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“Wolfgang, es ist vorbei” [Politik Backstage]

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Wolfgang Sobotka präsentiert die Parlaments-Baustelle. Und tritt damit in ein Fettnäpfchen.
Wolfgang Sobotka präsentiert die Parlaments-Baustelle. Und tritt damit in ein Fettnäpfchen.©Wolfgang Sobotka_Facebook
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Wolfgang Sobotka wollte sich im generalsanierten Parlament als “Mister Demokratie” inszenieren. Daraus wird nun nichts: Dank Skandal-Dauerfeuer ist auch in der NÖ-ÖVP die Stimmung gegen ihn gekippt. Schwarze Emissäre suchen ihn zum freiwilligen Rückzug zu bewegen. Andernfalls könnte seine Erfinderin als Parlamentspräsident, Johanna Mikl-Leitner, bald den Stab über ihn brechen.

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Im Redoutensaal in der Wiener Hofburg herrscht diese Woche Schluss-Schluss-Stimmung. ORF-Comedian und Satire-Reporter Peter Klien, mit weißer Perücke notdürftig als Christkind getarnt, sammelt an den letzten drei Parlamentstagen dieses Jahres launige Wortspenden. In den eng bestuhlten Sitzreihen formieren sich Gruppen zu Farewell-Schnappschüssen.

Im Herbst 2017 waren die Mandatare nolens volens aus dem sanierungsbedürftigen Prachtbau des Parlaments an der Wiener Ringstraße in das verwinkelte Ausweichquartier am Wiener Josefsplatz umgezogen. Aus geplanten drei Umbaujahren wurden mehr als fünf, aus projektierten Kosten von 350 Millionen schlussendlich 450. Auf den Gängen der Hofburg wurde in vergangenen Tagen bereits heftig über Vor- und Nachteile der vielen Neuerungen diskutiert. Etwa über nur noch elektronisch zu bedienende Türen im generalsanierten Parlamentsgebäude, das am 12. Jänner auch offiziell seine Pforten öffnet.

Einer freute sich bis kurzem besonders auf den Einzug ins runderneuerte Hohe Haus. Denn für ihn ist das eine doppelte Premiere: Wolfgang Sobotka, Nationalratspräsident.

Sobotka, Parlaments-Bauherr mit dem “Beton-Radiergummi”

Wolfgang Sobotka ist bereits seit Herbst 2017 Nationalrats-Abgeordneter und stieg wenige Wochen später zum Nationalratspräsidenten auf. In beiden Funktionen ist er aber dennoch ein Spätberufener. Sobotka kennt das alte Hohe Haus nur als Gast. Mit den Feinheiten und Untiefen des Betriebs hat er sich erst in den vergangenen Jahren als oberster Bauherr vertraut gemacht.

Das Wort „Bauherr“ nahm er bisweilen wörtlich und suchte dem Baugeschehen derart nachdrücklich seinen Willen aufzuzwingen, dass unter den Bau-Managern bald der gallige Spruch umging: “Der Sobotka glaubt, es gibt einen Beton-Radiergummi.” Sobotka hatte sich während der tückenreichen Sanierung den Ruf erworben, bereits gestartete Umbauten nachträglich über den Haufen werfen zu wollen.

Selbstherrlichkeit als Parlaments-Hausherr wird zum Skandal-Bumerang

Der selbstbewusste Nationalratspräsident reizte zudem den formalen Spielraum, den ihm das Hausherren-Recht als Präsident einräumt, bis an die Grenzen aus. Auch bei der Benennung und Zuteilung von Räumen an die andersfärbigen Klubchefs und Fraktionen fragte der Schwarz-Türkise nicht lange nach, sondern entschied nach seinem Gutdünken.

Unter seinen Vorgängern war es üblich, im Vorfeld zumindest mit den beiden anderen Präsidenten oder allen Fraktionschefs das Einvernehmen herzustellen.

Als dann in hochsensiblen Krisenzeiten ein 33.000 Euro teurer Jahres-Leasingvertrag für einen mit Blattgold-Lorbeerblättern verzierten Bösendorfer-Flügel in der Eingangshalle des Parlaments ruchbar wurde, stand Sobotka auch mit leicht skandalisierbaren Anschaffungen wie diesen alleine da.

