Do & Co- Chef Attila Dogudan: Mehr leisten, überproportional mehr verdienen
©Trend/Lukas IlgnerDer Staat sei nicht dafür da, für den Einzelnen zu sorgen, sagt Do & Co - Chef Attila Dogudan. Die Besteuerung müsse leistungsfreundlicher werden – und Homeoffice könne kein Menschenrecht sein.
Was hat aus Sicht eines weltweit tätigen Unternehmers im Programm der nächsten Regierung unter der Überschrift Wirtschaft zu stehen?
Bevor man das beantwortet, muss man einmal allen Österreichern ins Bewusstsein rücken, wo wir heute stehen. Faktum ist: Wir haben kaum noch Innovationen. Und wir müssen wesentlich effizienter und schneller werden. Das benötigt ein Umdenken beim Thema Arbeit, sonst werden wir am Weltmarkt kontinuierlich verlieren. Wer mehr arbeitet, muss mehr verdienen. Das Gegenteil ist der Fall: Du wirst bestraft, wenn du mehr leisten willst, indem du immer höhere Steuern zahlst. Das ist leider das Grundprinzip bei uns in Österreich – aber auch in Deutschland.
Wo VW jetzt vor Werksschließungen steht …
Die Autokonzerne dort haben Mitbewerber aus China oder etwa Tesla lange nicht ernst genommen, was sich jetzt rächt. So eine Hochnäsigkeit ist typisch für Kulturen, in denen ein besonderer Wohlstand entstanden ist und die Menschen erwarten, dass der Staat diesen endlos garantiert.
Ist ja genau das Versprechen der hiesigen Politik, oder?
Leider ja. Aber der Staat ist nicht dafür da, für den Einzelnen zu sorgen. Das muss jeder Bürger für sich selbst tun. Der Staat muss Rahmenbedingungen schaffen: ein ordentliches Bildungswesen, ein gutes Gesundheitswesen, eine funktionierende Judikatur und eine Grundbasis für jene, die wirklich Hilfe benötigen. In Wahrheit kauft sich Politik aber ihre Wähler: Je mehr ich herschenke, desto besser die Chance, dass ich gewählt werde. Egal, was es kostet. Nur haben wir jetzt nichts mehr zum Herschenken, und ich kann nur hoffen, dass die Menschen das bald verstehen. Es reicht nicht, groß zu plakatieren: „ Arbeit muss sich lohnen“. Da sage ich: Bitte gleich umsetzen! Die Besteuerung muss so gestaltet sein, dass der, der mehr tun will, überproportional mehr kriegt. Vollzeitarbeit muss attraktiv sein, die Förderung der Teilzeitarbeit muss aufhören, außer für Mütter oder Pflegende. Und wer Arbeitsplätze schafft, soll Steuervorteile lukrieren können. Nur wenn sich unsere Einstellung zu Leistung und Arbeit ändert, können wir die Trendwende schaffen.
Salopp ausgedrückt: Wir sollen wieder mehr hackeln?
Das kann jeder für sich entscheiden. Aber wenn der Unterschied zwischen Arbeiten gehen und nicht arbeiten ein sehr überschaubarer ist, muss sich die Politik durchringen, das abzustellen – auch wenn es super unpopulär ist. Gleiches gilt für Homeoffice als Norm-Modell. Es ist okay, dass jemand zu Hause bleibt, weil das Kind krank ist. Aber zwei, drei, vier Tage Homeoffice pro Woche zu fordern, geht nicht. Unternehmen brauchen einen Teamgeist, aber nach Corona ist Homeoffice fast zum Menschenrecht geworden.
Sie haben von einer satten Gesellschaft gesprochen. Ließe sich ohne einen Crash das Ruder herumreißen?
