Mit der EU-Entwaldungsverordung EUDR kommen auf Unternehmen umfangreiche Verpflichtungen zu. Die Juristen der Dorda-Rechtsanwälte klären auf.
©Elke MayrDie im Juni 2023 beschlossene EU-Entwaldungsverordnung EUDR für entwaldungsfreie Produkte soll die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen zur Produktion von Rindern, Kakao, Soja, Palmöl, Kaffee, Gummi, Holz und Folgeprodukten eindämmen. Mit 30. Dezember 2024 tritt die Verordnung EU-weit in Kraft. Bernhard Müller und Christian Richter-Schöller von den Dorda-Rechtsanwälten erläutern die Hintergründe und die Umsetzung in Unternehmen.
EU-Entwaldungsverordnung (EU Deforestation Regulation, "EUDR")
Die EU-Entwaldungsverordnung (EU Deforestation Regulation, "EUDR") wurde vor einem Jahr beschlossen. Nach rund eineinhalb Jahren Übergangsphase tritt sie mit Ende 2024 unmittelbar und in allen europäischen Mitgliedstaaten gleichzeitig in Kraft.
Die EUDR ist inhaltlich kompliziert und wenig verständlich geschrieben. Das heißt aber nicht, dass sie nicht umsetzbar ist. Im Gegenteil: In der praktischen Tätigkeit hat sich gezeigt, dass die EUDR einige Möglichkeiten zur pragmatischen und sinnvollen Implementierung bietet.
Worum geht es bei der EUDR?
Bestimmte Produkte tragen stark zur weltweiten Entwaldung und Waldschädigung bei. Die EUDR regelt den Handel mit solchen Erzeugnissen. Darunter fallen zum Beispiel Erzeugnisse wie Holz, Papier, Kakao, Kaffee oder Soja, aber auch Rinder. Es gibt dabei keine Schwellenwerte. Bereits ein Splitter Holz im Erzeugnis reicht, um es der Entwaldungs-VO zu unterwerfen.
Die europäische Holzhandels-Verordnung regulierte schon seit längerem den Vertrieb solcher Produkte im Europäischen Wirtschaftsraum. Die Entwaldungs-Verordnung ist ihre deutlich strengere Nachfolgerin. Sie geht über den Schutz vor Waldschädigung hinaus. Insbesondere sind auch – wie im Bereich der EU-Lieferketten-RL – arbeitsrechtliche und menschenrechtliche Aspekte geschützt.
Damit löst die EUDR die bisher geltende europäische Holzhandels-Verordnung ab. Anders als die Holzhandels-VO geht die Entwaldungs-VO aber über den Schutz vor Waldschädigung hinaus. Insbesondere sind auch – wie im Bereich der EU-Lieferketten-Richtlinie – arbeitsrechtliche und menschenrechtliche Aspekte geschützt. Die europäische Entwaldungs-Verordnung geht dabei weit über das hinaus, was die EU-Lieferketten-Richtlinie selbst in ihrer strengsten Fassung vorsieht.
Welche Pflichten haben Unternehmen?
Die konkreten Pflichten richten sich nach der Position in der Lieferkette und nach der Unternehmensgröße. Grob kann unterschieden werden:
Garantie der Konformität: Unternehmen müssen garantieren, dass die Erzeugnisse "entwaldungsfrei" und "im Sinn der einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt" sind. Beides ist herausfordernd. "Entwaldungsfreiheit" schließt auch vergangene Waldschädigungen ein – zurück bis 31.12.2020. Und die Legalität beinhaltet z.B. Übereinstimmung mit Arbeitnehmer-Rechten, aber auch ganz pauschal mit "völkerrechtlich geschützten Menschenrechten".
Der wesentliche Unterschied zur EU-Lieferketten-Richtlinie und zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Die Übereinstimmung muss garantiert werden. Bloßes Bemühen reicht nicht.
Sorgfaltserklärung: Unternehmen müssen die Konformität außerdem öffentlich in einer sogenannten Sorgfaltserklärung bestätigen. Dieser muss ein Prozess vorausgehen, der Information, Risikobewertung und Risikominderung beinhaltet.
Ab wann gilt die Entwaldungs-VO?
Die Entwaldungs-VO ist schon Gesetz. Sie entfaltet ihre Wirkung ab dem 30.12.2024. Kleinst- und Kleinunternehmen haben noch bis zum 30.6.2025 Zeit.
