearbeitet wurde sie federführend von Peter Navarro, der Trump schon ab dem Wahlkampf 2016 in Handelsangelegenheiten assistierte. Es geht, wenig überraschend, um Steuersenkungen, neue Zölle, Anti-China-und Anti-Grün-Ansagen.

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Es geht auch um Möglichkeiten, wie man das Weiße Haus stärken und die föderalen Institutionen schwächen kann. Über die Besetzungspolitik im siebenköpfigen Board of Governors der Notenbank Fed könnte etwa der Versuch erfolgen, die Zinspolitik stärker mit den Vorstellungen der Regierung zu synchronisieren.

Vor allem aber geht es darum, wie man den potenziell widerständigen Apparat der Karrierebeamten aushebeln kann. Bis zu 50.000 Stellen in Ministerien und Behörden sollen rasch mit Trump-Getreuen besetzt werden können. Wer sich für ein Amt interessiert, kann sich schon jetzt screenen lassen. Voraussetzung: 100-prozentige Trump-Loyalität, Gefolgschaft ohne Wenn und Aber.

Es wäre ein Aushöhlen des Systems der "Checks and balances", wie sie charakteristisch für die US-Demokratie sind. "The Right goes Gaga", titelte das britische Magazin "Economist" soeben über die neuen Nationalkonservativen, die gegen Migration, aber auch gegen Multilateralismus wettern.

Ein zweites Hineinstolpern ins Amt darf es jedenfalls aus Sicht der Machtergreifer in spe nicht mehr geben. Trump sei als Outsider ins Amt gekommen, rekapituliert sein früherer Chefdiplomat in Wien, Botschafter Trevor Traina (siehe auch Interview). Im Fall seiner Wiederwahl "muss es diesmal schneller gehen."

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WAHLWERBER. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden kämpfen 2023 um eine zweite Amtszeit - und um eine Fortsetzung der engen transatlantischen Beziehungen von NATO bis Handelspolitik, wie sie von Donald Trump nun in Frage gestellt werden.

Exportstütze

Amerika-Kenner wie Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, ein Außenhandelsökonom, ziehen aus all dem den Schluss, dass Europa die Zeit bis zur Wahl zur Vorbereitung nützen muss: "Nach vier Jahren Trump haben wir eine Lernkurve hinter uns" (siehe Interview).

Die Essenz der ersten Amtszeit: Der Mann meint, was er sagt, und er will es auch umsetzen. Wenn der Noch-Ex-Präsident in Richtung NATO-Verbündete poltert, er würde sie bei einem Angriff Russlands nicht unterstützen, falls sie nicht ihren finanziellen Verpflichtungen nachkämen, dann sei das nicht Theaterdonner, so Felbermayr. Und wenn er nun mit einem Universalzoll auf alle in die USA eingeführten Waren droht, dann sollten sich die Autohersteller schon einmal wappnen.

Für Österreichs Wirtschaft ist das Thema zentral, weil sie in den letzten Jahren stark auf die USA gesetzt hat. Die Exporte sind in den letzten zehn Jahren um mehr als 75 Prozent gestiegen (siehe Grafik unten). Die konsumversessenen Amerikaner sind für Marken wie Kristallhersteller Swarovski oder Red Bull eine unverzichtbare Stütze des Geschäfts. Den Nachbarn Italien dürften die USA 2023 als zweitwichtigstes heimisches Exportland abgelöst haben.

Noch größer sind die Zuwächse bei den Direktinvestitionen, den so genannten Foreign Direct Investments (FDIs). Der FDI-Bestand österreichischer Unternehmen in den USA hat sich seit 2014 verdoppelt. Produktionswerke, Logistikzentren, Verkaufsstätten - von KTM bis zu den Holzindustriegrößen Binderholz und Kaindl reicht die Liste der Großinvestoren.

Aber auch viele kleinere und mittlere Unternehmen haben den Sprung über den großen Teich gewagt; viele Start-ups sind ohnehin längst auf der ganzen Welt zuhause und suchen Inspiration und Kapital im Silicon Valley.