Die Antwort ist eher Nein, würde ich sagen, wenn man die Geschichte der Menschen betrachtet. Die ist geprägt vom Zyklus Krieg, Wiederaufbau, Wohlstand, Dekadenz und wieder Krieg. Jetzt reden wir halt von Wirtschaftskrieg und einer gespaltenen Gesellschaft. Wenn wir daran festhalten, dass es sowieso immer irgendwie weitergeht, wie uns die Politik verspricht, dann wird der Kollaps ganz plötzlich mit einem Schlag kommen – und dann ist es zu spät. Meine Hoffnung wäre: Die Menschen erkennen rechtzeitig, dass der Wohlstand so nicht zu halten ist. Aktuell sehe ich aber wenige Ansätze für eine ehrliche Diskussion über den Zustand des Landes.
Für Politik ist eine Änderung des Mindsets die noch schwierigere Übung als z. B. der Beschluss steuerlicher Maßnahmen ...
Sie könnte damit beginnen, Unternehmertum positiv zu besetzen. Jetzt ist es ja so: Der Unternehmer, der Gewinn macht, ist in der Regel ein Ausbeuter, der seine Leute schlecht bezahlt. Baut er Verlust, ist er zu blöd. Sehr viel Spielraum, es richtig zu machen, hast du da nicht. Ich habe z. B. viele Ratschläge bekommen, als Do & Co zu Corona-Beginn 90 Prozent der Umsätze verlor, lieber Konkurs anzumelden und zuzusperren. Das sagt viel über eine Grundhaltung, die nicht auf die Idee kommt, durchzuhalten und mit Innovation noch stärker zu werden. Genau das würden wir brauchen: Wenn ich zu wenige Autos verkaufe, kann ich Produktionen schließen – oder den Spieß umdrehen und bessere Autos als die Chinesen bauen.
Müsste mehr Vorbild- und Signalwirkung von Politikern kommen?
Klar. Wer traut sich denn, zu sagen, dass Leute, die Arbeitsplätze schaffen und Leistung erbringen wollen, von der Gesellschaft anders honoriert werden müssen als jene, die es nicht tun? Dass sie die Instagram-Stars sein müssen, die die Stimmung im Land drehen? Schon das Wort Leistung in den Mund zu nehmen, ist ja verpönt. Man hat Angst, das könnte Wählerstimmen kostet. Politik ist nicht mehr wie früher: „Ich setze mich für etwas ein, weil ich glaube, dass es richtig ist.“, sondern: „Ich will den Einfluss und die Ämter meiner Partei nicht verlieren.“ Politiker in der Schweiz, die ein einzigartiges Beispiel für eine reife Demokratie ist, schaffen es, das Gemeinwohl über Partikularinteressen zu stellen. Und was passiert? Die Bevölkerung trägt das überwiegend mit.
Do & Co ist weltweit tätig. Wieso läuft es etwa in den USA und in Asien besser als im Großteil Europas?
Das Mindset ist einfach anders, weil der Staat nicht so viel einspringt. Ich will keine amerikanischen Verhältnisse, wo auch eine Schicht, die gar nichts hat, keine Unterstützung kriegt. Aber es braucht bei uns mehr Eigenverantwortung. Die USA erneuern bei Veränderungen immer sehr schnell ihr System. Es hat einen Grund, warum Google, Amazon, Space X usw. in Amerika und nicht bei uns entstehen. Und warum sie Harvard oder Stanford haben – und wir keine Universität unter den Top 100 der Welt. Amerika ist auch für Do & Co einer der großen Wachstumsmärkte. Wenn du dort gut bist, kannst du viel erreichen. Wenn du nicht lieferst, bist du in der Sekunde weg. Das passt zu unserer DNA.
China ist mit einem ganz anderen System trotzdem innovativ.
Ja, weil die Leute Hunger haben auf Erfolg und Wohlstand, der mit Ausnahme einer kleinen Gruppe noch nicht annähernde unser Niveau erreicht hat. Sie schicken ihre besten Köpfe an die Eliteuniversitäten in der ganzen Welt. Und sie arbeiten um 50 Prozent mehr als wir in Europa.
Ihr eigenes Unternehmen läuft trotz der Kritik an den hiesigen Zuständen so gut wie noch nie. Wie kann das sein?
