Das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz soll vor allem Scheinfirmen treffen. Charlotte Böhm, Partneranwältin der D.A.S., informiert, wie diese Firmen vorgehen, wie Behörden wie Krankenkassen diesen Firmen aufspüren wollen, welche rechtlichen Konsequenzen für Auftraggeber und Scheinfirmen drohen und wie Mitarbeiter getroffen sind.
Seit dem 1. Jänner 2016 ist das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz in Kraft getreten. Sozialbetrug, insbesondere durch Scheinunternehmen, soll so besser verhindert und gesetzlich verfolgt werden können. Damit sollen unter anderem der Betrug bei Sozialversicherungsbeiträgen, Gemeindeabgaben, Lohnsteuer und Zuschlägen für Abfertigungs- und Urlaubskassen im Bau- und Baunebengewerbe ein Riegel vorgeschoben werden. Jährlich gehen dem Staat so hohe Summen an Abgabenschuld verloren.
In welchen Branchen es die meisten Fälle von Sozialbetrug gibt
Die meisten Fälle von Sozialbetrug gehen von Unternehmen in personalintensiven Branchen aus. Meist betrifft es das Bau- und Baunebengewerbe oder auch die Personalbereitstellung. Diese Unternehmen arbeiten als Subunternehmen von Subunternehmen, nicht selten für renommierte Bauunternehmen, die kaum noch über eigenes Personal verfügen.
Besonders betroffen sind kleine Unternehmen, meist Gesellschaften mit beschränkter Haftung und einem Mindestkapital von 35.000 Euro. Meist ist bei diesen Scheinunternehmen das Mindestkapital gar nicht vorhanden. Geführt wird das Unternehmen von Geschäftsführern, die weder aus Österreich stammen, noch ihr Vermögen hier haben.
Typische Fälle von Sozialbetrug
1. Umsatz wird eins zu eins ausgegeben
Die Methode: Der Umsatz wird eins zu eins - de facto als wäre es der Gewinn - verbraucht. Die Löhne werden schleppend oder gar nicht bezahlt, die Lohnnebenkosten überhaupt nicht.
2. Scheinanmeldungen verkauft
Eine weitere Variante ist, dass Anmeldungen zur Sozialversicherung verkauft werden, obwohl dafür niemand beschäftigt wird.
3. Firmen nur kurz am Markt
Manche dieser Gesellschaften sind nur wenige Monate tätig, manche schaffen es durch Verlegung des Standorts oder Geschäftsführerwechsel der Aufmerksamkeit der Behörden länger zu entgehen.
Welche Delikte als Sozialbetrug gelten
Ziel des Gesetzes ist es, die Tätigkeit derartiger Firmen rasch einzustellen und die verantwortlichen Personen, so man ihrer habhaft werden kann, strafrechtlich zu verfolgen.
Als Fälle von Sozialbetrug wertet das Gesetz
Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung
Betrügerisches Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem
Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzorganisierte Schwarzarbeit
gewerbsmäßiger Betrug
Gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Sozialbetrug
1. Behörden arbeiten enger zusammen
Das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz sieht eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Behörden wie die Finanzstraf- und Abgabenbehörden, den Trägern der Krankenversicherung, der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, die Insolvenzentgeltfonds-Service GmbH, den Sicherheitsbehörden, den Bezirksverwaltungsbehörden, der Gewerbebehörde, Arbeitsinspektoraten und dem Arbeitsmarktservice vor.
2. Verbesserter Datenaustausch zwischen diesen Behörden Dazu werden Daten ausgetauscht und eine zentrale Datenspeicherung eingerichtet.
3. Risiko- und Auffälligkeitsanalysen Gebietskrankenkassen machen bei Dienstgebern künftig Risiko- und Auffälligkeitsanalysen.
4. Andere Hinweise: Unauffindbarkeit der für das Unternehmen tätigen Personen, Unmöglichkeit der Herstellung eines persönlichen Kontakts, Verwendung falscher oder verfälschter Urkunden, keine angemessenen Betriebsmittel und Rückstände beim Sozialversicherungsträger.
Bei einem begründeten Verdacht muss das betroffene Unternehmen schriftlich von der Abgabenbehörde informiert werden. Der Brief wird an die zuletzt bekannte Zustelladresse zugestellt.
Verdacht auf Sozialbetrug: Wie sich Unternehmen wehren können
Gegen den Verdacht kann binnen einer Woche ab Zustellung persönlich bei der Abgabenbehörde Widerspruch eingelegt werden. Wird kein Widerspruch erhoben, wird von der Abgabenbehörde per Bescheid festgestellt, dass das Unternehmen als Scheinunternehmen gilt. Wird dagegen ein Widerspruch erhoben, wird ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und mittels Bescheid entschieden.
Liste der Scheinunternehmen
Das Finanzministerium veröffentlicht im Internet eine Liste der rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen.
Das Scheinunternehmen wird von Amts wegen gelöscht.
Rechtliche Konsequenzen für den Auftraggeber eines Scheinunternehmens
Ein Auftraggeber eines Scheinunternehmens, der zum Zeitpunkt der Auftragserteilung wusste oder wissen musste, dass es sich um ein Scheinunternehmen handelt, haftet als Bürge und Zahler für den Ausfall. Verfahren über die Zuerkennung von Insolvenzausfallentgelt werden in diesem Fall ausgesetzt. Denn steht fest, dass es sich um Scheinunternehmen handelt, verliert man den Anspruch auf diesen Ausfallsentgelt.
Rechtliche Konsequenzen für Dienstnehmer von Scheinunternehmen
• Dienstnehmer eines Scheinunternehmens werden binnen sechs Wochen bei der Krankenversicherung vorgeladen. Kommen diese der Aufforderung persönlich zu erscheinen nicht oder nicht rechtzeitig nach oder kann nicht glaubhaft gemacht werden, dass tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet wurden, erlischt die Pflichtversicherung. Die Versicherung erlischt rückwirkend mit dem Tag an dem das Scheinunternehmen als solches festgestellt wird.
• Ab dem Zeitpunkt da per Bescheid feststeht, dass es sich um ein Scheinunternehmen handelt, werden auch keine Anmeldungen zur Pflichtversicherung mehr durchgeführt.
• Wenn ein Mitarbeiter glaubhaft versichert, für das Unternehmen Arbeit verrichtet zu haben, ermittelt der Krankenversicherungsträger den wahren Dienstgeber. Ist das nicht möglich, gilt der Auftraggeber des Scheinunternehmens als Dienstgeber – sofern dieser wusste oder wissen hätte müssen, dass es sich beim Auftragnehmer um ein Scheinunternehmen handelt und nicht beweist, dass er von der entsprechenden Person keine Arbeitsleistung erhalten hat.
• Liegt eine Unterentlohnung im Sinne des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes bei der Bezirksverwaltungsbehörde vor, sind Dienstnehmer über eine Anzeige gegen den Dienstgeber zu informieren.
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Dr. Charlotte Böhm
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