Wie das Kontaktrecht in der Praxis bei Problemen durchsetzbar ist, welcher Elternteil wann eine Entscheidung treffen darf, wann das Gericht einschreitet und welche Rechten und Pflichten Obsorgepflichtige haben. Doris Perl, Partneranwältin der D.A.S. Partneranwalt der ERGO Versicherung AG, mit den Details.
Was bedeutet Obsorge?
Als Obsorge werden laut dem Allgemeinen bürgerlichem Gesetzbuch § 177 in Österreich die elterlichen Rechte und Pflichten gegenüber minderjährigen Kindern (bis zum 18. Geburtstag) bezeichnet.
Was umfasst die Obsorge?
Die Obsorge umfasst die Pflege und Erziehung des Kindes, die gesetzliche Vertretung und die Verwaltung des Vermögens (etwa Erspartes). Das trifft zu, wenn einem Elternteil die alleinige Obsorge zukommt, aber Grundmodell ist heutzutage die gemeinsame Obsorge und in dem Fall wird ein Elternteil einvernehmlich oder vom Gericht mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht betraut. Das ist der Elternteil, bei dem das Kind den überwiegenden Aufenthalt hat, der auch dann festgelegt werden muss, wenn es trotz Trennung der Eltern bei der gemeinsamen Obsorge bleibt, was üblich ist.
Wem steht die Obsorge zu?
Bei ehelichen Kindern ist die Obsorge beider Elternteile vorgesehen, auch wenn diese erst nach der Geburt heiraten. Bei nicht verheirateten Elternteilen steht die alleinige Obsorge der Kindesmutter zu, jedoch können die Eltern vereinbaren, dass sie beide mit der Obsorge betraut sind, eine gerichtliche Genehmigung ist nicht erforderlich.
Sorgerecht: Was passiert bei einer Trennung?
Sofern keine andere Vereinbarung getroffen wird, wird bei Scheidung oder Trennung der Eltern die gemeinsame Obsorge beibehalten. Das ändert jedoch nichts an der Unterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils. Jedenfalls müssen sich die Eltern bei einer Scheidung oder Trennung darauf einigen, bei wem das Kind in Zukunft seinen überwiegenden Aufenthalt haben soll.
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Das passiert beim Streit über Obsorge von getrennt lebenden Eltern
Auch wenn beide Elternteile mit der Obsorge betraut sind, aber nicht gemeinsam wohnen, müssen sie festlegen, bei welchem Elternteil sich das Kind überwiegend aufhalten soll. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande oder beantragt ein Elternteil die Übertragung der alleinigen Obsorge, sieht das Gesetz eine Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung vor. Während dieses Zeitraums soll sich zeigen, wie die Eltern mit der veränderten Situation umgehen können, welche Probleme eine Obsorge beider Teile bereiten kann und welche Auswirkungen auf das Kind damit verbunden sind.
Nach dieser Phase entscheidet das Gericht über die Obsorgefrage. Für denjenigen Elternteil, bei dem sich das Kind nicht überwiegend aufhält, bedeutet das, dass er trotz gemeinsamer Obsorge geldunterhaltspflichtig ist. Bei nicht verheirateten Eltern steht die Alleinobsorge nach wie vor der Kindesmutter zu, bei verheirateten Eltern beiden Eltern. Das gilt auch dann, wenn diese erst nach der Geburt des Kindes heiraten.
Das Formular zum Obsorgeantrag und Kontaktrechtsantrag finden Sie hier.
Obsorge: Wann sich das Pflegschaftsgericht einschaltet
Der Kampf um das Kind nach einer Scheidung oder Trennung wird oft mit harten Bandagen ausgetragen. Das spiegelt sich auch im Gesetz wieder. Das Pflegschaftsgericht hat auf Basis des Kindschafts- und Namensrechtsänderungsgesetzes die Möglichkeit, das Recht des Kindes auf Kontakt zum anderen Elternteil sinnvoll durchzusetzen, indem die Familiengerichtshilfe beigezogen wird. Diese leistet Hilfestellung bei der Ausübung des Kontaktrechts und ist nötigenfalls auch persönlich anwesend.
Wer hat die Vertretungsbefugnis?
1. Gemeinsame Obsorge: Vertretung des Kindes steht grundsätzlich beiden zu
Generell ist der Begriff „gemeinsame Obsorge“ im Gesetz nicht präzise definiert. Dieser unterstellt, dass die Eltern alles gemeinsam entscheiden und auch das Kind gemeinsam vertreten. So ist jeder Elternteil für sich gegenüber Dritten alleine vertretungsbefugt. Das bedeutet, dass eine Entscheidung, die einer der vertretungsbefugten Elternteile für das Kind getroffen hat, rechtswirksam wird, ohne dass zuvor der andere Elternteil zustimmen muss.
