Mit dem Lieferkettengesetz werden Unternehmen verpflichtet, darauf zu achten, dass entlang ihrer Zulieferkette soziale und ökologische Mindest-Standards eingehalten werden. Das Verbot von Kinderarbeit gehört dazu.
©ImagoDie Verhandler des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich auf die Bestimmungen im Lieferkettengesetz geeinigt. Das Supply Chain Management bekommt damit eine soziale und ökologische Komponente. Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie von Missständen entlang ihrer Lieferketten profitieren.
Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D), die sogenannte "EU-Lieferketten-Richtlinie", ist beschlossen. Der Europäische Rat und das Europäische Parlament haben sich auf einen gemeinsamen Entwurf geeinigt. Die Einigung muss vom Parlament und den EU-Staaten noch bestätigt werden. Anschließend wird der finale Text veröffentlicht und die Mitgliedstaaten müssen diesen in nationales Recht umsetzen.
Mit den Bestimmungen werden Sorgfaltspflichten für Unternehmen festgelegt. Sie müssen den Bestimmungen zufolge entlang ihrer Lieferketten dafür sorgen, dass Umweltstandards und soziale Standards eingehalten werden. Bei Versäumnissen drohen empfindliche Strafen.
Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini, sprach von einem guten Tag für die Menschenrechte, sie hätte sich aber noch strengere Regeln für Klima- und Umweltschutz gewünscht.
Christian Richter-Schöller und Bernhard Müller von der DORDA Rechtsanwälte GmbH analysieren nachfolgend die Bestimmungen, über die rund zwei Jahre lang verhandelt wurde.
Die definierten Schutzgüter
Die von der CS3D geschützten Rechte wurden massiv erweitert.
An Umweltstandards sind praktisch alle messbaren negativen Umweltauswirkungen erfasst wie insbesondere schädliche Bodenveränderungen, Verunreinigung des Wassers, Luftverschmutzung, schädliche Emissionen, übermäßigen Wasserverbrauch oder andere Auswirkungen auf natürliche Ressourcen. Ein Plan zur Begrenzung des Klimawandels wird Pflicht.
An sozialen Standards findet sich ein sehr umfassender Verweis auf internationale völkerrechtliche Übereinkommen. Zusätzlich zu den schon bekannten Abkommen, wie zum Beispiel die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, findet sich nun etwa auch ein Verweis auf den UN-Sozialpakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.
Außerdem gibt es eine Öffnungsklausel: Mittels Delegierter Verordnung soll die Liste durch die EU-Kommission sogar noch erweitert werden können.
Die Sorgfaltspflichten
Sowohl tatsächliche als auch potenzielle negative Auswirkungen auf die Schutzgüter müssen abgestellt werden. Wenn dies nicht gelingt, müssen bestehende Lieferant:innen-Verträge gekündigt werden.
Direkt und indirekt betroffene Unternehmen
Unmittelbar erfasst sind Unternehmen mit über 500 Mitarbeiter:innen und einem Umsatz über EUR 150 Millionen. Das Verständnis von "Wertschöpfungskette" ist allerdings weiterhin sehr weit und beinhaltet nicht nur negative Auswirkungen, die von Lieferant:innen ausgehen ("inside out"), sondern auch negative Auswirkungen, die vom eigenen Unternehmen ausgehen ("outside in").
Die Pflichten werden also – wie bisher schon geplant – unabhängig den Schwellenwerten praktisch alle Unternehmen, so auch KMU treffen, die Teil der Wertschöpfungskette sind. Betroffen sind sogar Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU. Ob Finanzdienstleister wie Banken auch erfasst sind, soll offenbar Gegenstand eines separaten Review-Prozesses sein. Hier konnte nach intensiven Diskussionen anscheinend keine klare Einigung erzielt werden und es muss weiter abgewartet werden.
Empfindliche Strafen bei Verstößen
Die Strafen bleiben so hoch, wie vom Europäischen Parlament vorgesehen. Wer gegen die CS3D verstößt, soll bis zu 5 % des weltweiten Umsatzes zahlen müssen. Außerdem sollen Unternehmen schadenersatzpflichtig werden. Besondere Klagerechte erhalten zum Beispiel Gewerkschaften und NGO.
Die Folgen für Unternehmen
Für alle Unternehmen – egal ob unmittelbar wegen des Gesetzes oder mittelbar wegen Vertragsbeziehungen erfasst – bedeutet das: Die Vorbereitung muss jetzt beginnen. "Vorbereitung auf die CS3D ist hauptsächlich Verträge überarbeiten. Am Anfang stehen ESG Policy, Supplier Code of Conduct und deren Implementierung (zB in Form von Schulungen im eigenen Unternehmen). Alles weitere ist aber in Vertragsverhandlungen mit Lieferant:innen umzusetzen", betonen die DORDA-Anwälte Schöller und Müller.
Da es sich dabei um einen zeitintensiven Prozess handelt und es sich bei der CS3D um ein völlig neues Gesetz handelt, arbeiten die Anwälte schon seit Monaten gemeinsam mit vielen Unternehmen daran.
Reaktionen auf den Beschluss
Kritik an der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D) kommt von Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV) und Chef der Knill-Gruppe. "In diesem Fall hat es die Weltpolitik nicht geschafft, die UN-Nachhaltigkeitsziele global umzusetzen", kritisierte Knill. "Die Unternehmen sollen es richten."
Es gehe nicht nur um direkte Lieferanten. Grundsätzlich begrüße man die Nachhaltigkeitsziele, "aber das ist in diesem Fall nur gut gemeint und nicht handhabbar, nicht administrierbar". Auch wenn man Anlagen liefere, müsse man darauf schauen, dass mit dieser nicht Nachhaltigkeitsziele gebrochen würden.
Die WKÖ warnt zudem vor einem "massiven bürokratischen Mehraufwand". Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) seien zwar formal ausgenommen, aber indirekt sehr wohl betroffen. "Kleinere Unternehmen dürfen als Zulieferer durch Vertragsklauseln nicht unter Druck gesetzt werden", betont die WKÖ, ebenfalls in einer Aussendung.