Als sich Sobotka dann auch noch am Dach des neuen Parlamentsrestaurants filmen ließ, den luxuriösen Rundumblick sowie die exquisite Küche anpries (siehe Video) und mit einem Glas prickelnden Inhalts gönnerhaft allen Steuerzahlern zuprostete, erntete er ohne jedes Zutun Spott statt Applaus. Das Video wurde mit jeweils mehreren hunderttausend Klicks auf unterschiedlichen Kanälen zu einem negativen Renner.

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Ein solcher mit Blattgold verzierter Luxus-Flügel aus der Bösendorfer-Manufaktur wurde für die Eingangshalle des Parlaments geordert. Kostenpunkt: 33.000 Euro pro Jahr.

 © Bösendorfer / David M. Peters

Hochfliegende Pläne als “Mister Parlament” geplatzt

Allein dieses Vorspiel reichte aus, um Sobotkas hehre Pläne zu konterkarieren. Das niederösterreichische ÖVP-Urgestein wollte den Umzug Mitte Jänner nicht nur entsprechend festlich begehen. Sobotka arbeitet seit Monaten auch an hochfliegenden Plänen, das Haus für Veranstaltungen und Diskussionen zu öffnen, mit einem Parlamentsbus in den Bundesländern Station zu machen, um Wesen und Nutzen des Parlamentarismus unter die Leute zu bringen.

Wolfgang Sobotka wollte sich mit dem Einzug ins renovierte Hohe Haus auch persönlich als “Mister Parlament” oder gar als “Mister Demokratie” neu erfinden.

Weggefährten raten Sobotka dringend, den Rückzug anzukündigen

Die Dissonanzen rund um den Bösendorfer-Flügel, das total missglückte Prost-Video und auch Sobotkas umstrittene Doppelrolle als U-Ausschuss-Vorsitzender und Beschuldigter zeigen breit Wirkung.

Zuletzt hatte Kronzeugen-Anwärter Thomas Schmid auch seine Anschuldigungen des Machtmissbrauchs durch Interventionen in ÖVP-Steuercausen bekräftigt.

Just in den Wochen vor seinem größten Tag als Parlamentspräsident wird Wolfgang Sobotka daher immer öfter von wohlmeinenden Weggefährten freundlich, aber bestimmt ins Gebet genommen. Ein langjähriger und besonders enger Vertrauter formulierte es ihm gegenüber jüngst so: Sobotka solle den Umzug ins neue Hohe Haus dazu nützen, um seinen Widersachern den Wind aus den Segeln zu nehmen und seinen Abgang jetzt ankündigen. Spätestens mit Ende dieser Legislaturperiode sollte er dann auch tatsächlich gehen.

Andere meinen, er würde sich aber auch der ÖVP einen guten Dienst tun, wenn er mit dem Flügge-Werden seines “Umbau-Babys” bereits Ende Jänner seinen Hut nimmt.

Diskrete “Wolfgang, es ist vorbei”-Mission mit verteilten Rollen

Die niederösterreichischen ÖVP-Funktionäre, die Sobotka in den vergangenen Wochen aufsuchten, argumentieren alle in die gleiche Richtung: “Wolfgang, Du hast es verdient aufrechten Ganges Deinen Abschied selber anzukündigen und erhobenem Hauptes selber zu gehen. Du hast es nicht verdient, Dich als Sündenbock abmontieren zu lassen.

Sie sagen alle von sich, Sobotka mehr als wohlgesonnen zu sein. “Nur diejenigen, die es nicht gut mit ihm meinen, sagen er solle dem Druck nicht nachgeben und bleiben”, merkt einer aus dieser Gruppe sarkastisch an.

Diese ÖVP-Funktionäre wissen zum Großteil voneinander und ihrer diskreten Mission, behaupten aber, ohne Auftrag “von oben” oder irgendwelchen Dritten zu handeln. Was sie sicher zu wissen glauben: Die Stimmung in Sobotkas politischer Heimat, der ÖVP-Niederösterreich, ist dabei, sich massiv gegen ihn zu drehen.