Ja, wir stehen besser da als vor Corona, obwohl das Unternehmen damals innerhalb von Tagen Richtung null Umsatz abstürzte. So zurückzukommen, war schon eine originelle Übung, die in keinem Lehrbuch steht. Wir haben unser Geschäftsmodell noch breiter über viele Länder und unterschiedliche Divisionen aufgestellt. Der einzige Trugschluss war, dass wir dachten, nach zwei Jahren Nichtstun in der Pandemie genug Menschen zu finden, die bei uns arbeiten wollen. Aber der Freizeitgedanke hat sich in dieser Zeit so in den Vordergrund geschoben, dass kaum noch jemand in unserer Industrie – und in der Dienstleistung generell – tätig sein will, weil das Arbeiten am Abend und am Wochenende abgelehnt wird. Der österreichische Staat ist dabei sehr hilfreich – in die falsche Richtung, Also haben wir quasi alle genommen, die weltweit irgendwo verfügbar waren, konnten 6.000 zusätzliche Jobs schaffen und den Umsatz innerhalb von drei Jahren verdoppeln. Laut allen Indikatoren kommen wir in diesem Geschäftsjahr sogar über zwei Milliarden Euro.
Aber das Personalproblem besteht nach wie vor, oder?
Zuletzt ist es eine Spur besser geworden, weil wir für jeden, der einen Job in der Hospitality in Erwägung zieht, als einer der Weltmarkt-Leader die erste Adresse sind. Leicht ist aber nicht: Wenn wir früher auf der Uni fragten, wer zur Formel 1 will, haben sie uns die Tür eingerannt. Heute wollen die Herrschaften zu drei von 22 Rennen, die sie sich selbst aussuchen. Mir ist wichtig, unser österreichisches Erbe nicht zu verlieren, das zum Do-&-Co-Touch gehört und weltweit immer gut funktioniert hat. Daher bemühen wir uns sehr, dass Österreicher zu uns kommen. Sie können dann entscheiden, ob sie in Wien bleiben, nach New York, Los Angeles, London oder nur nach München ins Stadion des FC Bayern gehen wollen. Unser Problem heute ist nicht, einen Kunden zu kriegen, sondern so abzuliefern, wie es von uns erwartet wird. Darum haben wir in vielen Bereichen ein bisschen reduziert, damit wir ja nicht kaputtmachen, wofür wir stehen: nämlich für Premium. Ich könnte locker 20 Prozent Umsatz drauflegen, wenn wir genug Personal hätten und aggressiver am Markt auftreten würden.
Heißt das: Verzicht auf Umsatz zugunsten einer Luxusstrategie?
Zugunsten einer Qualitätsstrategie. Aber ja, in der Welt von Hermès und Louis Vuitton fährt man zweistellige Margen mit einem 3er davor, wir liegen unter zehn Prozent, was super ist für die Branche. Da denke ich mir schon: Auch eine Schokolade vom Demel ist Luxus und muss ihren Preis haben. Mit dem Unterschied, dass unser Luxus immer noch leistbar ist.
Die Pläne, das Retailgeschäft von Do & Co auszubauen, wurden bislang nicht umgesetzt. Warum?
Weil wir nicht gut genug waren und nicht dazu gekommen sind. Wir haben den Konzern so aufgestellt, dass wir jetzt vier Blöcke mit jeweils einer halben Umsatzmilliarde haben: England plus Spanien, Amerika, Türkei, und den Rest Welt inklusive Österreich. Wir sind deutlich resilienter geworden. Für anderes hatten wir weder Zeit und Kraft noch Ressourcen. Aber Retail bleibt Teil der Strategie, weil wir den Anteil des Umsatzes abseits des Airlinecaterings von 30 in Richtung 40 bis 50 Prozent steigern wollen. Der Demel in Wien ist ein gutes Beispiel. Noch vor Öffnung stehen 50 Leute vor der Tür und warten auf einen Kaiserschmarrn. Was heißt das? Du musst es schaffen, deine Marke mit Qualität zu verbinden.
Liegt der Fokus auf eigenen Vertriebskanälen oder auf Kooperationen mit dem Handel?
Vorrangig geht es um die Themen, wie wir mit unseren Marken am besten direkt beim Endkunden landen. Dabei steht Do & Co für beste Gastronomie und Hospitality, Demel für süßen Luxus, Hediard für gehobene französische Feinkost und Henry für eine zeitgemäße Kombination aus Shop und Restaurant, die wir endlich in Schluss kriegen wollen. Das B2C-Geschäft gewinnt in Summe an Bedeutung.