Die Holzhandels-Verordnung wird zwar von der Entwaldungs-VO abgelöst. Sie bleibt jedoch parallel anwendbar für Holzeinschläge vor dem 29. Juni 2023 oder wenn das Erzeugnis zwischen dem 30. Dezember 2024 und dem 30. Dezember 2027 in Verkehr gebracht wurde.
Wie sehen die Rechtsfolgen aus?
In Österreich ist das Bundesamt für Wald für die Beaufsichtigung zuständig. Die Behörde hat regelmäßig Kontrollen von sich aus oder aufgrund von Hinweisen Dritter durchzuführen. Die Kontrollen können ohne vorherige Ankündigung erfolgen. Die Verwaltungsstrafen müssen als Höchststrafe mindestens 4 % des weltweiten Umsatzes vorsehen.
Es gibt außerdem zivilrechtliche Folgen. Verstöße können Schadenersatz begründen. Mitbewerber können aufgrund UWG klagen. Außerdem gibt es andere Sanktionsmöglichkeiten, wie vorübergehender Ausschluss von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Zusätzlich sind wie immer Reputationsfolgen im Zusammenhang mit Lieferkettenverstößen besonders bedrohlich.
Wie geht es weiter?
Wie schon bei der Holzhandels-VO können Zertifikate helfen. Es handelt sich dabei aber immer nur um eine inhaltlich eingeschränkte Stichtagsbetrachtung. Die Entwaldungs-VO hält deshalb klar fest, dass weder eigene Zertifikate noch die Zertifizierung von Lieferant:innen von der selbständigen Beschäftigung mit der Entwaldungs-VO entbindet.
Entscheidend ist stattdessen Verständnis des systematisch herausfordernden Geseztestexts und Kenntnis des Marktstandards. Die Entwaldungs-VO enthält vielfältige Pflichten. Aber auch genug Ansatzpunkte, um sie pragmatisch umsetzen zu können.
Möglichkeiten zur pragmatischen und sinnvollen Implementierung der EUDR
Bestehende Daten und Informationen nutzen
Um die Lieferkette zu steuern, muss man sie kennen. Wer gerade dabei ist, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zur Nachhaltigkeitsberichterstattung umzusetzen, wird sich mit der Lieferketten schon im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse auseinandergesetzt haben. Auch nicht CSRD-pflichtige Unternehmen verfügen in aller Regel schon über viel Informationen – nur vielleicht noch nicht zentral an einem Ort. Bereits für die Holzhandels-VO mussten ja Daten zusammengetragen und Prozesse dokumentiert werden. Nutzen Sie bestehende Systeme, greifen Sie auf vorhandene Daten und Informationen zurück. In der Praxis hat sich ein Kick Off-Workshop mit möglichst umfassendem Teilnehmerkreis als sinnvoll herausgestellt.
Lieferantenbeziehung stärken
Die neuen Regeln treffen alle Unternehmen aus bestimmten Branchen. Ihre Lieferanten sind entweder selbst von der EUDR erfasst oder wissen zumindest von den neuen Regeln. Dass Holzhandel und benachbarte Branchen stark reguliert sind, ist schon seit Jahren bestens bekannt. Die Entwaldungs-VO führt also keine grundlegend neuen Regeln ein. Nutzen Sie die verpflichtende intensivere Zusammenarbeit aber nun, um Ihre Lieferanten-Beziehung zu stärken. Die Informationspflichten nach der EUDR können dazu dienen, mehr über Ihre Lieferanten zu erfahren. Nutzen Sie auch Plattformen und Netzwerke, die Unternehmen und Lieferanten dabei unterstützen, Nachhaltigkeit und Entwaldungsfreiheit zu gewährleisten.
Dokumentation
Eine umfassende Dokumentation und Berichterstattung sind entscheidend, um die Einhaltung der EUDR nachzuweisen. Führen Sie detaillierte Aufzeichnungen über alle Maßnahmen zur Risikobewertung, Risikominderung und Überwachung. Bereiten Sie regelmäßige Berichte vor, die den Fortschritt und die Einhaltung der Verordnung dokumentieren. Das ist wichtig, um spätere Rückfragen aufzuklären. Versuchen Sie möglichst Kontinuität zu den bisherigen Prozessen nach der Holzhandels-VO herzustellen. Unser Beratungsansatz ist: Die Entwaldungs-VO ist eine organische Weiterentwicklung der Holzhandels-VO – und nicht etwas völlig Neues, das komplett andere Prozesse verlangt.