So kann jeder Elternteil alleine einen Reisepass oder Personalausweis beantragen, eine Schulanmeldung vornehmen oder etwa einen Lehrvertrag unterschreiben. So reicht es aus, wenn ein Elternteil in eine ärztliche Behandlung des Kindes einwilligt oder dieses beispielsweise in einer Schule anmeldet. Entscheidend ist, wer der Erste war, der die Entscheidung trifft. Diese kann allerdings durch den zweiten Elternteil wieder geändert werden. Wenn sich die Elternteile nicht einigen können, besteht die Möglichkeit, per Gericht eine Entscheidung herbeizuführen. Nur selten sind beide Unterschriften notwendig, wie bei der Auflösung eines Lehrvertrags. Wenn sich die Eltern nicht einig sind wie bei der Wahl der Schule, muss das Gericht eingreifen. Dieses teilt dann nach einem Verfahren einem Elternteil die alleinige Obsorge zu.
Vertretungsbefugnis bei gemeinsamer Obsorge: Wann beide Elternteile zustimmen müssen
Änderung des Vornamens oder des Familiennamens
Eintritt in eine Kirche oder Religionsgesellschaft und den Austritt aus einer solchen
Übergabe in fremde Pflege
Erwerb einer Staatsangehörigkeit oder der Verzicht auf eine solche
Vorzeitige Lösung eines Lehr-, Ausbildungs- oder Dienstvertrages
Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind
Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zählen, wie Namensänderung, Erwerb oder Abänderung der Staatsangehörigkeit
Bestimmung des Wohnortes kommt auch bei der gemeinsamen Obsorge dem betreuenden Elternteil zu, also demjenigen, bei dem sich das Kind überwiegend aufhält.
Trotz gemeinsamer Obsorge: Wann die Genehmigung eines Gerichts erforderlich ist
Erwerb und Belastung von Liegenschaften und sonstiger Immobilien
Gründung, Erwerb, Umwandlung, Veräußerung oder Auflösung eines Unternehmens
Verzicht auf ein Erbrecht
Die unbedingte Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft
Die Annahme einer mit Belastung verbundenen Schenkung
Die Ablehnung eines Schenkungangebotes
Die Anlage von Geld außer in Form von Sparanlagen oder Wertpapieren nach den Bestimmungen der § 216, 217 ABGB
Die Erhebung einer gerichtlichen Klage sowie alle prozessrechtlichen Verfügungen
Bis zu einem Betrag von 10.000 Euro ist eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung nicht erforderlich
Gesetzliche Vertretung bei Geschäften zwischen Eltern und Kind erforderlich
Bei Geschäften zwischen minderjährigen Kindern und deren gesetzlichen Vertretern ist immer ein sogenannter Kollisionskurator zu bestellen, der die Interessen des Kindes wahren soll, da der Elternteil, der gleichzeitig vertretungsbefugt ist, sonst mit sich selbst ein Geschäft abschließen würde, was zu einem Interessenswiderspruch führen würde und somit unzulässig ist.
Kann die gemeinsame Obsorge aufgehoben werden?
Möchte ein Elternteil durch einen Antrag die gemeinsame Obsorge aufheben, ist dafür keine Begründung erforderlich. Es genügt seinen Willen Ausdruck zu verleihen, die gemeinsame Obsorge aufzuheben. Die Entscheidung darüber, welcher Elternteil in weiterer Folge mit der alleinigen Obsorge betraut wird, hängt vom Kindeswohl ab.
2. Was bedeutet die alleinige Obsorge zu tragen?
"Bei Alleinobsorge eines Elternteils hat der andere ein Informations- und Äußerungsrecht, jedoch kein Mitbestimmungsrecht“, betont Perl, Partneranwältin der D.A.S. Rechtsschutz AG. Der Elternteil, dem die Obsorge alleine zusteht, hat jederzeit das Recht, das Kind vom anderen, nicht erziehungsberechtigten Elternteil, zurückzuholen.
Wie lange dauert ein Obsorgeverfahren?
Ein strittiges Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren dauert in der Regel gute zwei Jahre. Dazu müssen die Eltern in einem strittigen Verfahren verschiedene Institution durchlaufen. Vom Richter zur Familiengerichtshilfe, zur Elternberatung, zum Kinderbeistand und Sachverständigen, unter Umständen noch zum Jugendamt und mitunter auch zur Polizei.
Was gehört zum Kindeswohl?
Die Eltern müssen sich bei der Obsorge am Kindeswohl orientieren. Was dieses Kindeswohl beinhaltet, ist im §138 ABGB Kindeswohl, genau festgelegt.