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Vor dem Hintergrund einer Entwicklung in China, die schwächer war als erwartet, und einer Rezession bei den wichtigsten europäischen Wirtschaftspartnern bietet das Amerika-Geschäft derzeit einen raren Lichtblick. 2,5 Prozent betrug das Wirtschaftswachstum im eben zu Ende gegangenen Jahr, obwohl vielfach eine Rezession prophezeit wurde. Für 2024 sagt der IWF immerhin noch 2,1 Prozent vorher.

Für alle Geschäftsleute stellt sich deshalb nun die Schlüsselfrage, wie es nach den Wahlen weitergeht. Thomas Welser, CEO des gleichnamigen niederösterreichischen Herstellers von Metallprofilen, hat seit 2017 erst einen Vertrieb, dann eine Produktion im Bundesstaat Ohio aufgebaut, er beschäftigt dort 200 Mitarbeiter. Beliefert wird die Automobilindustrie, immer stärker aber auch Non-Automotive-Kunden wie die Photovoltaikbranche. Der Industrielle bleibt vorerst - notgedrungen - zuversichtlich: "Ich glaube nicht, dass Trump die Grün-Bewegung abdrehen wird."

Investments in Klimaschutztechnologien sind unter Biden massiv vorangetrieben worden, zuvorderst mit seinem 369 Milliarden Dollar schweren Inflation Reduction Act (IRA), der erst jetzt seine Wirkung in Gestalt von Windparks, Batteriefabriken für E-Autos oder Solaranlagen zu entfalten beginnt. Diese Dynamik ist in Gefahr.

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SWAROVSKI. Der Luxuskonzern mit Headquarters in der Schweiz und in Tirol setzt nach schwierigen Jahren in China voll auf das US-Geschäft. Zur Eröffnung des neuen Flagshipstores an der Fifth Avenue in New York kam Superinfluencerin Kim Kardashian (M.). Links: Swarovski-Kreativdirektorin Giovanna Engelbert, rechts CEO Alexis Nasard.

Die Biden-Getreuen halten aber noch dagegen. "Vom Präsidenten unterzeichnete Gesetze rückgängig zu machen, ist sehr schwer", sagt Ken Walsh, Leiter der Handelsabteilung der US-Botschaft in Wien: "Dafür würde es höchstwahrscheinlich einen neuerlichen Gesetzesakt des Kongresses brauchen."

Ende Juni wird sich Bidens Botschafterin in Österreich, Victoria Reggie Kennedy, mit einigen Dutzend Unternehmer:innen aus Österreich auf den Weg zum Investment-Gipfel Select-USA im Bundesstaat Maryland machen, um das Interesse an Investitionen zu vertiefen. Motto: Jetzt noch auf Schiene bringen, wofür in den letzten Jahren die Weichen gestellt wurden.

Alternativen gibt es für Welser & Co. zur Zeit ohnehin nicht viel. Dabei kenne er viele traditionelle Familienbetriebe, die eigentlich lieber in Europa bleiben möchten, sagt der Unternehmer. Doch die hohen Energiekosten, die rezessive Grundstimmung und die ausufernde Regulierung, etwa im Zusammenhang mit dem europäischen Green Deal, treibe auch den Mittelstand in die Ferne - und da vor allem in die USA.

Medienphänomen

Politik und Wirtschaft scheinen sich mehr und mehr zu entkoppeln. Von einer "medialen Disruption" spricht Peter Hasslacher, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in New York, im Zusammenhang mit den Warnungen vor Trump II.

Denn eine ökonomische Zerreißprobe sieht der Wirtschaftskammervertreter auf die größte Volkswirtschaft der Welt nicht zukommen. "Die Wirtschaft wächst noch immer, der Optimismus ist ausgeprägt", so Hasslacher. Käme Trump sagen die Wall-Street-Gurus in Erwartung massiver Steuersenkungen bereits eine Börsenrallye voraus. Und selbst die Frage, ob der IRA in Teilen zurückgeschraubt würde, lässt den Delegierten gelassen: "The proof of the pudding is in the eating."

Auch ohne milliardenschwere Subventionsprogramme sei genügend Potenzial da, um auf lange Sicht gute Geschäfte zu machen, meint der WKO-Mann. Gerade im Bereich der Infrastruktur werde jetzt nachgeholt, was über lange Zeit verabsäumt wurde. Und genau in diesem Bereich sieht Hasslacher große Chancen für österreichische Firmen: "Wenn man Jahrzehnte lang keine Straßen und Brücken baut, wer soll sie dann bauen?"

