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Was KI in Kanzleien kann

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Ki im Kanzleieinsatz

©midjourney/Elke Mayr
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Künstliche Intelligenz revolutioniert die Arbeit von Anwälten. Sie hilft, große Datenmengen rasch und effizient zu verarbeiten. Die juristische Expertise ersetzt sie aber – noch – nicht.

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Als im November 2022 Open­AI mit dem Launch von Chat­GPT das Zeitalter der künstlichen Intelligenz einläutete, ahnten nur die wenigsten Menschen, wie rasch die neue Technologie den Alltag und die Berufswelt erobern würde. Heute sind vor allem Rechtsanwälte die Pioniere beim Einsatz von KI. Es gibt kaum eine große Wirtschaftskanzlei in Österreich, die nicht bereits künstliche Intelligenz erprobt oder auch schon konkret einsetzt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und in ­verschiedenen Anwendungsbereichen.

Baker McKenzie etwa setzt auf globaler Ebene selbst entwickelte Large Language Models (LLM) ein, um verschiedenste Dienstleistungen für Mandanten anzubieten. Diese KI-Programme be­finden sich derzeit in einer intensiven Evaluierungsphase.

Auch die in 14 Ländern in Mittel- und Osteuropa präsente Kanzlei Schönherr will die Technologie nun verstärkt einsetzen und hat dafür eine eigene AI-Academy für ihre Juristen eingeführt.

Und Martin Schiefer von der im ­Bereich Vergaberecht führenden Kanzlei Schiefer Rechtsanwälte sagt: „Wir befassen uns schon von Berufs wegen regel­mäßig mit den aktuellen Technologien, testen diese im Alltag und evaluieren ­deren Einsatzmöglichkeiten. Wir setzen KI-Anwendungen dort ein, wo wir mit Sicherheit brauchbare Ergebnisse erhalten.“ Auch bei Dorda werden die Anwendungsbereiche von KI laufend getestet.

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Martin Schiefer, Schiefer Rechtsanwälte: Die führende Vergabekanzlei setzt KI-Anwendungen dort ein, wo sie brauchbare Ergebnisse erzielen. Vor allem für standardisierte Abläufe eignet sich KI gut. Der Kanzleigründer sieht enormes Potenzial in der Zusammenarbeit von menschlicher und künstlicher Intelligenz. Vor allem der Wegfall von Routinetätigkeiten ­ermöglicht qualitativ hochwertige juristische Arbeit.

 © Lukas Ilgner

ANWENDEN: KI im praktischen Einsatz in Kanzleien

Doch es wird nicht nur ­getestet und evaluiert, KI kommt in den Kanzleien bereits gezielt zum Einsatz. Alexander Stücklberger, Rechtsanwalt bei Brandl Talos, beschreibt konkrete Anwendungsfälle: „Im M&A-Bereich, aber insbesondere im Bereich Wirtschaftsstrafrecht setzen wir seit einigen Jahren auf die KI-gestützte Auswertungssoftware Luminance. Die Software unterstützt unsere Experten dabei, schnell ­einen Überblick über große Mengen an Daten und Unterlagen zu bekommen. Gerade in komplexen Wirtschaftsstrafverfahren spiegeln wir damit auch die Datenauswertung der Ermittlungsbehörden.“ Angela Yonkova-Markov, ebenfalls Rechtsanwältin bei Brandl Talos, erklärt den Vorteil, der sich aus der Nutzung des KI-Modells dabei ergibt: „Mit der KI-Unterstützung können wir schneller und gründlicher durch die Datenmengen kommen als die Behörden. So finden wir zum Beispiel entlastende Beweismittel, die wir im Verfahren verwenden können. Auch abseits von Verfahren können wir für unsere Mandanten schnell Risiken bewerten und eingrenzen.“

Lukas Feiler ist Partner bei Baker McKenzie in Wien, arbeitet an der KI-Entwicklung im globalen Netzwerk der Sozietät an vorderster Front mit, kann aber auch schon über Anwendungsbeispiele von KI in der Kanzlei berichten: „Wir setzen bereits jetzt zahlreiche KI-Systeme ein. So verwenden wir selbst­lernende Software, um im Rahmen von großen internen Compliance-Untersuchungen in zig Millionen von Dokumenten und E-Mails relevante Beweismittel zu identifizieren. Die von uns global eingesetzte Software kann beispielsweise an nur 30 Prozent des Datenbestandes trainiert werden und dann das Gelernte aber auf die verbleibenden 70 Prozent des Datenbestandes anwenden. So werden automatisiert relevante Beweismittel gefunden.“ Dadurch ist die Kanzlei in der Lage, nicht nur kosteneffizienter, sondern auch mit wesentlich höherer Geschwindigkeit große Compliance-Untersuchungen durchzuführen.

Ein weiteres Einsatzgebiet bei Baker McKenzie für diese Softwarelösung sind Gerichts- oder Schiedsverfahren, die eine Offenlegung aller prozessrelevanten Dokumente erfordern. In umfangreichen Due-Diligence-Projekten im Rahmen von Unternehmenstransaktionen kommt es auch häufig vor, dass Hunderte oder ­Tausende von Verträgen zu prüfen sind. Der Baker-McKenzie-KI-Experte beschreibt hier den Vorteil: „Wir verwenden dafür Software, die in der Lage ist, problematische Klauseln automatisiert zu identifizieren, etwa Change-of-Control-Klauseln oder Klauseln, die eine Klag- und Schadloshaltung vorsehen.“

