Kamala Harris und Joe Biden bei einem Treffen mit Vertretern der Big-Tech-Companies
©Getty ImagesWie werden die Big Player des Silicon Valley das Duell um die amerikanische Präsidentschaft zwischen Kamala Harris und Donald Trump beeinflussen? Der Wiener Wirtschaftsanwalt und Stanford-Absolvent Robin Lumsden beschreibt, wie sich Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Elon Musk oder Tim Cook positionieren werden.
Zuerst eine historische Bestandsaufnahme: Die Führungskräfte des Silicon Valley haben auch bis jetzt größtenteils eine kritische Haltung gegenüber Donald Trump eingenommen. Tim Cook von Apple (welcher bei meinem Stanford-Abschluss eine Rede für uns Studenten gehalten hat) hat Trumps Einwanderungspolitik, einschließlich des „Muslim Bans“, öffentlich kritisiert. Er betonte die Bedeutung der multikulturellen und multinationalen Vielfalt und die Vorteile, die Apple durch internationale Talente gewinnt.
Ähnlich Mark Zuckerberg von Facebook, der stets die Bedeutung einer offenen und integrativen Gesellschaft betont. Er hat besonders die Auswirkungen auf DACA (Deferred Action for Childhood Arrivals) kritisiert. Facebook stand auch im Mittelpunkt der Diskussionen über Wahlbeeinflussung durch Fake News während der Präsidentschaftswahlen 2016, was zu einer komplex-konfrontativen Beziehung zwischen dem Unternehmen und der Trump-Administration führte.
In dieselbe Richtung hat sich Sundar Pichai von Google positioniert: Auch er hat eben wieder die Bedeutung von Immigranten für die USA, insbesondere für die Tech-Branche, hervorgehoben. Wohl auch aus Rücksicht auf die zunehmend kritischer und selbstbewusster werdende Stimmung – nicht nur, aber auch gerade in seinem Unternehmen: Die Zeiten, in denen die Mitarbeiter großer Tech-Konzerne – zumindest nach außen – bedingungslos hinter ihren Arbeitgebern standen, sind längst vorbei. In den vergangenen Jahren hat der eigenständige Mitarbeiteraktivismus im Silicon Valley an Fahrt aufgenommen.
Bezos, Musk und Vance
Am widersprüchlichsten positionierten sich die zwei größten „Big Player“ der Szene: Auf der einen Seite Amazon-Gründer Jeff Bezos, auch Eigentümer der „Washington Post“, seit Jahren Mittelpunkt der Trump’schen Medienkritik. Bezos hatte sich mehrfach im Widerspruch zu Trump für liberale Werte ausgesprochen, dieser gegen Geschäfts-und Steuerpraktiken bei Amazon.
Ganz anders Elon Musk (Tesla, Space X), angeblich derzeit der reichste Mann der Welt. Er hatte Trumps Wirtschaftsbeirat aus Protest gegen den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen verlassen, finanziert dessen Wahlkampf nun angeblich mit 45 Millionen Dollar monatlich (was Trump dementiert). Meine Einschätzung: Musk ist ein maximaler Opportunist, für den bisweilen sogar die eigenen Wirtschaftsinteressen weniger zählen als die Befriedigung seiner narzisstischen Eitelkeit, und er agiert demokratiegefährdend.
Eine demokratiekritische Haltung bekräftigte auch der neue Running Mate von Trump, J. D. Vance, in einer Fernsehsendung. Wäre er Vizepräsident anstelle von Mike Pence gewesen, hätte er das Wahlresultat nicht akzeptiert. Für die Angeklagten der Capitol-Stürmung kurz danach hat Vance Geld gesammelt.
Trump hat Vance ernannt, als ihm nach dem Schussattentat eine Welle der Sympathie entgegenschlug. Trump setzt mit Vance lieber auf einen möglichen Vize, der seine Perspektiven teilt, statt durch eine breitere Koalition mehr Wählergruppen anzusprechen – wie es zum Beispiel der kubanischstämmige Marco Rubio oder gar seine einstige innerparteiliche Rivalin Nikki Haley getan hätte. Auch der an der Orbán-nahen Corvinus-Uni lehrende Politikwissenschaftler Ralph Schöllhammer, alles andere als ein fanatischer Trump-Hasser, hält die Wahl von Vance für einen – freilich nicht mehr rückgängig zu machenden – Fehler. Trump hält aber offenbar anderes für wichtiger: die Möglichkeit, im Falle eines Wahlsieges sein Vermächtnis zu zementieren.