Wie schaut es mit dem künftigen Wachstum aus?
Grundsätzlich sehr gut. Oberstes Ziel ist, die Finanzverbindlichkeiten auf null zu bringen. Im nächsten Geschäftsjahr werden wir nahezu schuldenfrei sein. Das heißt: In der nächsten Krise, die bestimmt kommt, könnten wir zukaufen, weil wir kerngesund sind. Ein Wachstumstreiber sind auch unsere guten, langfristigen Geschäftsverbindungen: Die Formel 1 machen wir seit 33 Jahren, die UEFA seit 25 Jahren, Tennis und Golf auch nicht viel kürzer. Die Kunden sehen, dass sie durch unsere Qualität selbst einen Mehrwert haben. Und auf einmal fragen auch englische Fußballvereine an. Die FIFA hat neu mit uns begonnen. Amerikanische Sportvereine merken, dass sie unterm Strich mehr einnehmen können, wenn sie Hospitality nicht nur mit Chicken Wings und Burger bestreiten. Deswegen glaube ich, dass wir in fünf Jahren schon um die drei Milliarden Euro Umsatz haben werden. Die immer bessere Auslastung der Produktion durch unterschiedliche Kanäle und Marken wird auch der Marge guttun. Voraussetzung ist, dass wir viel in Innovation und die Ausbildung neuer Leute investieren. Die Do & Co Akademie muss zu den besten Ausbildungszentren der Welt zählen.
Kommen wir noch einmal kurz zum Ruf nach mehr Leistungswillen zurück. Es gibt recht laute politische Stimmen, die dagegenhalten, dass eh so viel Geld da ist, aber halt ungleich verteilt. Man müsse nur den Reichen was wegnehmen. Sie waren nie kategorisch gegen eine Vermögenssteuer. Gilt das noch?
Ich finde, man kann per se über alles reden. Dass wir eine große Schere zwischen arm und reich haben, ist eine Tatsache. Ebenso, dass es für eine Gesellschaft extrem ungesund ist, wenn die Mittelschicht erodiert. Wir müssen diesen Zustand verbessern. In Bezug auf eine Vermögenssteuer gibt es aber drei entscheidende Punkte. Erstens: Habe ich ein Vermögen durch viel Arbeit aufgebaut und dabei Jobs geschaffen oder durch Spekulation? Das muss einen Unterschied machen. Zweitens: Eine Vermögensteuer darf nicht dazu führen, dass man Anteile eines Unternehmens verkaufen muss, um die Steuer bezahlen zu können. Drittens darf die Debatte über mehr Steuergerechtigkeit nicht einseitig und polemisch geführt werden. Es ist in Ordnung, Vermögenden etwas mehr wegzunehmen, wenn man sich nicht nur drauf versteift. Das allein wird nichts lösen. Es könnte nur Teil einer umfassenden Systemänderung sein.
Sozusagen ein Beitrag, um das Eis zu brechen?
Genau, ein Beitrag im Rahmen großer Reformen im Steuer-, Arbeitsund Sozialbereich. Kommt einseitig nur die Vermögenssteuer, dann gehen die Reichen halt woanders hin und verlegen ihre Unternehmenszentralen. Für das Geschäftsmodell von Do & Co wäre es völlig wurscht, wo ich sitze. Wir exportieren österreichische Dienstleistung zu 85 Prozent in die Welt. Aber ich will in Wien bleiben und nicht woanders leben, nur weil ich dort weniger Steuern zahle. Ich glaube, das sehen die meisten Unternehmer so. Niemand will von hier weg – außer die gesellschaftliche Grundhaltung schneidet dir die Luft ab und führt dazu, dass du es von hier aus nicht mehr schaffst. Österreich ist eines der wunderbarsten Länder der Welt. Wenn wir wollen, dass es so bleibt, haben wir aber dringenden Handlungsbedarf. Ist eigentlich nicht so schwer zu verstehen.