Karin Spindler-Simader und Christopher Jünger, Wolf Theiss Rechtsanwälte
©www.amriphoto.comMit dem neuen EU-Umgründungsgesetz sind seit dem 1. August 2023 grenzüberschreitende Unternehmens-Umstrukturierungen in der EU neu geregelt. Karin Spindler-Simader und Christopher Jünger von Wolf Theiss Rechtsanwälte nehmen die neuen Bestimmungen unter die Lupe.
Seit dem 1. August 2023 ist das EU-Umgründungsgesetz (EU-UmgrG) in Kraft. Dieses Gesetz regelt fortan grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen innerhalb der Europäischen Union (EU) unter Beteiligung von österreichischen Kapitalgesellschaften. Das EU-UmgrG unterscheidet dabei jeweils zwei Szenarien von grenzüberschreitenden Umgründungen: die "Hinaus-Variante", bei der am Beginn eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Österreich besteht, und die "Herein-Variante" mit einer österreichischen Kapitalgesellschaft als Ergebnis der Umgründung.
Zielsetzung
Die zentrale Zielsetzung des EU-UmgrG besteht darin, die Koordination und Harmonisierung der Umgründungsverfahren zwischen verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zu verbessern. Dies soll nicht nur den Unternehmensstandortwechsel erleichtern, sondern auch grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen fördern. Dabei sind stets die Rechtsordnungen mindestens zweier beteiligter Staaten zu berücksichtigen. Die Praxis zeigt, dass die Auswahl der am besten geeigneten Umgründungsart eine umfassende Analyse erfordert, die nicht nur gesellschaftsrechtliche, sondern auch steuerrechtliche und arbeitsrechtliche Aspekte berücksichtigt.
Neuerungen und Herausforderungen
Eine der bemerkenswertesten Neuerungen des EU-UmgrG ist die Möglichkeit der Gerichte, die Umgründung in der "Hinaus-Variante" abzulehnen, wenn sie als missbräuchlich angesehen wird. Das Gericht hat zu prüfen, "ob die Umwandlung zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich Unionsrecht oder nationalem Recht zu entziehen oder es zu umgehen, oder zu kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll. Liegen solche Zwecke vor, so hat es die Eintragung der beabsichtigten Umwandlung abzulehnen." Für diese Missbrauchskontrolle hat das Gericht grundsätzlich drei Monate Zeit; diese Frist kann auf sechs Monate verlängert werden, wenn die Missbrauchsprüfung weitere Informationen oder Untersuchungen durch das Gericht erfordert.
Missbrauch soll insbesondere auch bei der Umgehung von Steuerpflichten gegeben sein. Dabei tritt das EU-UmgrG neben die bereits bestehenden Steuergesetze zur Vermeidung von Missbrauch, die allerdings eine andere Wirkungsweise haben. Das Verhältnis zwischen gerichtlicher Prüfung und Missbrauchskontrolle der Finanzverwaltung ist noch unklar und wird sich in der Praxis erst weisen müssen. Die eigene steuerliche Missbrauchsprüfung des Gerichts kann jedenfalls zur Verlängerung der Dauer von Umgründungsvorhaben führen.
Das Gericht kann davon ausgehen, dass kein steuerlicher Missbrauch vorliegt, wenn ein entsprechender Auskunftsbescheid der Finanzverwaltung vorgelegt wird. Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass die Gerichte in Zukunft standardmäßig einen solchen Bescheid verlangen werden. Für die Antragsteller wäre dies eine Hürde, da für einen Auskunftsbescheid ein umsatzabhängiger Verwaltungskostenbeitrag von € 1.500 bis € 20.000 zu leisten ist. Und auch ein Auskunftsbescheid beschleunigt nicht unbedingt die Dauer des Umgründungsvorhabens. Die Finanzverwaltung hat für die Beantwortung zumindest zwei Monate Zeit. Und das Gericht wäre von einer Überprüfung der Fakten nicht befreit.
Fazit
Trotz dieser Herausforderungen bietet das EU-UmgrG zweifellos Vorteile für grenzüberschreitende Umgründungen in der EU. Die Harmonisierung der Verfahren und die erhöhte Rechtssicherheit können es Unternehmen erleichtern, neue Geschäftschancen zu nutzen. Dennoch müssen Unternehmen sowohl die Vorteile als auch die potenziellen Hürden dieses neuen Rechtsrahmens sorgfältig abwägen und sich vor allem zu Beginn auf etwaige Verzögerungen und Unsicherheiten vorbereiten.