
Nach dem Aufstand auf der Straße kommt der Protest aus den Chefetagen. J.P. Morgan CEO Dimon warnt vor der „gefährlichsten Lage seit dem Zweiten Weltkrieg“. Auch die Amerikanische Handelskammer in Wien meldet sich zu Wort.
Erste Wall Street-Größen stellen sich offen gegen US-Präsident Donald Trump, den sie in seinem Präsidentschaftswahlkampf noch unterstützt hatten. Jamie Dimon, Vorstandsvorsitzender von J.P. Morgan Chase, zeichnet etwa in seinem gerade erschienenen Brief an die Aktionäre ein Bild von einer Welt am Scheideweg. Dimon warnt vor den jüngsten Zollankündigungen und deren potenziellen Auswirkungen auf die US-Wirtschaft, während er gleichzeitig die geopolitischen Spannungen als das größte Risiko für sein Unternehmen identifiziert und von der „gefährlichsten Lage seit dem Zweiten Weltkrieg“ spricht.
Auch Stanley Druckenmiller, Hedgefondsmanager, früherer Schützling von George Soros und langjähriger Gegner hoher Haushaltsdefizite, äusserte sich auf der Plattform X mit einem seltenen Beitrag: „Ich unterstütze keine Zölle, die zehn Prozent übersteigen.“
Forderung nach kühlen Köpfen
Und Bill Ackman, Gründer des Hedgefonds Pershing Square, warnt in eindringlichen Worten vor dem, was Trump mit seiner Zollankündigung ausgelöst hat. „Der Präsident verliert das Vertrauen der Wirtschaftsführer in aller Welt. Die Folgen für unser Land und die Millionen unserer Bürger, die den Präsidenten unterstützt haben – insbesondere die Verbraucher mit niedrigem Einkommen, die bereits unter großem wirtschaftlichem Druck stehen – werden sehr negativ sein. Das ist nicht das, wofür wir gestimmt haben“, schrieb Ackman auf der Plattform X. Trump müsse am Montag seinen Vorstoß unterbrechen und den Zollvorstoß korrigieren. „Andernfalls steuern wir auf einen selbst verursachten wirtschaftlichen nuklearen Winter zu, und wir sollten anfangen, uns zu verkriechen.“ Ackman schließt mit dem Wunsch: „Mögen sich kühlere Köpfe durchsetzen.“
Kritik aus Österreich
Auch in der heimischen Finanzwelt formiert sich Widerstand. Friedrich Mostböck, Chefanalyst der Erste Bank meint: „Trump hat in den ersten Monaten seiner zweiten Amtszeit mit seinen Zöllen mehr wirtschaftlichen Schaden angerichtet und mehr Aktionärsvermögen vernichtet als jeder andere Präsident zuvor. Kein anderer US-Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg hat in der gleichen Anfangszeit seiner Präsidentschaft so viel Börsenwert vernichtet.“ (Mit Ausnahme Bush Jr. 1, die geplatzte Dotcom-Blase lag aber nicht in seiner Verantwortung.) „Jeder US-Präsident muss die Börse im Auge behalten, sonst wird er bald ein Problem sowohl mit börsennotierten Unternehmen als auch mit den eigenen Bürgern und Wählern Amerikas haben“, mahnt Mostböck.
Der Chefanalyst der Erste Bank sieht in der aktuellen Situation aber auch Chancen für Europa: „Für die Europäische Union jetzt wichtig, die aktuelle Marktschwäche zu nutzen, um die Spar- und Investment Union umzusetzen.“ Die „Savings and Investments Union“ (SIU) ist das Nachfolgekonzept der seit 2014 geplanten Kapitalmarktunion. Privaten Investoren soll der Zugang zum Kapitalmarkt erleichtert werden, um den nötigen Investitionsbedarf von 800 Milliarden Euro für die Europäische Union bis 2030 zu finanzieren. Mostböck dazu: „Eigentlich könnten wir Trump fast dankbar sein, dass er uns die Möglichkeit gibt, die jetzt eindeutig günstigen Preise europäischer Aktien für sinnvolle langfristige Investitionen zu nutzen.“
Angesichts der angespannten Beziehungen zwischen Europa und den USA sah sich auch die Amerikanische Handelskammer in Österreich AmCham zu einer Reaktion genötigt. „Wir müssen angesichts der US-Zölle die transatlan@schen Handelsbeziehungen neu gestalten. Es braucht eine Deeskalation", so AmCham-Austria-Präsident Michael Zettel. Die 50 größten US-Konzerne in Österreich verantworten laut Zettel 2,7 Prozent des heimischen BIPs, schaffen und sichern 148.000 Arbeitsplätze und zahlen 5,1 Mrd. Euro an Steuern und Abgaben in Österreich. Die Interessensvertretung warnt deshalb davor, „die Rahmenbedingungen für US-Konzerne in Österreich zu verschärfen“.
Langfristig unterstützt die AmCham das - zuletzt von Trump-Berater Elon Musk wieder aufgegriffene – Ziel, „ein Freihandelsabkommen mit den USA zu erreichen." Nachsatz: „Kurz- und mittelfristig müssen wir die aktuellen Herausforderungen annehmen."