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Branchenbuchabzocke: Abo-Falle für Unternehmen

In Kooperation mit ERGO Versicherung
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Aktualisiert
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8 min

Branchenbuchabzocke: Achtung vor Dienstleistungen und Abo-Modellen von Unternehmen, die gebührenpflichtige Einträgen in Branchen- und Firmenregister anbieten.

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Unternehmen kennen das nur zu gut: Jeden Tag gibt es unzählige E-Mails, Werbesendungen bzw. Telefonanrufe oder sogar Besuche von Vertretern. Häufig mit auf den ersten Blick unschlagbaren und kostenfreien Angeboten, die allerdings oft zur Kostenfalle werden. Die Experten der ERGO Versicherung klären auf.   

Branchenbuchabzocken sind für Unternehmen und Selbstständige häufige Abofallen, die hohe Kosten nach sich ziehen können.

Im Falle von Unternehmen arbeiten die Betrüger mit etwas anderen Methoden als beim „klassischen“ Verbraucher und auch mit anderen (höheren) Summen. Oft wird die Eintragung in dubiose „Unternehmensregister“ angeboten. Ein Vordruck/Auszug mit Unternehmensdaten wird mitversendet. Oft reicht es, ein Häkchen anzukreuzen um damit „die Richtigkeit der Daten zu bestätigen“. Im Kleingedruckten stehen dann der Preis und die Laufzeit dieses Abos. Darüber hinaus kommen diese Schreiben oftmals auch aus dem Ausland wie Luxemburg oder Irland.

Häufig wird auch von einer „europäischen Handelskammer“ gesprochen. Gründer oder Selbstständige erhalten dann merkwürdige Rechnungen, die sie auffordern für die Eintragung eine Gebühr zu bezahlen. Diese Rechnungen sind jedoch oft gefälscht oder sollen Opfer zum Zahlungsbetrug verleiten.

Anfechtungsmöglichkeiten nach österreichischem Recht

Aber Vorsicht! Anders als Verbraucher haben Unternehmer kein gesetzliches Widerrufsrecht.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Unternehmer aufgrund ihrer geschäftlichen Erfahrenheit weniger schutzwürdig sind. Betrüger, die mit unseriösen Methoden Geld verdienen möchten, schreiben daher besonders häufig bewusst Unternehmen an.

Nach österreichischem Recht gibt es dennoch einige Möglichkeiten zur Anfechtung.

1. Anfechtung des Vertrages wegen eines Irrtums §871 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB):

Wenn sich die Betroffenen beim Vertragsschluss nicht darüber im Klaren waren, dass sie eine entgeltliche Leistung in Anspruch nehmen, kommt die Anfechtung des Vertrages wegen eines Irrtums infrage.

Eine vermeintliche Zahlungspflichtigkeit kann in den meisten Fällen leicht übersehen werden, wenn Internetseiten, Branchenbuchformulare und Vertragsvordrucke verwirrend und intransparent gestaltet werden. Wenn die Zahlungspflichtigkeit absichtlich verheimlicht wird, ist es möglich, die eigene Willenserklärung rückwirkend zu beanstanden. Der Vertrag wird im Falle des Erfolges von Anfang an rückabgewickelt – als ob er nie bestanden hat.

Es ist auch möglich, etwaige Schadensersatzansprüche abzuwenden, die die gegnerische Seite geltend machen könnte: Betrüger tragen eine rechtliche Mitschuld am Irrtum, da sie mit voller Absicht Fehler machen und in der Regel keine Vertrauensschäden geltend machen können.

Sittenwidrigkeit und Wucher §879 Abs 2 Z4 ABGB:

Die Vertragsleistung und die finanzielle Gegenleistung können ebenso von vorneherein nichtig sein, wenn sie in einem krassen Missverhältnis stehen. Der Wuchertatbestand kann insbesondere in der Branchenbuchabzocke vorhanden sein. Um einen Preis als Wucher zu bezeichnen, muss er beispielsweise doppelt so hoch sein wie marktüblich. Außerdem muss der Anbieter eine Notlage ausnutzen.

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung §870 ABGB:

Die Anfechtung eines Vertrags aufgrund arglistiger Täuschung bietet aussichtsreiche Verteidigungsmöglichkeiten, insbesondere im Bereich von Abofallen und Branchenbuchabzocken.

Unseriöse Unternehmen täuschen in zahlreichen Fällen sogar Unternehmen arglistig über die eigentlichen Vertragspflichten.

Auch die Anbahnung von Verträgen erfolgt häufig nicht ausreichend transparent. Dieser Umstand kann vom getäuschten Vertragspartner genutzt werden, um einen vermeintlich abgeschlossenen Vertrag aufzulösen.

