Wer in einem Unternehmen mit Zahlen jongliert, muss auf der Hut sein. Schließlich können sich vom kleinen Mitarbeiter bis zur höchsten Managementebene all jene strafbar machen, die unrichtige, unvollständig oder absichtlich getürkte Zahlen in die Bilanz packen. „Viele glauben, dass nur die absichtliche Bilanzfälschung strafbar ist, aber auch falsche oder unvollständige Darstellung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens werden strafrechtlich geahndet“, sagt Stefan Albiez, Autor und einer der drei Herausgeber des neu erschienen Buchs „Bilanz und Haftung“ und Partner der Wiener Anwaltskanzlei Binder Grösswang. Infos über das Buch finden Sie am Ende des Artikels.
Zivilrechtliche Ansprüche
Das Bilanzstrafrecht soll Interessen der Gesellschafter, Gläubiger, potentielle Investoren und jene, die es bereits sind, schützen. Deshalb bilden auch falsche oder unvollständige Informationen die Grundlage für zivilrechtliche Ansprüche.
Allerdings stehen die Chancen in Österreich tatsächlich verurteilt zu werden, äußerst gering. Seit 2014 gab es laut Statistik Austria sowohl auf Grundlage des Aktiengesetzes, des GmbH-Gesetzes und des Kapitalmarktgesetzes diesbezüglich keine Verurteilungen. Zwischen 2010 und 2013 waren es sieben Verurteilungen, drei davon nach dem Kapitalmarktgesetz. „Das bedeutet aber nicht, dass Bilanzvergehen nicht geahndet werden“, warnt Albiez. So würden oftmals mit anderen Straftaten einhergehen, die eher verfolgt würden. Dazu zählen Betrug, Untreue und grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen.
Insolvenz vermeiden
Der wohl häufigste Grund für geschönte Zahlen ist es, dadurch eine drohende Insolvenz zu vermeiden. So sollen dadurch die missliche finanzielle Lage eines Unternehmens vertuscht oder Managementfehler unter den Teppich gekehrt werden. Besonders beliebt: Forderungen falsch bewerten. Damit soll meist die Bank, die Kredite vergeben hat, getäuscht werden. In diesen Fällen wird geschummelt, um zu vermeiden, dass der Kredit fällig gestellt wird oder um zu erreichen, dass die Bank weiterhin frisches Geld zuschießt. Die Banken, die Kredit gewähren, geben den Firmen schließlich genaue Vorgaben, welche Finanzkennziffern sie einhalten müssen, um mit genügend Eigenkapital und Liquidität ausgestattet zu sein.
Ruf soll intakt bleiben
Um weitere potentielle Geldgeber anzulocken oder bestehende Finanzierungen abzusichern, verschleiern Firmen in ihren Bilanzen immer wieder auch wie schlecht sie in Wahrheit dastehen.
Persönliche Bereicherung
Nicht zu verachten, auch die Triebfeder persönliche Bereicherung. Dazu lassen sich manche Manager beispielsweise verleiten, die am Unternehmen in Form einer Mitarbeiterbeteiligung Anteile halten. Bei solchen kann der variable Gehaltsbestandteil steigen, wenn der ausgeschüttete Gewinn auf ein bestimmtes Niveau steigt. Das verleiht der Phantasie mancher Manager regelrecht Flügel und sie frisieren die Gewinne so, dass sie selbst eine üppige Gewinnausschüttung erwarten können.
Doch meist ist es der Druck der auf den Managern lastet, der sie zu unlauteren Mitteln greifen lässt. „Der Druck, firmenintern wie extern Ziele zu erreichen, ist ein häufiger Auslöser für Bilanzmanipulationen“, stellt Albiez fest.
Folgen von Fehlern in der Bilanz
Beinhaltet die Bilanz einen Fehler, der gegen eine wichtige Einzelvorschrift verstößt, droht die Nichtigkeit des gesamten Jahresabschlusses. Die Bilanz kann von jedem Aktionär, Vorstand oder Aufsichtsratsmitglied aus diesem Grund angefochten werden. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage durch eine zu lange Nutzungs- und damit Abschreibedauer nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend dargestellt wurde. Ob Bilanzfehler auch strafrechtlich relevant sind oder überhaupt als strafbar gelten, hängt jedoch auch davon ab, ob man mit der Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers vorgegangen ist.
Fehler müssen meist nicht rückwirkend korrigiert werden
War man beispielsweise der Ansicht, ein Investment wird auf 24 Jahre abgeschrieben, wären aber 40 Jahre korrekt gewesen, wird meist ab dem Zeitpunkt der Erkenntnis des Fehlers, dieser berichtigt und nicht rückwirkend. Doch über Mängelkorrekturen gibt es in der juristischen Literatur und Judikatur verschiedene Ansätze. „Ein rückwirkender Jahresabschluss würde die Glaubwürdigkeit der Bilanzberichterstattung beinträchtigen“, argumentiert Matthias Petutschnig vom Institut für Revisions-, Treuhand- und Rechnungswesen der WU, ebenfalls Autor und Herausgeber des Handbuches. Nur eine objektiv sorgfaltswidrige Fehleinschätzung führt zu einem berichtigungspflichtigen Fehler. Auch eine zu negative Darstellung der Bilanz eines Unternehmens ist objektiv unrichtig.
Wann Bonus und Gewinnausschüttungen zurückgefordert werden
Ist der Jahresabschluss nichtig, sind auch Gewinnausschüttungen und variable Boni vom Unternehmen zurückgefordert werden.
