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"Zauberlehrlings-Syndrom" am Ballhausplatz [Politik Backstage]

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Familienministerin Susanne Raab und Gesundheitsminister Johannes Rauch stellen die neuen "Maßnahmen gegen Kinderarmut" vor. Der "Kinder-Tausender" ist die jüngste Unterstützungsmaßnahme der Regierung und soll sozial bedürftigen Familien Hilfe leisten.
Familienministerin Susanne Raab und Gesundheitsminister Johannes Rauch stellen die neuen "Maßnahmen gegen Kinderarmut" vor. Der "Kinder-Tausender" ist die jüngste Unterstützungsmaßnahme der Regierung und soll sozial bedürftigen Familien Hilfe leisten.©APA/EVA MANHART
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Auch in Regierungskrisen mehrt sich die Einsicht, dass mit den milliardenschweren Geldspritzen die Inflation zusätzlich angeheizt wurde. Kurzfristig wurden sogar Sachleistungen als Alternative überlegt. Mit dem "Kinder-Tausender" will die Regierung nun "zielgerichteter und nicht inflationsanheizend" intervenieren.

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Die jüngste in der Regierung zählt offenbar zu den Frühaufstehern. Es ist Mittwoch 7:45 Uhr, als Jugend-Staatsekretärin Claudia Plakolm das Kanzleramt betritt und forschen Schrittes ihr Büro aufsucht.

Auch im Leopold Figl Saal und im Kongresssaal vis a vis der Kanzler-Räumlichkeiten tummeln sich um die frühe Stunde mehr Menschen als gewohnt. Der Bundespressedienst hat für 8 Uhr früh zu einem Pressefoyer geladen. Dieses findet diesmal nicht nach, sondern drei Stunden vor der wöchentlichen Regierungssitzung statt. Zum Termin wurde kurzfristig eingeladen. Derartige Breaking-News-Meetings signalisieren in der Regel außergewöhnliche Neuigkeiten oder Dauer-Alarm-Zustand. In der Pandemie-Zeit waren sie Teil der Dramaturgie.

Der dieswöchige Frühstart der mitteilungswilligen Minister war jedoch schlicht dem dichten Kalender eines der Beteiligten geschuldet: Der grüne Sozialminister Johannes Rauch, der gemeinsam mit ÖVP-Familienministerin Susanne Raab vor die Medien trat, wurde an diesem Mittwochvormittag bereits dringend bei einer Konferenz der Landesgesundheitsreferenten im burgenländischen Pamhagen erwartet – einer Zusammenkunft, die angesichts des gerade anlaufenden Milliarden-Pokers um die Neuverteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden alles andere als ein Routine-Termin ist. Bei den Finanzausgleichs-Verhandlungen steht in Sachen Megakrise des Gesundheits- und Spitalssystems nicht nur das politische Prestige von Rauch auf dem Spiel.

Minister "Mission impossible" Johannes Rauch

Der 64jährige Vorarlberger, der im März des Vorjahrs das Himmelfahrtskommando des Pandemie-Ministers von Wolfgang Mückstein übernahm, hatte bald nach Amtsantritt mit der Teuerungsexplosion eine neue Mission impossible am Hals.

Der Vorarlberger, der im Regelfall im Kammerton auftritt und so auch Beruhigung in die aufgeregte Corona-Debatte brachte, wird freilich auch intern emotionell, wenn es um soziale Fragen geht.

“Ich will nicht hinnehmen, dass sich ein Drittel der Leute vom Glauben an die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abmelden und irgendwelchen Protestgruppen oder Verschwörungstheoretikern nachlaufen, nur weil sie das Gefühl haben, dass sich niemand um sie kümmert”, proklamiert Rauch wo immer kann: "Die Politik darf denen, die nicht in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und ständig mit ökonomischen Notlagen beschäftigt sind, nicht das Gefühl vermitteln: Denen ist es eh komplett wurscht."

Der soziale Flügel der Grünen rund um Vizekanzler Werner Kogler, Klubchefin Sigi Maurer und Sozialsprecher Markus Koza, hat mit Rauch eine schwergewichtige Verstärkung gefunden.

Die Stunde des sozialen Flügels bei Türkis & Grün

In den ersten Monaten der Teuerungskrise haben sich der soziale Flügel der Grünen und jener der ÖVP, angeführt von Klub- und ÖAAB-Chef August Wöginger, immer wieder sehr rasch gefunden: Anti-Teuerungs-Bonus für Familien und Pensionisten, Valorisierung der Sozialleistungen, eine zusätzliche Familienbeihilfe und vieles andere mehr. Unter Einrechnung der ökosozialen Steuerreform und der Abschaffung der kalten Progression kommen die internen Regierungsrechnungen auf eindrucksvolle 40 Milliarden Euro, die seit Start des Inflations-Hochs ausgeschüttet wurden und werden.

