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Gerhard Zeiler: „Yes we can“

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14 min

Gerhard Zeiler, Österreichs erfolgreichster Manager im Ausland.

©trend / Lukas Ilgner
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Der Präsident von Warner Media International, Gerhard Zeiler, über Trumps neues Amerika, Tech-Milliardäre im Schlepptau des Präsidenten, warum Europa stärker ist als viele meinen. Und wie ein Kanzler namens Herbert Kickl doch noch verhindert werden könnte.

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Der frühere Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat gesagt, er habe sich bei der Inaugurationsrede von Donald Trump gleich einmal ein Viertel einschenken müssen. Sie sich auch?

Gerhard Zeiler

Ich kann Michael Häupl ja verstehen, aber ehrlich gesagt ist die Sache zu ernst, um sich darüber lustig zu machen. Die Frage ist, was wird Trump 2.0 bringen, was wird er für den Großteil der Amerikaner und was für den Großteil der Welt bringen? Er redet vom „Goldenen Zeitalter für die USA“. Formulieren wir es vorsichtig: Skepsis ist angebracht.

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Was kann man denn nach den ersten Tagen im Amt schon zweifelsfrei feststellen? Ist es nur eine reine Leadership-Show oder zeigt es schon die generelle Richtung, in die es gehen wird?

Gerhard Zeiler

Natürlich ist es eine Show, eine, die er perfekt beherrscht. Er zeigt damit Stärke. Das ist etwas, was die Amerikaner von ihrem Präsidenten erwarten. Und das ist vor allem ein Unterschied zu dem, wie sich Joe Biden in den letzten zwei Jahren präsentiert hat. All das, was Trump im Wahlkampf angekündigt hat, wird er auch versuchen umzusetzen. Ob ihm alles gelingt, hängt auch davon ab, ob sich die Institutionen seinem Willen beugen werden oder nicht.

Zur Person

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Trump kann mit den Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus quasi durchregieren. Werden die berühmten amerikanischen „Checks and Balances“ halten? Der Verfassungsgerichtshof ist auch mehrheitlich konservativ besetzt.

Gerhard Zeiler

Feststeht, dass er seine Macht austestet und Grenzen verschiebt. Das sehen wir schon nach einer Woche am Beispiel, das Recht auszusetzen, dass jeder in den USA geborene Bürger automatisch die Staatsbürgerschaft erhält. Diese Executive Order wurde von einem Richter aber schon 48 Stunden später mit der Begründung ausgesetzt, das widerspreche ganz klar der Verfassung. Es ist anzunehmen, dass die Causa zum Supreme Court geht. Wenn er damit erfolgreich ist, wird er versuchen, auch andere Bestandteile auszuhebeln. Zum Beispiel jene, wonach ein Präsident nur zwei Amtszeiten regieren darf. Er lässt eben auf allen Gebieten Testballons steigen.

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International lässt er auch schon die Muskeln spielen. Das wird wohl das Muster seiner zweiten Amtszeit werden, das endgültige Ende einer regelbasierten Weltordnung, zurück zur Großmächtepolitik des 19. Jahrhunderts.

Gerhard Zeiler

Ja, Deal-Politik löst wertebestimmte Politik ab. Egal ob Freund, Alliierter oder Feind, amerikanische Interessen stehen immer an erster Stelle. Das sieht man am besten an seiner Handelspolitik mit den massiven Androhungen von Zöllen. Er hat mit Mexiko und Kanada begonnen, China und die EU werden folgen.

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Wobei das teils populistischer Nonsens ist. Bei den verflochtenen Volkswirtschaften USA, Mexiko und Kanada verteuern hohe Strafzölle die Produkte vor allem für US-Bürger massiv.

Gerhard Zeiler

Das birgt tatsächlich eine große Inflationsgefahr in sich. Aber er hat seiner MAGA-Basis und den Globalisierungsverlierern unter ihnen das Versprechen abgegeben durch die Androhung von signifikanten Zöllen Arbeitsplätze in die USA zurückzubringen. Dieses Versprechen wird er halten müssen, auch wenn sich alle Ökonomen einig sind, dass dies negative wirtschaftliche Konsequenzen zur Folge haben wird.

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Eine der erstaunlichsten Entwicklungen ist die Hinwendung der Tech-Milliardäre zu Trump. Wie erklären Sie sich das? 

Gerhard Zeiler

Einige dieser Milliardäre waren ja noch im Wahlkampf 2020 Unterstützer der Demokraten. Der Grund für diesen Wandel ist einfach: Es geht schlicht ums Geschäft und darum nicht auf der Liste von Trumps Gegnern zu stehen. Viele dieser Tech-Firmen benötigen Lizenzen für einige Ihrer Geschäfte, wollen so wenig Regulierung wie nur möglich und wollen auch bei öffentlichen Aufträgen zum Zug kommen. Und man möchte auch, dass Trump und seine Administration den Firmen zu Hilfe kommt, um etwa Strafzahlungen der EU aufgrund wettbewerbswidrigen Verhaltens zu verhindern.

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Joe Biden hat in seiner Abschiedsrede davor gewarnt, dass die USA auf dem Weg in eine Oligarchie seien. Richtig oder falsch?

Gerhard Zeiler

Es ist auf jeden Fall ungewöhnlich, dass der reichste Mann des Landes (Elon Musk, Anm.d. Red.) jetzt die Verantwortung über die meisten Regierungsausgaben hat, obwohl seine Firmen sehr viele Aufträge und Förderungen von der Regierung bekommen. Das würde in anderen Ländern zumindest mit großem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. Und es ist verglichen mit der bisher gelebten amerikanischen Praxis der Gewaltentrennung von Exekutive, Legislative, Justiz und freien Medien ein eindeutiger Bruch.

