Trevor Traina - unter Ex-Präsident Donald Trump Botschafter in Wien. Derzeit Manager in einem auf KI fokussierten Unternehmen.
©trend/Wolfgang WolakDer Tech-Entrepeneur TREVOR TRAINA, unter Donald Trump US-Botschafter in Wien, sieht Trump bereits als „Kryptopräsidenten“, ortet einen Stimmungswechsel im Silicon Valley – und hätte kein Problem mit einem Kanzler Kickl.
Sie haben selbst sechs Tech-Start-ups gegründet, fünf davon wieder verkauft. Was bringt Sie nun zu Tools for Humanity?
OpenAI-Gründer Sam Altman hat mich angerufen und mir die Idee erklärt. Ich hatte, zugegeben, über die Konsequenzen von künstlicher Intelligenz (KI) bisher noch nicht ausreichend nachgedacht. Danach war mir aber klar: Wow, das ist abseits der Politik das einzige Projekt, das wirklich globale Auswirkungen hat. Ich bin jetzt an einem Punkt meiner Karriere, an dem ich nur noch globale, weltverändernde Dinge machen will, ob in der Politik oder in der Wirtschaft. Also sagte ich Sam: Ok, ich bin dabei.
Jetzt bin ich Chief Business Officer der Company. Das kam alles ziemlich unerwartet.
Sie arbeiten an einer digitalen World ID, um Menschen von Maschinen in Zeiten der KI unterscheidbar zu machen. Solche Tools gibt es doch bereits?
KI ist nicht bloß die nächste Stufe des Internets. Es ist größer. Es ist eher wie die zweite industrielle Revolution. Nehmen Sie nur Know-your-Customer-(KYC)-Prozesse, wie sie Banken bisher zur Verifizierung von Kunden benutzen. Heute können Bots KYCs faken, die nationale ID, das Gesicht etc. In einem Szenario, wo die besten Methoden nicht mehr funktionieren, brauchen wir neue. Ironischerweise stammt die Idee von World ID aus demselben Kopf, der uns das KI-Zeitalter beschert hat: Sam Altman (siehe Kasten, unten).
Das Projekt dürfte die Kryptowelt beflügeln. Sie wurden selbst vor einigen Tagen mit dem Satz zitiert, Donald Trump würde ein „Kryptopräsident“ werden, sollte er wiedergewählt werden. Was soll das bedeuten?
Nun, die Situation in den USA ist frustrierend für die Tech-Industrie. Ich habe Trump letzte Woche dargelegt, dass von den 20 weltweit größten Kryptoprojekten 18 nicht in den USA sind. Die derzeitigen Regulatoren, insbesondere SEC-Chef Gary Gensler, verweigern die Definition von Standards. Ohne regulatorischen Rahmen können wir aber nicht agieren. Gensler hat jedes einzige Unternehmen im Universum verklagt, von Coinbase bis zu Ripple. Präsident Biden hat keinerlei Ordnung oder Regeln in den Sektor gebracht. Trump war besorgt, als er das gehört hat, er hat versprochen ein Krypto-Präsident zu werden und die Industrie zurück in die USA zu holen.
Trump will mehr Regulierung?
Die EU hat im Vergleich zu den USA eine sehr vernünftige Regulierung. Auch in Österreich gibt es einen definierten Boden, auf dem Firmen wie Bitpanda erfolgreich agieren können.
Trump würde also auch das Projekt World ID pushen?
Wir haben uns über KI und Krypto unterhalten. Und er hat gesagt: Angenommen, es wird ein Statement von mir veröffentlicht, dass Raketen Richtung Moskau gestartet wurden – wie können die Leute wissen, dass ich das nie gesagt habe? Er denkt bereits über dieselben Dinge nach, über die wir bei World ID nachdenken.
Wie ist in Tech America die Stimmung fünf Monate vor der Wahl?