“Sobotka hat das Backup der niederösterreichischen ÖVP nicht mehr”

Die Vorwürfe gegen ihn und sein Verhalten als Präsident zeigen auch bei unseren Funktionären Wirkung. Wenn einer zum siebten oder achten Mal am Stammtisch auf den Sobotka schief angeredet wird, dann kippt auch in der eigenen Partei die Stimmung”, resümiert ein Sobotka-Weggefährte: “Die niederösterreichische ÖVP war sein Backup. Das hat er nicht mehr.

Die nüchterne Prognose des ÖVP- und Sobotka-Kenners: “Wir haben mit Niederösterreich, Salzburg und Kärnten 2023 drei Landtagswahlen, wo es nicht rosig für uns ausschaut. Wie immer, wenn etwas daneben geht, sucht man Schuldige, sucht den Fehler bei anderen. Es gibt dann eine Diskussion, die sich verselbständigt.” Seinen gutgemeinten Rat hat er seinem Parteifreund auf dem Parlamentspräsidenten-Sessel auch persönlich überbracht: “Diese Diskussion sollte sich Wolfgang Sobotka ersparen.

Der streitbare ÖVP-Nationalratspräsident wird mit Anfang kommenden Jahres 67 Jahre alt. Sich längstens 2024 aus der Politik Richtung Ruhestand zurückzuziehen, wäre bei vielen anderen kein Thema. Weggefährten glauben aber zu wissen, dass “der Kämpfer” weitermachen und angesichts des wohl anhaltenden Gegenwinds für ÖVP 2024 “Jetzt erst recht” wieder kandidieren will.

Spätestens dann muss Sobotka mit härtestem und offenem parteiinternem Widerstand rechnen. Das “Sündenregister”, das ihm schon nach den verlorenen ÖVP-Wahlgängen – beginnend mit dem in Niederösterreich am 29. Jänner – vorgehalten werden könnte, muss erst gar nicht lange aufbereitet werden.

Der “Umsetzer” ist in der Rolle des ruhenden Pols nie angekommen

Sobotkas größte Crux: Der ehemalige Musik- und Geschichtslehrer, langjährige niederösterreichische Landespolitiker und Ex-Innenminister ist im Amt des Parlamentspräsidenten nie angekommen.

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Der APA/OGM Politiker-Vertrauensindex vom November 2022: Wolfgang Sobotka ist auf den letzten Platz gerutscht.

 © APA/OGM

Die meisten Vorgänger haben dank der Aura der Funktion an Ansehen und Sympathie gewonnen. Sobotka hat jedoch vom Posten des Zweiten Mannes im Staat nicht nur noch mehr polarisiert. Er teilt sich im Moment mit FPÖ-Chef Herbert Kickl auch den ultimativen Kellerplatz in Sachen Beliebtheit im APA-OGM-Politiker-Ranking.

Die nach einem ausgleichenden Charakter verlangende Repräsentations-Funktion war freilich alles andere als sein Wunsch-Job. Dabei lebte er nach dem ÖVP-Wahlsieg in dem Glauben, sich endlich etwas wünschen zu dürfen. Denn seinen Traum, seine Karriere als niederösterreichischer Landeshauptmann zu krönen, hatte ihm Erwin Pröll zunichte gemacht. Der NÖ-Landesfürst machte den Platz nicht nur erst nach 25 Amtsjahren frei. Pröll zog dem ewigen Kronprinzen und getreuen Finanzlandesrat Sobotka auch Johanna Mikl-Leitner vor.

Der Waidhofner Ex-Bürgermeister wurde stattdessen von Pröll nach Wien abkommandiert, um Mikl-Leitners vorherigen Job als Chef des Innenministeriums zu übernehmen.

In seinem Ausgedinge machte sich Sobotka allerdings als “Abrissbirne” der ungeliebten rot-schwarzen Koalition beim ehrgeizigen Außenminister und ÖVP-Kronprinzen Sebastian Kurz bald unentbehrlich. Sobotka gehörte nie zum engsten Kreis um Kurz, hatte aber als einziger aus der Generation 60plus einen Fixplatz in der türkisen Jungspund-Truppe.