Außerordentliche Kündigung

Grundsätzlich kann jede Vertragsbeziehung aus einem bedeutenden Grund beendet werden. Branchenbuchabzocker und Abofallenbetreiber haben ein wirksames Geschäftsmodell entwickelt, das durch Täuschung und Einschüchterung erfolgreich ist.

Betroffene haben in vielen Fällen gute Gründe, ein Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen, da sie als vermeintlicher Vertragspartner dieses Unternehmens gelten. Im Gegensatz zu einer effektiven Anfechtung wird der Vertrag aber nicht als unwirksam von Anfang an betrachtet, sondern nur für die Zukunft beendet. In der Regel ist neben der Anfechtung eine hilfsweise erklärte außerordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses empfehlenswert.

Unterschied zu Probezeitraum: Kann sich mein Abo automatisch verlängern?

Ein Abo oder eine Mitgliedschaft mit einer kostenlosen Probezeit wird häufig ebenfalls zur Verfügung gestellt. Bei einer automatischen Vertragsverlängerung handelt es sich um einen Abo-Vertrag, der entweder unbefristet oder auf einen längeren Zeitraum (z. B. 12 Monate) befristet ist. In der Regel haben Sie bei diesen Angeboten die Möglichkeit, innerhalb der Probezeit ohne Kündigung zu handeln. Sobald die Probezeit abgelaufen ist, müssen Sie den üblichen Preis zahlen.

Dieses Modell ist keine automatische Verlängerung des Vertrags. Deshalb ist es ihnen nicht erforderlich, vor Ablauf des Probezeitraums ausführlich mitzuteilen, dass der Vertrag weiterläuft. Trotzdem können Sie einen Abo-Vertrag, der unbefristet abgeschlossen ist, kündigen. Es ist möglich, dass es bestimmte Kündigungsfristen gibt, aber selbst diese Kündigungsbestimmungen dürfen Ihnen nicht unnötig schaden, da sie sonst unwirksam sind (§ 879 Abs. ABGB).

Manche Abo-Partner berufen sich auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) und auf einen Verzicht auf ein außerordentliches Kündigungsrecht. Hier muss geprüft werden, ob solche Klauseln im Einzelfall auch für Unternehmer – also b2b Verträge – grob benachteiligend und sittenwidrig sind.

Lassen Sie sich daher vorab rechtlich beraten, um rechtssicher zu handeln!

Hilfe im Betrugsfall: Wie können Sie eine Abofalle entdecken?

In Österreich gibt es nur ein Firmenbuch und kein Firmenregister und die Schreiben oder Beschlüsse des Firmenbuchgerichts sind amtlich signiert, weisen immer eine Aktenzahl auf und das Gericht, was in diesem Fall oftmals fehlt.

Außerdem müssen beim Firmenbuch keine monatlichen Gebühren gezahlt werden.

Eine Begrenzung des Angebots: „Es sind nur noch begrenzte Plätze frei“, ist ein Beispiel für einen Verkaufsstrick.  Auch Zeitdruck: „Das Angebot ist nur für heute gültig.“ oder Ausschließlichkeit: „Wir nehmen nicht alle Kunden.“ werden vermehrt angewandt.

Praxistipps

  1. Lassen Sie Vorsicht bei ungewöhnlichen oder unerwarteten Zahlungsaufforderungen walten!

  2. Lassen Sie sich und Ihre Mitarbeiter für genau solche Situationen schulen. Entwickeln Sie ein Gespür für Abzocke-Methoden. (z.B. Das Anbot ist zu gut, wieso bieten das nicht mehrere Unternehmen an?)

  3. Bei Aktions-Angeboten um Bedenkzeit bitten

  4. Anbieter zeitnahe bei unabhängigen Bewertungsportalen prüfen

Die  Watchlist Internet, auf der dubiose Firmen und Websites aufgeführt sind, ist äußerst hilfreich – auch für Unternehmer. Hier werden fast täglich Betrugsmaschen verschiedener Art wie SPAM-Wellen, gefälschte Rechnungen und vieles mehr aufgezeichnet. Auch die Wirtschaftskammer bietet auf ihrer Website aktuelle Betrugs­warnungen für Unternehmen an und listet irreführend gestaltete Aussendungen, Betrugs- oder Phishingversuche auf. In Zusammenhang mit der Branchenbuchabzocke wird dort unter anderem vor Anbietern wie "Firmenradar", "Firmenregister /SolutionCom", "Online Mediendienst" oder "Firmenklick" gewarnt.

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