Genau darauf baut etwa der Schalungskonzern Umdasch aus Amstetten, der nach der Übernahme eines Gerüstebauers in Atlanta 2023 in den USA um 17 Prozent gewachsen ist und 750 Mitarbeiter beschäftigt. Auf IRA & Co. ist er weniger angewiesen, sagt CEO Wolfgang Litzlbauer und verweist auf das 1.200 Milliarden US-Dollar schwere "Infrastructure Development and Jobs Act"-Programm, das bis 2028 läuft und von dem die Bauwirtschaft entsprechend profitieren dürfte: "Wir rechnen damit, dass die US-Konjunktur längerfristig anhält."

Aushöhlung

Für Österreichs Wirtschaft sind das nur eingeschränkt Good News. Die von Trump eingeleitete, von Biden fortgesetzte und nun, egal, unter welchem Präsidenten, prolongierte Strategie, auf Teufel komm raus Produktion zurück in die USA zu bringen, ist volkswirtschaftlich ein Problem, sagt Ökonom Felbermayr. Wer eine Fabrik in Übersee baut, statt seine Waren aus den österreichischen Werken zu liefern, sorgt in Übersee für Beschäftigung, Steuerleistung und Wertschöpfung - und nicht zu Hause.

Red Bull und sein Vorarlberger Abfüller Rauch machen es vor: Nach einem Produktionswerk in Arizona wird nun auch ein großes Distributionszentrum in North Carolina errichtet. In den Exportstatistiken sind die Getränkeausfuhren in die USA nun rückläufig.

Setzt Trump seine Drohung um, auf sämtliche Importe künftig einen Universalzoll in Höhe von zehn Prozent einzuheben, beschleunigt er diese Entwicklung.

Das heißt im Übrigen nicht, dass Nordamerika das gelobte Land für Doing Business ist. Hasslacher berichtet von teilweise ellenlangen Genehmigungsprozessen und - entgegen dem gut gepflegten US-Image als Deregulierungsparadies - von enormer Bürokratie. Weil de facto Vollbeschäftigung herrscht, ist die Suche nach Personal derzeit obendrein extrem nervenaufreibend.

Käme Trump erneut zum Zug, würde aber die Maschine, zwischenzeitlich von der Börse befeuert, wohl eine Zeit lang prächtig weiterlaufen.

Mittelfristig werden die Sorgenfalten jedoch tiefer. Wie sich die Abwendung der USA von der Welt - Stichwort Ukraine - auf Demokratie, Sicherheit und in der Folge auf die Wirtschaftsstimmung auswirken würde, ist schwer in einer Excel-Tabelle zur Vorbereitung einer Investitionsentscheidung darstellbar.

Jede Eskalation des Handelskonflikts mit dem Erzrivalen China würde zudem auch die Europäer treffen. Ein noch radikalerer Kurs gegen die Volksrepublik könnte zu einer deutlicheren Abwendung chinesischer Konsument:innen von amerikanischen Produkten führen. In den letzten Wochen meldeten so unterschiedliche Unternehmen wie Nike, Apple und der Kosmetikgigant Estée Lauder schwache Ergebnisse in dem von einer Immobilienkrise verunsicherten 1,3-Milliarden-Einwohner-Land.

Unkalkulierbar bleibt zudem, wie sich der Umstand auswirken wird, dass der innere Trump-Kreis keine moderaten Kräfte mehr aufweist. Trump hat Gläubige wie jene von der Heritage Foundation um sich geschart, die auch Themen wie Handel, Migration, öffentliche Finanzen oder Green Energy definieren werden. Es gibt laut Medienberichten keine mäßigenden Größen mehr, die auf den erratischen Mann einwirken könnten.

Trumponomics bekäme die Welt nun also in der reinen Form - und nicht mehr durch interne "Checks and balances" entschärft. Sollte der Mann mit der charakteristischen Haartolle am 20. Jänner 2025 zum zweiten Mal eine Antrittsrede halten, sind trotz großzügiger Vorbereitungszeit Überraschungen und Ungewissheiten also wieder einmal garantiert.

Die Geschichte ist als Coverstory "The right goes gaga" in trend. PREMIUM vom 23.2.2024 erschienen.
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