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Sebastian Kurz und Wolfgang Sobotka im August 2017: Der damalige Innenminister war der einzige aus der ÖVP-Generation 60plus, der einen Fixplatz in der türkisen Jungspund-Truppe hatte.

 © APA/HERBERT PFARRHOFER

Kurz wollte Sobotka in die ÖVP-Zentrale abschieben, Mikl-Leitner machte ihn zum Präsidenten

Als es nach Kurz’ erster siegreicher Wahl 2017 aber ans Verteilen von Macht und Posten ging, fand sich für den willfährigen Sprengmeister von Rot-Schwarz über Nacht plötzlich kein Platz mehr an der türkisen Sonne. Der Kurz-Jünger im Frühpensionsalter passte nicht ins hippe türkise Regierungs-Design. Der alerte Jung-Kanzler suchte Sobotka mit den salbungsvollen Worten so abzuspeisen: “Mach’ für mich bitte den ÖVP-Generalsekretär.

Ein Titel ohne Mittel, der damals allein darin bestand, die ÖVP-Funktionäre lautlos auf türkise Linie zu bringen und dem One-and-Only-Hero Sebastian Kurz keine Sekunde die Show zu stehlen. Eine Rochade, die Sobotka tief gekränkt als Degradierung ansah. Glück im Unglück für Sobotka: Mit der geplanten Postenbesetzung konnte und wollte sich auch die neue starke Frau in Niederösterreich und der gesamten ÖVP nicht anfreunden – wenn auch aus ganz anderen Gründen. Johanna Mikl-Leitner ließ ihren politischen “Ziehsohn” aus gemeinsamen Tagen – er ihr Integrations-Staatssekretär, sie im Innenministerin – wissen: “Man kann doch einen 61jährigen nicht zum Zeichen des Neuaufbruchs in der Partei erklären”.

Mi-Lei setzte am Wochenende vor der Regierungsangelobung im Dezember 2017 durch: Sobotka wird nicht auf einen glanzlosen Parteimanager-Job abgeschoben, sondern mit dem prestigeträchtigen Amt des Nationalratspräsidenten abgefunden.

NÖ-Landeshauptfrau kritisiert intern Sobotkas “instinkloses” Agieren

Wenn Sobotka auf den Rat seiner Freunde nicht hört, könnte es am Ende dazu kommen, dass diejenige, die ihm den Job verschafft hat, ihm diesen auch wieder nimmt.

Die niederösterreichische Landeshauptfrau macht im kleinen Kreis in den letzten Wochen kein Hehl daraus, dass sie mit dem “instinktlosen” Agieren ihres Landsmannes vor allem rund um das vergoldete Klavier und das Zuprost-Video alles andere als glücklich ist.

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"Prost!" Sind die Tage von Wolfgang Sobotka in der Spitzenpolitik gezählt?

 © facebook.com/wolfgangsobotka.at

Sobotka hält sich noch bedeckt, aber “es arbeitet in ihm”

Einen Abgang in Unehren wollen Kenner des Innenlebens der niederösterreichischen ÖVP dem schwarz-türkisen Nationalratspräsidenten so mehr denn je ersparen. Denn Wolfgang Sobotka, der sich mit seinem bulligen Auftreten oft selbst im Weg steht, genießt unter Vertrauten einen Ruf, der sich Außenstehenden nur schwer erschließt. “Er ist belesen, gescheit und ein Visionär. Gleichzeitig aber auch grenzenlos loyal”, sagt ein enger Vertrauter und einflussreicher NÖ-ÖVP-Strippenzieher: ”Seine jetzige Rolle, das Parlament zu repräsentieren und zu verteidigen, ist ihm aber nicht auf den Leib geschrieben. Er war immer ein Umsetzer."

Wolfgang Sobotka selbst, sagt ein enger Vertrauter, hat sich zum dringenden Rat, seinen Abgang jetzt zumindest zu avisieren, noch nicht eindeutig geäußert: “Er hat eigentlich reagiert wie immer: Er lässt sich noch nicht in die Karten blicken. Ich weiß aber, es arbeitet nun in ihm. Ich hoffe, dass er sich zu seinem Besten entscheidet.

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