Bis zu fünf Jahren Haft
Wer die Bilanz fälscht, dem drohen bis zu zwei Jahre Haft. Bei börsennotierten Unternehmen sind es bis zu drei Jahre. Eine so entstandene Abgabenverkürzung kann mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des verkürzten Betrags oder der ungerechtfertigten Abgabengutschrift betragen. Bei gewerbsmäßiger Hinterziehung drohen bis zu fünf Jahre Haft und bis zu 500.000 Euro Geldstrafe.
Selbstanzeige mit Tücken
Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Strafbarkeit durch sogenannte tätige Reue beseitigt werden. Das bedeutet, dass der Täter den Schaden wieder gutmacht oder eine Selbstanzeige tätigt. Doch auch die Selbstanzeige hat ihre Tücken. Diese führt nämlich oft zur Offenlegung eines weiteren Delikts, das aufgrund der beschränkten Anwendung der tätigen Reue, nicht straffrei ist.
Schuld setzt Pflichtverletzung voraus
Entsteht durch Fehler in der Bilanz eine Steuerschuld, haftet der Geschäftsführer persönlich, falls die Nachzahlung bei der Gesellschaft nicht eingebracht werden kann. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Geschäftsführer seine Pflichten verletzt hat.
Mangelnde Sorgfalt relevant
Ein Geschäftsführer oder Vorstand kann auch dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn durch mangelnde Sorgfalt eine steuerliche Mehrbelastung erwächst, so Christian Wimpissinger, Partner bei Binder Grösswang, dritter Autoren von „Bilanz und Haftung“. Keine Verantwortung trägt er allerdings, wenn er Risiken eingeht, die nicht in einer unverantwortlichen Weise überschritten wurden.
Zu hohe Risiken können auch strafbar sein
Hält sich ein Geschäftsführer oder Vorstand nicht an den Maßstab des ordentlichen Unternehmers, haftet er für den so entstandenen Schaden. Selbst eine Weisung des Gesellschafters diesbezüglich entbindet ihn von seiner Haftung nicht.
Auch Gesellschafter können haftbar gemacht werden
Selbst Gesellschafter, die starken Einfluss ausüben und de facto als Geschäftsführer agieren und die Geschäftsführung entsprechend beeinflussen, können abgabenrechtlich haftbar gemacht werden.
Körperschaftsteuer hinterzogen: Da kennt der Staat keinen Spaß
„Meist wird ein Finanzstrafverfahren aber nicht wegen einer falschen Bilanz eingeleitet, sondern, weil durch eine unrichtige Steuererklärung die Körperschaftssteuer verkürzt wurde“, so Wimpissinger, in dem etwa Teilwertabschreibungen oder Rückstellungen zu hoch oder zu Unrecht vorgenommen wurden.
Beitragstäter haften ebenso
Als Täter kommen bei der Abgabenhinterziehung sowohl unmittelbare Täter als auch Bestimmungs- und Beitragstäter in Frage. Das können nicht nur Geschäftsführer, Vorstände, Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte sein, sondern laut Wimpissinger auch Mitarbeiter, wie der Leiter des Rechnungswesens oder auch nur dessen Assistentin. Selbst wenn diese weisungsgebunden agieren. „Nur wenn die betreffenden Mitarbeiter beweisen können, dass sie auf Fehler oder Manipulationen hingewiesen haben – für Beweiszwecke möglichst schriftlich –, sind sie strafbefreit.“ Also am besten auf jedes möglicherweise strafrechtlich relevante Problem in einem Mail hinweisen.
Bedingter Vorsatz, die Abgaben zu verkürzen, reicht
Eine Haftung für Abgabenhinterziehung setzt vorsätzliches Handeln voraus. Um strafrechtlich belangt zu werden, reicht es bereits, dass der Täter die Abgabenverkürzung durch seine Verletzung der Auskunfts- Offenlegungs- und Wahrheitspflicht für möglich hält und in Kauf nimmt.
Wann Aufsichtsräte haften
Nicht nur operativ tätige Mitarbeiter können der Bilanzmanipulation überführt werden, auch Aufsichtsräte. Diese sind bei großen Gesellschaften verpflichtet, die Erstellung des Jahresabschlusses zu überwachen. Dazu müssen sie eigens einen Prüfungssauschuss einrichten. Dessen Aufgabe ist die Vorbereitung der Prüfung des Jahresabschlusses und den laufenden Rechnungslegungsprozess zu überwachen.
Zwar sind Aufsichtsräte nicht nach dem Aktien- und dem GmbH-Recht haftbar, aber auf diese kann das zivilrechtliche Schadenersatzrecht angewendet werden. Sie schulden in erster Linie eine effektive Kontrolle und haften, wenn sie diese unterlassen haben. Albiez: „Dieser Grundsatz gilt gerade bei Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss“. Die Haftung des Aufsichtsrates erfolgt jedoch nicht im Kollektiv, sondern wird auf fehlende Sorgfalt des Einzelnen hin beurteilt. Die Schuldigen haften jedoch solidarisch. Haftbar kann man ab dem ersten Tag als Aufsichtsrat gemacht werden. „Es gibt keine Schonfrist“, so Buchautor Wimpissinger.
Buchtipp
Einschlägige StGB-Bestimmungen
- Haftung der Geschäftsführung und des Aufsichtsrates
- Aspekte zum Bestätigungsvermerk
- Rechtliche Möglichkeiten und Folgen von Bilanzänderungen
- Finanzstrafrechtliche Fragestellungen
Bilanz und Haftung
Verlag Österreich
350 Seiten
Preis: 89 Euro
ISBN: 978-3-7046-7812-6