Es gibt eine erstaunliche neue Entwicklung. Die letzte Bastion für die Demokraten war Silicon Valley. Bei den Tech People war es sehr en vogue, demokratisch zu wählen. Jetzt fällt diese Bastion. Wir haben letzte Woche ein Fundraising-Event für Donald Trump im Herzen San Franciscos veranstaltet. In der Vergangenheit hätte es da jede Menge Proteste gegeben, und wir haben uns mit Polizei darauf vorbereitet. Aber es gab nicht einen einzigen, der protestiert hat. Statt dessen waren dutzende Trump-Anhänger da, die amerikanische Flaggen in der Hand hatten. Für mich war das der Schock meines Lebens – das ist die Wende in Amerika.
Warum ist das so?
Viele Wirtschaftslenker haben sich nun dazu entschlossen, dass sie sich einmischen, weil die Probleme zu groß werden, insbesondere regulatorische und wirtschaftliche Probleme. Sie können und wollen nicht mehr leise bleiben.
Trump wurde am 30. Mai in einem Schweigegeldprozess 34 mal schuldig gesprochen. Das irritiert niemanden?
Keiner, der sich in die Details vertieft, nimmt das Urteil ernst. Es geht um eine Buchhaltungssache, in der es vor zwei Jahren noch nicht einmal um ein Verbrechen ging. Jetzt soll es ein Verbrechen sein. In Amerika nennen wir so etwas einen „Nothingburger“: ein Burger, in dem nichts drin ist. Tatsächlich hat das Urteil Trump enorm geholfen. Er hat mir selbst gesagt, dass er in der Woche danach 400 Millionen Dollar an Wahlkampfspenden eingenommen hat. Sogar meine Mutter unterstützt ihn jetzt, weil sie seine Behandlung unfair findet. Schwarze und spanische Männer unterstützen ihn überproportional, weil sie sich in ihrem Verdacht einer Zwei-Klassen-Justiz bestätigt sehen.
Sie meinen tatsächlich, dass das Urteil ein „political hit job“ ist, wie Trump gesagt hat, ein politischer Anschlag?
Definitiv.
Die Europäer haben eben ein neues EU-Parlament gewählt. Hat der Rechtsruck Folgen für eine transatlantische Partnerschaft unter einem womöglich wiedergewählten Donald Trump?
Die europäischen Wähler sind von denselben Themen betroffen wie die amerikanischen: Immigration, Inflation, Angst vor Jobverlust durch neue Technologien. Wir hatten eine Zeit großer Unsicherheiten, und die Leute haben den Eindruck, dass die gegenwärtigen politischen Führungsfiguren nicht die richtigen Lösungen für Probleme einer sich verändernden Welt haben. In den USA werden wir deshalb vielleicht im November ebenfalls eine große Wende sehen.
Die US-Wirtschaft ist stark unterwegs.
Unglaublich stark.
Warum braucht es da einen neuen Präsidenten?
Als Investitionsstandort sind die USA prächtig, auch dank hoher Staatsausgaben. Aber der Normalbürger ist mit hoher Inflation und hohen Zinsen konfrontiert. Der typische Amerikaner muss jetzt einen Monat mehr pro Jahr arbeiten, um denselben Warenkorb zu bekommen wie vor vier Jahren. Butter, Benzin, Heizungskosten – das betrifft gewöhnliche Wähler.
Das klingt nach Rhetorik der Demokraten von früher: Die Sorge um den kleinen Mann ist im Zentrum der Republikaner?
Komplett. Die Republikaner sind die Arbeiterpartei geworden. Mein Großvater, der so wie ich Botschafter in Österreich war, war Mitglied einer republikanischen Partei, die einen stärker elitären Ruf hatte. Aber heute ist es die Partei der Blue-Collar-Worker. In meiner Nachbarschaft leben viele Milliardäre – fast alle Demokraten. Die Millionäre sind vielleicht auch noch demokratisch. Doch die Arbeiterklasse wählt republikanisch.
Die Republikaner kümmern sich um Immigration, Jobs, Verbrechen, Bildung usw. Vor vier Jahren haben die Demokraten die Wahlen wegen Abtreibung und Covid gewonnen. Jetzt sind diese Themen weniger wichtig.