Das Trumpismus-Manifest
Womöglich über das Jahr 2025 hinaus, für das die ihm nahestehende Denkfabrik Heritage Foundation mit ihrem Chef Kevin Roberts auf über 900 Seiten einen radikalen Plan entwickelt hat, die USA ganz umzuändern, Trumps autoritäre Impulse in konkrete Politik zu gießen. Mit dem Input von mehr als einhundert konservativen Organisationen entwickelte der Vordenker des „Trumpismus“ das Manifest, auf das der „Make America Great Again“-Führer bei einer Rückkehr ins Weiße Haus zurückgreifen können soll. Gewünscht wird eine Revolution patriotischer Eliten von oben gegen „die Globalisten“, die Amerika in Konflikte wie den in der Ukraine verwickelten, um vom angeblich ungebremsten Zustrom von Migranten und dem „großen Bevölkerungsaustausch“ abzulenken. Kein Wunder, dass viele Demokraten (und nicht nur sie) Trump und Vance derzeit einfach „weird“, also seltsam nennen.
Die konservativen frauen- und familienpolitischen Töne von Vance können Trumps Wahlkampf nun aber wirklich schaden: Der heute 40-jährige Vance hatte 2021 in einem Interview mit dem TV-Sender Fox News unter anderen führende demokratische Politikerinnen als „kinderlose Katzenfrauen“ bezeichnet, die unzufrieden mit ihrem Leben seien. Gut möglich, dass Kamala Harris nun auch unter diesem Gesichtspunkt persönlich angegriffen wird. Sie sei doch kinderlos.
Die Antimigrationswaffe wird gegen Harris wohl nicht genutzt werden, höchstens die Antifrauenwaffe, von Trump bereits einmal in Vorwahlkämpfen gegen Hillary Clinton in Stellung gebracht. Kaum wirksam werden wird, ein alter Trick der Republikaner, Demokraten automatisch als zu weich im Kampf gegen Kriminalität und Kriminelle zu brandmarken.
Law-and-Order gestählte Harris
Harris wurde die erste schwarze Bezirksstaatsanwältin von San Francisco und später die erste Justizministerin in ihrer Heimat Kalifornien. Ihr teils harter Law-and-Order-Kurs damals ging manchem Demokraten sogar zu weit. Als sie 2017 in den US-Senat einzog, nutzte sie ihre Erfahrung als Staatsanwältin auch in der Kongresskammer und tat sich bei Anhörungen ein ums andere Mal mit einem harten und effektiven Befragungsstil hervor.
Den würde sie auch bei den kommenden TV-Duellen Trump spüren lassen (das erste wäre für den 10. September geplant, Trump scheint aber kneifen zu wollen): Sie wisse, wie man mit verurteilten Sexualstraftätern und Steuersündern umgehe. Ich habe sie als Senatorin am Campus von Stanford erlebt, gebildet, gepflegt, ohne aggressive Attitüde, justizpolitisch eher konservativ, nahe an „Law and Order“.
Arge Untergriffe von Trumpisten, die Harris gar eine Tätigkeit als Geheimprostituierte andichten wollen, werden wohl eher das Gegenteil des Gewünschten erreichen. Aber tatsächlich halten Experten es nach wie vor für fraglich, ob es erstmals eine US-Präsidentin geben kann. Kamalas Mann Doug Emhoff ist erst relativ spät (2013) in ihr Leben getreten, geht mit dieser Perspektive locker um: Er empfehle Trump, der sich über den Vornamen seiner Frau lustig machen wollte und ihn immer anders (und falscher) aussprach, sie bald einfach „Mister President“ zu nennen.
Noch lange ist es nicht so weit, ich halte Trump nach wie vor für den Favoriten, es wird aber viel knapper als gegen Biden. Und ich möchte an meine Prognose vor wenigen Monaten erinnern: gut möglich, dass Trump als erster Präsident in der Geschichte aus einer Zelle heraus regieren muss.