Bilanz der Geldspritzen-Politik mehrfach ernüchternd

Die politische und ökonomische Bilanz blieb bisher allerdings ernüchternd. Die Regierungsparteien wurden trotz des Milliarden-Geldregens bei allen Wahlgängen mit schweren Misstrauensvoten abgestraft.

Wirtschaftsforscher sehen den Geldregen zunehmend als gefährlichen Inflationstreiber. “Es ist ja angesichts voller Gasthäuser und sehr guter Buchungslagen im Tourismus mit freiem Auge zu sehen. Man darf es derzeit aber nicht laut sagen: Auch alle objektiven Daten besagen, es wird derzeit überdurchschnittlich viel Geld ausgegeben, von vermehrten Reisen bis hin zu Konsumgütern”, sekundiert ein hochrangiger ÖVP-Mann unter vier Augen.

Banken registrieren Handy-Boom

Dazu kam, dass Anfang des Jahres in Regierungskreisen nach Gesprächen mit Spitzen von Bank-Instituten die Einschätzung umging: Ein Teil der Teuerungshilfen und diversen Boni sei im Vorjahr umgehend auf den Konten von Handy-Firmen gelandet.

Danach wurden Anfang des Jahres regierungsintern eine Zeitlang auch Pläne gewälzt, Teuerungshilfen nicht mehr direkt aufs Konto zu überweisen, sondern auf Sachleistungen überzugehen. Eine Überlegung, die angesichts praktischer Hürden aber bald wieder schubladisiert wurde.

Finanzministerium steigt auf die Budget-Bremse

Das Finanzministerium steigt nun regierungsintern immer öfter beim Begehr nach neuen breitflächigen Inflationsdämpfern auf die Bremse. Auf den Titelseiten der "Kronen-Zeitung", die vor allem im ÖVP-Sektor auf der Regierungsbank nach wie vor als wichtigstes Stimmungsbarometer gewertet wird, hagelte es zuletzt so eine Negativ-Schlagzeile nach der anderen. Motto: Zwei Gipfel, eine Nationalrats-Sondersitzung innerhalb von zehn Tagen, in Sachen der Teuerung aber null konkreter Niederschlag an der Supermarkt-Kassa oder am Bankkonto.

Berichte von steigendem Zulauf zu Sozialmärkten und Vorsprachen in Sozialhilfe-Organisationen wie der Caritas fanden zudem überdurchschnittlich großen medialen und politischen Niederschlag.

"Kinder-Tausender" als Antwort auf massiven medialen Druck

Dieser massive Druck stand schließlich Pate für jenes neue Hilfspaket, das Johannes Rauch und Susanne Raab Mittwochfrüh präsentierten: 60 Euro pro Monat für jedes Kind in Haushalten von Beziehern von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe oder Ausgleichszulage bis Ende 2024. Der gleiche Betrag geht auch an Alleinerziehende, sofern ihr Einkommen unter 2.000 Euro brutto pro Monat liegt.

Schlagzeilenaffine Regierungs-Kommunikatoren wollten dem 500 Millionen Euronschweren Teuerungs-Hilfspaket nach einer Daumen-mal-Pi-Rechnung den plakativen Namen “Kinder-Tausender” geben. Weder Rauch und Raab machten freilich von diesem Slogan Gebrauch.

Im Vorfeld der jüngsten Geldspritze der Regierung hatte es intern vor allem ein Tauziehen um Umfang und Adressaten des Pakets gegeben. Die ÖVP, die sich nach wie vor gegen eine Anhebung des Arbeitslosengelds stellt, hatte keine Freude mit dessen "Anhebung durch die Hintertür", so ein ÖVP-Mann. Die Grünen wiederum hätten die Chance gerne genutzt, den Kinder-Tausender dauerhaft zu verankern.

“Die Regierung wird die Geister der Geldspritzen nicht mehr los. Sie unterliegt dem Zauberlehrlings-Syndrom”, resümiert ein Wirtschaftsexperte aus dem Beraterumfeld im Regierungsviertel: “Sie ist schon zu Beginn der Anti-Teuerungs-Maßnahmen falsch abgebogen. Sie hat sich nicht für die Bekämpfung der Inflation bei den Energiepreisen und Mieten, sondern für Geldgeschenke entschieden und wurde damit selber zum Preistreiber.”

Der Sozialminister sprach Mittwochfrüh den auch regierungsintern längst umgehenden Befund in Zeiten selten offenherzig an: ”Wir nehmen die Kritik an, zielführender und nicht inflationsanheizend zu sein.”

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