Andrei Salajan, Head of Digitalisation bei Schönherr, meint jedenfalls: „Das Potenzial von KI zur Effizienzsteigerung ist enorm. Dort, wo unsere aktuellen Lösungen sich in der Praxis bewährt haben, ist das bereits deutlich spürbar. Dieser Trend wird sich fortsetzen und tendenziell sogar noch weiter beschleunigen.“ Auch Lukas Treichl von Freshfields schätzt die hohe Effizienz beim Einsatz von KI: „Vor allem bei Massenverfahren oder Due-Diligence-­Prüfungen bringt das viel.“

PRÜFEN: KI als Unterstützung bei standardisierten Prozessen

Bei Schiefer Rechtsanwälte wird künstliche Intelligenz für standardisierte Abläufe wie beispielsweise Analysen oder Recherchen eingesetzt. Vergaberechtsexperte Schiefer: „Dafür ist sie geradezu prädestiniert und liefert mittels präziser Suchabfragen innerhalb kürzester Zeit Ergebnisse, in die früher Stunden an Arbeit geflossen sind. Aber die kritische Überprüfung durch den Menschen darf nicht ausbleiben. Vor allem wenn mit generativer KI wie ChatGPT gearbeitet wird, die auch gerne mal Dinge erfindet, muss der Wahrheitsgehalt der Ergebnisse immer hinterfragt werden.“ Bei der Generierung von Ausschreibungs­unterlagen werden unterschiedliche Tools bei Schiefer eingesetzt.

Bei Dorda zählt KI inzwischen zu den Topprioritäten im Kanzleimanagement und in der Strategieentwicklung. Bei Recherchen von Gesetzestexten, Erläuterungen, Entscheidungen und Fachbeiträgen unterstützt KI die Juristen bereits mit ­effizienten Suchmethoden. Axel Anderl, Managing Partner, Leiter der Praxisgruppe IT, IP und Datenschutz und der Digital Industries Group bei Dorda: „Wir sehen auch das Potenzial, bald unterschiedliche interne Prozesse, wie HR, IT oder die ­Finanzverwaltung mit KI zu optimieren. Die Anwendungsfälle sind mannigfaltig.“ Im juristischen Bereich stößt KI für die Dorda-Experten aber auch an gewisse Grenzen. Anderl: „Das sehen wir auch an der Fehleranfälligkeit und Halluzination von LLMs. KI erfindet plötzlich neue ­Entscheidungen und Gesetze, sogar unter Angabe von Aktenzeichen. Darauf kann man sich nicht verlassen.“

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Markus Kajaba, FWP: „In neuralgischen Bereichen setzen wir künstliche Intelligenz wegen der Fehleranfälligkeit nicht ein.“

 © Outline Pictures · Christoph J. Heinzel

Trotz der großen Fortschritte steckt für manche Rechtsanwälte KI bei der Aufarbeitung von juristisch komplexen Inhalten und der Erstellung von brauchbaren Texten noch in den Kinderschuhen. Markus Kajaba, Partner bei Fellner Wratzfeld & Partner, meint etwa: „Alle KI-generierten Ergebnisse müssen weiterhin zwingend und mit größtem Augenmaß von Juristen überprüft werden, da die durch KI erzielten Ergebnisse oft fehlerhaft sind oder die KI teilweise ­Sachen überhaupt halluziniert. In neuralgischen Bereichen setzen wir KI daher derzeit nicht ein. Ein potenzieller ­Schaden wäre größer als der momentan ­erzielbare Nutzen. KI genügt unseren Qualitäts­ansprüchen noch nicht.“

NUTZEN: KI schafft Freiräume

Die Erfahrung der heimischen Rechtsexperten beim bisherigen Einsatz von KI und Large Language Models in ihren Kanzleien zeigt klar, dass sie die Effizienz bei der Analyse oder Verarbeitung großer Datenmengen steigern, aber nicht die juristische Qualität und Erfahrung ersetzen können. Ivo Rungg, Partner bei Binder Grösswang: „Der Vorteil liegt in der raschen Bewältigung von großen ­Datenmengen und der effizienten und schnellen Durchführung von Hilfstätigkeiten.“

Mark Krenn, Partner bei Cerha Hempel, sieht das ähnlich: „KI verschafft dem Rechtsanwalt mehr Zeit, um sich mit den rechtlichen Fragestellungen inhaltlich zu beschäftigen. Wir haben also mehr Zeit für die Substanz.“ Aber natürlich kann KI bei der persönlichen Nutzung Juristen auch dabei helfen, Denkfehler oder Schlüssigkeitsfehler aufzuzeigen. KI kann ein guter Sparringspartner in der Strategieentwicklung sein. CMS-IP- und -IT-Experte Klaus Pateter: „Die Nutzung von KI entbindet aber keinesfalls von der Verantwortung für die ­Qualität unserer Arbeitsprodukte.“

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Klaus Pateter, CMS: „Die Nutzung von KI entbindet uns nicht davon, die Qualität der juristischen Arbeit zu prüfen."

 © Wolfgang Wolak

Auch Dorda-Managing-Partner Anderl ist überzeugt: KI wird den Arbeitsalltag eines Juristen effektiver und damit attraktiver gestalten. Dadurch werden sich Juristen auf komplexe Fragestellungen und strategische Überlegungen fokussieren können. Spezialisten werden noch mehr gefragt sein.“ Und Alexandra ­Ciarnau, Co-Leiterin der Digital-Industries-Gruppe bei Dorda meint: „KI kann bestimmte Tätigkeiten schneller als der Mensch ausführen. Ob sie immer präziser oder besser ist, kann man trefflich hinterfragen. Hinter jedem Rechtsfall stehen Menschen, die unterschiedliche Erwartungen, Bedürfnisse und Prioritäten haben. Das gilt es bei der Rechtsberatung zu berücksichtigen, und das macht einen guten Rechtsanwalt aus.“

Der Artikel ist dem Community-Magazin trend. LAW vom Juli 2024 entnommen.

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