Schon vor den Wahlen im Herbst deponierten österreichische CEO’s ihre Wünsche an eine künftige Regierung. Sie sind beim Start der FPÖ-ÖVP-Koalitionsverhandlungen aktueller denn je.
Die nächste Regierung muss nicht nur das Budget sanieren, sondern über die Legislaturperiode von fünf Jahren hinausdenken – nicht nur budgetär. Das ist die zentrale Forderung vieler Wirtschaftslenker. Porr-CEO Karlheinz Strauss etwa fordert ein Programm, das länger hält als die Regierung: „Wir brauchen einen Zehn-Jahres-Plan!“ Politik, Sozialpartner, Bürger, Wissenschaftler, Wirtschaftspraktiker („ja, ich würde mich zur Verfügung stellen“) sollen sich einbringen, und einmal erarbeitet, sollen sich nach der Vorstellung des Baumanagers dann auch alle Ministerien daranhalten, egal, welcher Couleur der jeweilige Minister oder die Ministerin ist. „Und die Parlamentarier haben ohnehin die Pflicht, zuallererst für Österreich zu arbeiten.“
So wie Strauss fordert auch Karl Christian Handl, Chef des gleichnamigen Tiroler Speckerzeugers und aktueller Präsident der Tiroler Adlerrunde, ein Leitbild, an dem sich die Wirtschaftspolitik orientieren müsse: Stärken identifizieren, stärken und schützen. „Das sollte wie beim European Chips Act sein“, zieht Handl eine Parallele zur europäischen Technologiepolitik, die viel Geld auf klar definierte Zukunftsbereiche konzentriert.
Ob zum Schutz dann auch Protektionismus à la Trump gehört, ist umstritten, ÖBB-Managerin Silvia Angelo ist aber in jedem Fall dafür: „Kanada hat mit Schutzzöllen von 100 Prozent für E-Autos aus China reagiert. Die USA agieren sowieso völlig ideologiebefreit und pragmatisch. Die schauen nur, was ihnen wirtschaftlich guttut.“
Konjunkturimpulse vom Staat
Jedenfalls von den USA abschauen sollte sich Europa, meint Infineon-Österreich-Chefin Sabine Herlitschka, die öffentliche Beschaffung. „Hier kann der Staat mit gutem Beispiel vorangehen, indem er nicht nur die billigsten – sondern die innovativsten und nachhaltigsten Anbieter auswählt“, so Herlitschka: „Dieser Anteil liegt bisher im niedrigen einstelligen Prozentbereich, obwohl rechtlich nicht mehr das Billigstbieterprinzip gilt.“ KMU würden dabei sogar stärker profitieren als große Unternehmen, ist die Managerin überzeugt.
Solche Weichenstellungen würden erst mittelfristig Wirkung entfalten. Wie kann man aber den lahmen Konjunkturgaul wieder zum Wiehern bringen? Ein „grünes Konjunkturprogramm“, wie es Strabag-CEO Klemens Haselsteiner im trend-Interview vorschwebte, muss schließlich finanzierbar sein. Viele Protagonisten der Baubranche und baunaher Sektoren setzen im Mindesten darauf, dass bestehende Förderprogramme nicht sang- und klanglos abgedreht werden. So kämpft der Wärmepumpen-Unternehmer Karl Ochsner derzeit für ein Wiederauffüllen von Fördertöpfen, die wegen des großen Runs von Haus- und Heizungssanierern seit Dezember plötzlich leer sind. „Die Ministerien sind ja nicht unbesetzt", fordert der Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich ein zügiges Handeln der Übergangsregierung.
Pensionssystem reformieren, Kapitalmarktkultur fördern
Ein großes Thema – Zankapfel in den Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos – bleibt eine umfassende Pensionsreform, wie sie etwa Hartwig Löger fordert. Der Chef der Vienna Insurance Group (VIG) rechnete im Herbst gemeinsam mit Erste-Stiftung-Boss Andreas Treichl vor, dass Österreich 13,7 Prozent des BIP für Pensionen ausgibt, deutlich über dem EU-Schnitt. 2023 waren das 65,5 Milliarden Euro. Mit einem Ausgabenniveau wie Dänemark hätte man 26 Milliarden gespart. „Das sind jedes Jahr enorme Summen, die anderswo fehlen. Die Studie soll Grundlagen liefern für eine faktenbasierte Diskussion“.
Die Idee ist, das jetzige Umlageverfahren auch künftig als Grundlage zu haben, aber ergänzt durch ein kapitalgedecktes System. Löger: „Ich hielte es für sinnvoll, dass der Staat sein Pensionssystem zum Teil dahingehend umstellt. Das ist aber eine politische Entscheidung.“
Die Kapitalmarktkultur zu fördern, um bei solchen Vorschlägen nicht prinzipielle Abwehrreflexe auszulösen, bleibt ohnehin ein Dauerbrenner. Aufhorchen lässt die CEO der Erste Bank Österreich, Gerda Holzinger-Burgstaller, mit einem Vorschlag, um die Jugend mit dem Kapitalmarkt vertraut zu machen: „Jedes Kind, das hier zur Welt kommt, erhält vom Staat ein Zukunftsdepot – sagen wir einen Betrag von 1.000 Euro, die am Aktienmarkt investiert werden. Mit 18 Jahren kann der Gewinn dann herausgenommen werden. Ich bin überzeugt, die Jugendlichen würden sich bis dahin intensiv mit dieser Anlage beschäftigen – und daraus viel lernen".
Planungssicherheit und Leistungsorientierung
Vor riesigen Herausforderungen steht die CO2-intensive Industrie. Sie ist zuletzt angesichts sich ständig verändernder Rahmenbedingungen fast verzweifelt. Was Sebastian Heinzel, CEO der Papier- und Zellstoffgruppe Heinzel, folglich von einer neuen Regierung erwartet, ist Verbindlichkeit und Klarheit mit Blick aufs Ganze. „Wir haben alle kapiert, dass wir dekarbonisieren müssen“, so Heinzel, „aber die Rahmenbedingungen dürfen sich nicht alle paar Monate ändern.“ Erst wenn es Planungssicherheit gibt, kann investiert werden, und erst dann können die österreichischen Chancen in der Transformation genutzt werden. Generell brauche es „einen CO2-Preis auf alles“.
Fast unisono schlagen die von trend befragten CEO’s in die Kerbe, dass man die Leistungsanreize wieder erhöhen müsse, um wettbewerbsfähig zu sein. Do&Co-Chef Attila Dogudan brachte das im Interview wie folgt auf den Punkt: „Wenn der Unterschied zwischen Arbeiten gehen und nicht arbeiten ein sehr überschaubarer ist, muss sich die Politik durchringen, das abzustellen – auch wenn es super unpopulär ist.“ Nachsatz: „Gleiches gilt für Homeoffice als Norm-Modell“.