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Weltkonjunktur 2025: Das Gute liegt so fern

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Aktualisiert
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6 min

So wie 2024 soll die Weltwirtschaft laut World Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds auch 2025 um 3,2 Prozent wachsen – ein stabiles, aber verhaltenes Wachstum, das stark von Boom-Regionen wie Indien, Subsahara-Afrika und Comeback-Kids wie Argentinien beeinflusst ist.

©IWF World Economic Outlook, Oktober 2024
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Die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP finden unter dem Zeichen enormen Budget-Spardrucks statt. Dass die Konjunktur kurzfristig dreht und damit unerwartete budgetäre Spielräume öffnet, ist nicht zu erwarten.

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Deutschland: Hoffen auf den Neuwahl-Effekt

Ausgerechnet die Eurozone, mit der Österreich ökonomisch besonders stark verzahnt ist, wächst im nächsten Jahr laut Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) schwach. Von Österreichs wichtigstem Handelspartner, Deutschland, ist 2025 jedenfalls kein Impuls zu erwarten, selbst wenn sich durch die Bundestagswahlen Ende Februar und durch die Aussicht auf eine neue Regierung, die die ungeliebte „Ampel“ aus SPD, Grünen und FDP ablösen wird, mentale Blockaden lösen könnten. Der frühere Chef des Münchner ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, hält die Krise allerdings nicht für eine, die primär im Kopf stattfindet. „Wir haben kein psychologisches Problem im Sinne von: Wir malen das Bild schwärzer als es ist“, so der renommierte Wirtschaftsforscher zum trend. „Im Gegenteil: Die Leute sehen die Lage noch immer viel zu optimistisch.“ Seine Erwartung: „Österreich kommt wesentlich besser durch die Krise als Deutschland, dessen Chemie- und Autoindustrie stark getroffen sind. Deutschland ist in einer Zange zwischen Trump, der zwar nicht die Autos aus Europa, aber sehr gerne die Autofabriken der Europäer haben will, und der EU mit ihrem Neodirigismus.“

USA: Zölle und drohende Vergeltung

Das konjunkturell Gute liegt 2025 tendenziell fern. Die USA werden eine Wachstumsrate von über zwei Prozent aufweisen. Womöglich wird ein kurzfristiger Trump-Effekt, von den Börsen bereits vorab gefeiert, die US-amerikanische Wirtschaft sogar noch stärker brummen lassen. Der US-Politikwissenschaftler Michael Werz vom Center for American Progress, einem Thinktank in Washington, sieht „kurz- und mittelfristige Antriebsfaktoren“, etwa die Investitionen, die der Inflation Reduction Act (IRA) ausgelöst hat, ein riesiges, vom noch amtierenden Präsidenten Joe Biden initiiertes Wirtschaftsprogramm. Auch eine Lockerung von Finanzmarktregeln durch den neuen, von Donald Trump ernannten Chef der US-Börsenaufsicht SEC könnte eine Zwischeneuphorie auslösen. Doch Werz erwartet nach den ersten Ansagen Trumps in Richtung Mexiko, Stichwort Zölle, einen „gebremsten ökonomischen Austausch“ mit dem südlichen Nachbarn: „Unternehmen sollten da schon einmal eine Risikoprämie einkalkulieren.“ Viele europäische Autofirmen sind mit Werken in beiden Ländern präsent.

Generell sollte die Hoffnung auf einen von Trump ausgelösten Boom die US-Exporteure nicht vorzeitig jubeln lassen, meint Birgit Niessner, Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB): „Wenn sich die USA abschotten, haben wir von diesem Wachstum wenig.“

Im Gegenteil, sollten die angedrohten Zölle – 60 Prozent auf chinesische Importe in die USA, zehn Prozent auf Waren aus dem Rest der Welt – umgesetzt werden, bedeutet das inklusive der folgenden Vergeltungsmaßnahmen eines der größten Risiken für die Weltwirtschaft im kommenden Jahr. Für Österreich rechnet die OeNB in ihrer Mitte Dezember präsentierten gesamtwirtschaftlichen Prognose damit, dass Trumps Zölle 2025 einen Zehntelprozentpunkt Wachstum kosten werden. Die mittelfristigen Folgen, etwa die Umlenkung chinesischer Waren nach Europa und Produktionsverlagerungen, könnten noch gravierender sein.

China & Indien: Überholmanöver

China mit einem sich in den nächsten Jahren weiter abschwächenden Wachstum bleibt in diesem Kontext umso unberechenbarer. Die Immobilienkrise, ihre Auswirkungen auf den Konsum und die schrumpfende Bevölkerung drücken generell auf die Aussichten. Weil im 1,3-Milliarden-Einwohner-Land der Bedarf nach Lebensmitteln wie Fleisch und Milch weiterhin steigt, wächst auch die Abhängigkeit von Importen. Das erklärt teilweise die – historisch kuriose – Konstellation, „dass China den Freihandel verteidigt, während die USA sich abschotten“, befundet USA-Kenner Werz.

Der Star unter den großen Volkswirtschaften der Welt bleibt 2025 aber zweifelsohne Indien, das inzwischen auch bevölkerungsmäßig an der Volksrepublik vorbeigezogen ist. Erwartet wird ein Wachstum, das weiterhin klar über sechs Prozent liegt. Es ist nur noch eine Frage von wenigen Jahren – der IWF rechnet damit schon 2025 –, bis das indische Bruttoinlandsprodukt größer ist als jenes von Japan. „Da geht die Post ab in allen Bereichen“, hat jüngst im trend-Interview Andreas Klauser, CEO des Kranbauers Palfinger, für das Indien-Geschäft seines Unternehmens festgehalten.

Argentinien: Comeback mit Fragezeichen

Mit Spannung wird nach der politischen Einigung auf ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten Anfang Dezember aber auch auf ein Land geblickt, das zuletzt schon fast wie ein Aussätziger behandelt wurde: Argentinien. Nach einer starken Schrumpfung um 3,5 Prozent im laufenden Jahr sagt der IWF nun für das nächste Jahr ein Wachstum von fünf Prozent vorher. Der „Anarchokapitalist“ Javier Milei hat sein erstes Amtsjahr als Präsident somit erstaunlich gut überstanden; in libertären Kreisen wird er bereits als Quasiheiliger verehrt. Argentinien war ebenso wie Indien 2024 Ziel einer Delegationsreise von Noch-Wirtschaftsminister Martin Kocher, um neue Auslandsmärkte zu sondieren.

Diese geringfügig adaptierte Version des Artikels stammt aus der trend.EDITION vom 20. Dezember 2024.

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