Die gesetzlichen Kriterien wonach das Kindeswohl beurteilt wird
Einer angemessenen Versorgung und eine sorgfältige Erziehung des Kindes. Der betreuende Elternteil hat daher dafür Sorge zu tragen, dass das Kind ausreichende und anständige Nahrung zu sich nimmt, sanitär und medizinisch bestmöglich betreut ist und eine sorgfältige Erziehung des Kindes erfolgt;
Fürsorge, Geborgenheit und Schutz der körperlichen und seelischen Integrität des Kindes;
Wertschätzung und Akzeptanz des Kindes durch die Eltern;
Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes;
Berücksichtigung der Meinung des Kindes in Abhängigkeit von dessen Verständnis und der Fähigkeit zur Meinungsbildung;
Vermeidung der Beeinträchtigung, die das Kind durch die Um- und Durchsetzung einer Maßnahme gegen seinen Willen erleiden könnte;
Vermeidung von Gefahren für das Kind, Übergriffe oder Gewalt selbst zu erleiden oder an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben;
Vermeidung der Gefahr für das Kind, rechtswidrig verbracht oder zurückgehalten zu werden oder sonst zu Schaden zu kommen;
verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen und wichtigen Bezugspersonen sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen;
Vermeidung von Loyalitätskonflikten und Schuldgefühlen des Kindes;
Wahrung der Rechte, Ansprüche und Interessen des Kindes und Lebensverhältnisse des Kindes, seiner Eltern und seiner sonstigen Umgebung.
Beispiele für Verletzung des Kindeswohls
Schlechtmachen des anderen Elternteils verboten
Jeder Elternteil hat alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigen oder dessen Aufgaben erschweren könnte. Dieses "Wohlverhaltensgebot" dient dem Kindeswohl und bedeutet, dass der andere Elternteil dem Kind gegenüber beispielsweise nicht schlecht gemacht werden soll.
Das Kindeswohl wird beispielsweise auch gefährdet, wenn ein Kind vernachlässigt oder nach einer Trennung der Kontakt zum anderen Elternteil unterbunden wird.
Was passiert bei Kindeswohlgefährdung?
Gefährden die Eltern das Kindeswohl, kann die Obsorge vom Gericht eingeschränkt oder entzogen werden.
Kontaktrecht (Besuchsrecht) Österreich bei unehelichen Kindern und nach einer Scheidung
Lebt ein Elternteil nicht im gemeinsamen Haushalt mit seinem Kind, hat dieser das Recht auf regelmäßigen persönlichen Kontakt („Kontaktrecht“) mit seinem Kind. Wie oft der Kontakt stattfindet, sollten im Idealfall die Eltern untereinander ausmachen. Wenn das nicht gelingt, kann bei Gericht ein Antrag auf Regelung der Kontakte gestellt werden. Das Formular für einen Kontaktrechtsantrag finden Sie auf justizonline.gv.at. Kommt es im Laufe der Ausübung des Kontaktrechts zu Verstößen gegen das Kindeswohl, kann dieses Recht auch wieder entzogen werden.
Wie oft darf ein Vater sein Kind sehen?
Als üblich gilt nach ständiger Rechtsprechung ein Kontaktrecht von zwei Tagen alle zwei Wochen sowie von vier Wochen in den Ferien, insgesamt somit etwa von 80 Tagen pro Jahr. Starre Grenzen sind dabei laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofs allerdings nicht zu ziehen.Wie viel Stunden das Kind am Kontakttag mit dem anderen Elternteil verbringen muss, um als solcher zu gelten, legt das Gesetz nicht fest und auch nicht, ob damit auch eine Nächtigung verbunden ist.
Unterhalt hängt von Betreuungstagen ab
Wenn um jeden einzelnen Tag erbittert gestritten wird, liegt das jedoch oft auch am Geld. Das Ausmaß des Kontaktrechts hat nämlich auch Auswirkungen auf die Höhe des Kindesunterhalts. Wenn das Kontaktrecht über das Ausmaß von zwei Tagen alle zwei Wochen (oder einem Tag pro Woche) sowie vier Wochen in den Ferien hinausgeht, reduziert sich die Unterhaltspflicht um zehn Prozent pro zusätzlichen wöchentlichen Betreuungstag. Wenn das Kontaktrecht nur für einige Stunden besteht, wird dieser Tag allerdings nicht berücksichtigt.
Alleinige Obsorge: Wer bestimmen darf, wo das Kind lebt
Leben die Eltern getrennt, so hat der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind überwiegend lebt, das alleinige Recht, den Wohnort des Kindes zu bestimmen und zu verlegen. Die Verlegung des Wohnorts gilt jedoch laut § 189 ABGB als wichtige Angelegenheit weshalb der andere Elternteil rechtzeitig davon zu verständigen ist, damit dieser sich äußern kann. Wird das unterlassen, stellt diese ist im Sinn des Haager Kindesentführungsübereinkommens einen Sorgerechtsbruch dar.
Kontaktrecht: Was Kinder ab 14 Jahren selbst entscheiden dürfen
Ab dem 14. Lebensjahr des Kindes bringt es nichts mehr sich um das Kontaktrecht zu streiten. Denn Kinder ab 14 Jahren dürfen nicht gegen ihren Willen zum Kontakt mit dem Elternteil, der nicht obsorgeberechtigt ist, gezwungen werden. Sie können ab diesem Zeitpunkt auch selbst Anträge, die ihre Pflege, Erziehung und das Besuchsrecht betreffen, stellen.
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