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Budgetnöte: Pläne zum Schienenausbau problematisch

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Angesichts Wirtschaftskrise und Budgetspardruck müsste auch der Langfristplan zum Schienenausbau massiv überarbeitet werden, warnt WU-Verkehrsexperte Sebastian Kummer. Sonst explodieren die Kosten.

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Im Zuge des größer werdenden Spardrucks werden laut Regierungsprogramm nun auch die bereits fertig ausformulierten Ausbaupläne für den Schienenverkehr in Österreich („Zielnetz 2040“) neu evaluiert. Verkehrsexperte und WU-Professor Sebastian Kummer sieht im Gespräch mit dem trend jedenfalls einen hohen Änderungsbedarf: „Die Finanzierungserfordernisse wurden bisher von ideologischen Wunschvorstellungen über den Bahnverkehr abgeleitet, das ist problematisch.“

ÖBB und Klimaministerium hatten bereits vor einem Jahr das „Zielnetz 2040“ entworfen, um eine möglichst hohe Nachfrage zu generieren. 67 neue Schienen-Projekte bis 2040, eine Aufstockung des Angebots um 60 Prozent auf 255 Millionen gefahrene sogenannte „Zugkilometer“. Die Österreicher sollen ihre Wege dann zu 40 Prozent auf der Schiene erledigen (derzeit: 25 Prozent), der Güterverkehr ebenfalls (derzeit: 31 Prozent). Kummer: „Das geht sich nie aus. Der einzige Effekt so einer Vorgabe wäre der teure Ankauf viel zu vieler Züge, obwohl es völlig illusorisch ist, die Ziele zu erreichen. 

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WU-Verkehrsexperte Sebastian Kummer: „Das geht sich nie aus. Der einzige Effekt so einer Vorgabe wäre der teure Ankauf viel zu vieler Züge, obwohl es völlig illusorisch ist, die Ziele zu erreichen."

Darüber hinaus stellt der Wissenschaftler indirekt das Paradigma des Ausbaus um jeden Preis grundsätzlich in Frage. Weil etwa in Zukunft auch Autos und Lkw im Personen- als auch im Gütertransport auf der Kurzstrecke elektrisch und somit viel ökologischer als früher unterwegs sein werden, falle mittelfristig trotz deren Energieeffizienz ein bisher wesentliches Klimaargument für die Bahn weg. Ähnliches bewirke das autonome Fahren: „Der allzu großzügige Ausbau der Schiene wird obsolet, wenn ich die Pendler viel flexibler mit autonomen, nicht schienengebundenen Fahrzeugen zu den Hauptstrecken bringen kann. Und das wird kommen, das ist nur eine Frage der Zeit und der Zulassung. Die Kosten dafür werden immer geringer.“

Die exzessive Konzentration auf die Verdichtung des Taktfahrplanes – ein dezidiertes Ziel des Zielnetz 2040 – müsse man hinterfragen, weil dadurch die Effizienz des Angebots leide. Einzelne geplante Neubaustrecken, wie etwa eine neue Innkreisbahn (NIB) versteht Kummer grundsätzlich nicht: „Die macht ohne Anbindung in Deutschland kaum Sinn und in Deutschland ist das Projekt auf der Prioritätenliste ganz, ganz weit unten. Manchmal denke ich, dass diese Stecke nur im Plan steht, damit sie herausgestrichen werden kann.“ 

Und auch beim Güterverkehr legt er sich mit den Bahnafficionados an. Um die Konkurrenz zum Lkw abfedern zu können, setzt etwa die Rail Cargo Austria massiv auf flexible Transporte in Einzelwaggons. Kummer: „Wir haben Studien darüber gemacht. Es rechnet sich nie, wenn man mit einer Lokomotive in irgendein Alpental hineinfährt, um einen oder zwei Waggons herauszuholen. Da ist es in vielen Fällen besser, gleich auf Elektro-Lkw umzustellen.“

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Tatsächlich ist Österreich mit 2.160 Zugkilometern pro Kopf bereits Schienen-Spitzenreiter in der EU, Frankreich und Schweden dahinter haben bereits deutlichen Abstand (1.750, bzw. 1.440 Kilometer). Und die von der bisherigen Verkehrsministerin Leonore Gewessler gesetzlich fixierten Ausbaupläne haben alleine in den vergangenen zwei Jahren das langfristige Finanzierungsvolumen für die Schiene um fast 40 Prozent auf über 65 Milliarden Euro in die Höhe getrieben. Die Ausweitung des angebotenen Zugkilometer bedingt auch mehr Subventionen für den Betrieb der Züge (Verkehrsdienstverträge). Auch diesbezüglich steigt das jährliche Finanzierungsvolumen laut Budgetdienst im Parlament von 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2024 auf 1,9 im Jahr 2028 (plus 50 Prozent).

Kummers Resümee: „Man hat den Ausbau der Bahn zu lange nach einem politischen Ziel der Nachfragemaximierung gestaltet, oder nach den Wünschen der Lokalpolitik und das schon lange, bevor es grüne Verkehrsminister gab. Doch langfristig muss man da eine Umkehr machen. Ob es gelingt – da habe ich bisschen Bauchweh. Es ist für Politiker wahnsinnig schwer, davon wegzukommen, wenn sofort der Aufschrei ertönt, dass die ÖBB kaputtgespart werden soll.“

Dieser Artikel erschien in einer Langfassung zunächst in der trend.EDITION vom 21. März.

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