Die regelmäßigen Berichte können auch dazu dienen, Stakeholder aktiv und positiv über Ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu informieren! Dies stärkt nicht nur das Vertrauen der Verbraucher in Ihre Marke, sondern kann auch als Vorbild für andere Unternehmen dienen. Engagieren Sie sich in Brancheninitiativen und Netzwerken, um gemeinsam mit anderen Unternehmen an nachhaltigen Lösungen zu arbeiten und Markstandards zu setzen.
Softwarelösungen nutzen
Ab einer gewissen Anzahl an Lieferanten können die für die Umsetzung der EUDR nötigen Informationen nicht mehr sinnvoll ohne spezialisierte Software-Lösung verarbeitet werden. Außerdem kennt die EUDR kennt eine Reihe von recht technischen Verpflichtungen, wie Information über GPS-Standorte, die besser in besonderen IT-Tools aufgehoben sind. Die richtige Software ist bei der Entwaldungs-VO noch viel entscheidender als sie bei der Holzhandels-VO war. Überlegen Sie gründlich, welches System Sie nutzen wollen und probieren Sie verschiedene aus. Bedenken Sie dabei insbesondere Schnittstellenmöglichkeiten (zB SAP-Integration) und wie Sie Daten bei einem späteren Wechsel wieder in andere Softwarelösungen exportieren können.
Schulungen und Trainings
Schulen Sie im eigenen Unternehmen und schulen Sie wenn möglich auch Ihre Lieferanten. Das muss nicht kompliziert sein. Eine einstündige Videokonferenz mit theoretischem Teil zur EUDR, praktischem Teil zu Ihren Erwartungen von den Lieferanten und einer abschließenden Fragerunde ist sowohl einfach handzuhaben als auch eine extrem effiziente Art der Umsetzung Ihrer Pflichten. Sensibilisieren Sie Ihre Lieferanten für die Notwendigkeit der Einhaltung und bieten Sie Unterstützung bei der Umsetzung nachhaltiger Praktiken an.
Verträge überarbeiten
Vorbereitung auf die EUDR ist zu 99 % Vertragsüberarbeitung. Sorgen Sie dafür, dass die Verträge mit Ihren Lieferanten rechtzeitig den Anforderungen der EUDR entsprechen.
Über die Autoren
Bernhard Müller
Bernhard Müller ist seit 2008 bei DORDA und leitet den Bereich Öffentliches Wirtschaftsrecht. Seine Schwerpunkte sind Vergabe-, Umwelt-, Regulierungs-, Beihilfen- und Außenwirtschaftsrecht (Sanktionen). Er ist auf den Verteidigungs- und Sicherheitsbereich sowie den öffentlichen, Gesundheits- und Krankenanstaltensektor spezialisiert.
Bernhard Müller hält regelmäßig Vorträge an Universitäten und Konferenzen zum öffentlichen Wirtschaftsrecht und ist Mitglied vieler nationaler und internationaler Vereinigungen. Seit 2009 lehrt und forscht er an der Universität Wien auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts und verbindet damit hohe akademische Standards mit pragmatischen Lösungen.
Christian Richter-Schöller
Christian Richter-Schöller ist seit 2014 bei DORDA. Er ist im Bank- und Kapitalmarktrecht und im Versicherungsaufsichtsrecht tätig. Dabei berät er sowohl etablierte Unternehmen als auch Startups im Aufsichtsrecht, im Vertragsrecht und in streitigen Verfahren.
Sein besonderer Fokus liegt auf dem ESG- und Nachhaltigkeitsrecht. Seit 2020 ist er Co-Leiter der DORDA Sustainability Group. Seine Fachgebiete sind Sustainable Finance, Regeln rund um Liefer- und Wertschöpfungsketten und Kreislaufwirtschaft.
Er ist Gründer und Leiter eines europäischen Netzwerks von ESG-Anwält:innen, Gründungsmitglied des interdisziplinären Beraternetzwerks ESG Experts Austria und Jurymitglied des Förderpreises für Nachhaltigkeitsrecht. Darüber hinaus ist er gefragter Vortragsredner und Herausgeber des systematischen Sammelbandes zum Nachhaltigkeitsrecht sowie des "Praxishandbuch Nachhaltige Finanzierung".