Viele Leute in Europa erwarten aufgrund seiner bisherigen Äußerungen, dass Trump sich Putin annähern wird, die Ukraine fallen lässt und die NATO schwächt. Ist die Furcht berechtigt?
Trumps Russland-Politik war immer Engagement, nicht Beschwichtigung. Wir US-Diplomaten in Europa haben immer davor gewarnt, sich zu stark von russischem Gas abhängig zu machen. Effektiv haben wir die Nordstream-2–Pipeline gestoppt, die Deutschen wollten sie. Als Trump Präsident war, zog er US-Truppen aus Deutschland heraus und verlegte sie nach Polen und Rumänien. Warum sollten wir Truppen näher zu Russland verlegen, wenn wir Russland helfen wollen? Das Problem an der globalen Sichtweise auf Trump ist, dass zu viel Aufmerksamkeit auf dem liegt, was er gesagt hat, als auf dem, was er getan hat.
Er hat im Februar öffentlich gesagt, falls die NATO-Mitglieder nicht mehr zahlen, dass er nicht garantieren kann, sie gegen Russland zu verteidigen. Was sollte daran nicht zu verstehen sein?
Uns Diplomaten hat er immer gesagt: Tut alles Mögliche, um die NATO zu stärken. Aber davor müssen die Mitglieder auch ihre Beiträge leisten. Viele populistische Politiker sagen oft Sachen, die dann missinterpretiert werden. Als ich Botschafter in Wien war, ging ich jedes Jahr zum ukrainischen Nationalfeiertag – auch weil ich Warnungen der CIA hatte, dass Russland die Ukraine überfallen könnte. Keiner hat uns US-Diplomaten in Europa damals geglaubt.
Unter Trump hätte Putin die Ukraine nicht überfallen? Wollen Sie das sagen?
Es hätte keinen ukrainischen Konflikt gegeben, wenn Trump Präsident geblieben wäre, ja. Er hat ja öffentlich ausgesprochen, dass er Putin gewarnt hat, was passiert, falls Russland die Ukraine angreift. Deshalb hat Putin nicht angegriffen. Zur Erinnerung: Putin hat die Ukraine unter den demokratischen Präsidenten Obama 2014 und Biden 2022 attackiert. War die Welt vor vier Jahren besser? Unter Trump hat es keinen neuen Krieg gegeben. Der IS wurde besiegt. Seitdem hatten wir die Demütigung in Afghanistan, neue Konflikte in der Ukraine und in Israel. Die Welt ist jetzt komplizierter.
Die FPÖ war bei der EU-Wahl in Österreich Nummer eins, bei den Nationalratswahlen im Herbst könnte es wieder so sein. Vor 20 Jahre hätte so ein Ergebnis auch in den USA zu einem Aufschrei geführt. Und heute?
In meiner Senatsanhörung vor meiner Bestellung zum Botschafter in Wien wurde ich genau das gefragt. Ich gebe Ihnen die Antwort, die ich dem Senator gegeben habe: Es ist das Recht des österreichischen Volks, zu wählen, wen es will. Und es ist das Privileg der US-Regierung, mit den demokratisch gewählten politischen Führern Österreichs zusammenzuarbeiten.
Sie hätten also kein Problem mit einem Kanzler Herbert Kickl?
Ich sehe keinen Grund, warum sich unter ihm die transatlantischen Beziehungen verschlechtern sollten. Wir sind alle Erwachsene. Als ich in Österreich war, hatte ich Kontakte mit Politiker aller Parteien. Ich habe die Topmanager von Rauch und Red Bull nach Phoenix, Arizona, geholt, um dort die Errichtung einer großen Fabrik in die Wege zu leiten, in der fünf Milliarden Dosen Red Bull pro Jahr hergestellt werden. Ich bin „Team Austria“.
Werden wir eine Rückkehr von Trevor Traina aus der Welt des Business in die Diplomatie sehen?
Ich liebe die österreichische Wendung dafür: Schau mer mal!
Das Interview ist der trend. edition+ vom Juni 2024 entnommen.
Zur Magazin-Vorschau: Die aktuelle trend. Ausgabe
Zum trend. Abo-Shop