„Wir als Europa sind stark, wir können auf eigenen Beinen stehen.“

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Was kann Europa Trump entgegenhalten? Der US-Ökonom Kenneth Rogoff meint, Europa wäre in einem schrecklichen Zustand.

Gerhard Zeiler

Es gibt nur eine einzige Frage, die die EU entscheiden muss: Wollen wir uns künftig wie eine Großmacht verhalten? Wirtschaftlich können wir es sein. Oder will jeder für sich allein versuchen, Deals mit Amerika zu machen? Eines ist ganz klar: Weder Trump noch Putin noch Xi wollen ein starkes Europa. Aber wir haben es in Europa selbst in der Hand. Wir sind stark. Wir können auf eigenen Beinen stehen, sowohl wirtschaftlich als auch verteidigungspolitisch – wenn wir es nur wollen. Ein zweiter Punkt ist auch wichtig: Wir müssen Großbritannien zurück nach Europa bringen. Das wird jetzt nicht sofort ein neuerlicher Beitritt zur Union sein können, aber die wirtschaftlichen Verbindungen müssen so eng wie nur möglich gestaltet werden. Europa braucht Großbritannien genauso wie Großbritannien Europa braucht.

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Trump versucht auch hier zu spalten. Italiens Giorgia Meloni war bei der Inauguration und ist Trumps engste Verbündete in Europa. Auch andere europäischen Regierungschefs kochen ihr eigenes Süppchen.

Gerhard Zeiler

Bis dato hat Italien im Gegensatz zu Ungarn und der Slowakei immer eine sehr proeuropäische Haltung eingenommen. Ob sich Meloni persönlich mit Trump und Musk gut versteht, ist eine andere Geschichte. Das tut nichts zur Sache. Es geht um Europa. Das wäre ja das Brandgefährliche an einem Kanzler Kickl, der gemeinsam mit Viktor Orban und Robert Fico die Regierungsfähigkeit und Einheit der EU ständig einem Belastungstest unterziehen würde.

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Aber insgesamt sind Sie, was Europa betrifft, gar nicht so pessimistisch.

Gerhard Zeiler

Es geht vor allem um zwei Dinge. Erstens müssen wir in unsere Verteidigungsbereitschaft investieren, weil wir uns nicht mehr nur auf die USA verlassen können. Das ist aus sicherheitspolitischen Gründen notwendig, denn Russland unter Putin ist eine Gefahr für Europa. Es werden keine fünf Prozent der Staatsausgaben sein, aber annähernd drei Prozent werden es schon sein müssen. Und zweitens müssen wir etwas für unsere Wettbewerbsfähigkeit unternehmen. Wir müssen versuchen europäische Champions aufzubauen, wir werden auch in einem gewissen Ausmaß deregulieren müssen – es muss ja nicht so radikal wie in den USA sein - und wir benötigen einen gemeinsamen Kapitalmarkt für private Investitionen. Ja, einiges wird sich in Europa ändern müssen. Aber Europa hat eine große Chance, wenn wir uns in vielen Bereichen auf eigene Füße stellen. Gemeinsam sind wir stark genug, oder um mit Barack Obama zu sprechen: „Yes, we can“.

„Was für eine geballte Ansammlung von Kurzsichtigkeit und Dummheit.“

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Kommen wir noch zu Österreich: Kann ein Kanzler Herbert Kickl noch verhindert werden?

Gerhard Zeiler

Das weiß ich nicht. Aber wenn Kickl Kanzler wird, ist das ein völliges Versagen aller Parteien der Mitte. Sie alle unterschätzen die diesbezüglichen Gefahren. Den Neos muss man vorwerfen, dass sie als erste vom Verhandlungstisch aufgestanden sind. Der ÖVP muss man vorwerfen, dass sie ohne Not eine 180-Grad-Kehrtwendung gemacht hat. Und den Vernünftigen in der SPÖ muss man vorwerfen, dass sie ihren Vorsitzenden haben werkeln lassen, ohne ihn zu beeinflussen – obwohl sie wissen mussten, dass das nur schiefgehen kann. Da kann ich nur sagen: Was für eine geballte Ansammlung von Kurzsichtigkeit und Dummheit. Ich verstehe nicht, warum die ÖVP nicht nach Platzen der Verhandlungen versucht hat, eine Minderheitsregierung für eine begrenzte Zeit auf die Beine zu stellen. Mit Angeboten an die SPÖ, die Neos und den Grünen, eine derartige Regierung für ein Jahr zu unterstützen, um dann nach einem Jahr einen weiteren Versuch für eine Koalition zu starten. Alles wäre besser als ein Kanzler Kickl.

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Zum Schluss noch die Frage an den ehemaligen ORF-Generaldirektor: Wie beurteilen sie das Gezerre um den ORF und die Debatte über eine Finanzierung des ORF aus dem Budget?

Gerhard Zeiler

Der ORF ist für das Funktionieren der Demokratie in Österreich absolut notwendig. Man kann vieles an ihm kritisieren, ich wüsste auch einiges. Aber den ORF zerschlagen heißt, unabhängige Medien zu zerschlagen. Eine Finanzierung aus dem Budget würde genau das bedeuten, nach dem Motto: Du berichtest, wie ich es möchte, oder du kriegst das Geld nicht, das für die Aufrechterhaltung des Betriebs benötigt wird. Dafür gibt es ja einige Beispiele in anderen Ländern. Ein Wort noch an die Verleger: Wenn der ORF erst einmal ausgeschaltet ist, sind als nächstes die Zeitungen an der Reihe. Ich hoffe, dass dies den Verhandlern der ÖVP bewusst ist.

Das trend-Interview wurde vor einem Dinner des Beraters Arthur D. Little Austria für Gerhard Zeiler geführt.

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