trend: Mittelständische Unternehmen müssen sich der Herausforderung zunehmender Globalisierung und disruptiven Businessmodellen stellen. Welche Rolle spielen dabei Produktivität und Innovationskraft?
Marcus Riedler: Sie spielen eine sehr wichtige Rolle: Die deutlichen und anhaltenden Veränderungen des Kundenverhaltens, der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie der Lieferketten erfordern das Aufgreifen neuer technologischer Trends. Wir merken, dass die effiziente Nutzung vorhandener Ressourcen in der Pandemie deutlich an Wichtigkeit gewonnen hat. Viele Unternehmen wurden wachgerüttelt und mussten sich rasch auf geänderte Rahmenbedingungen einstellen. Der Vorteil ist, dass gerade mittelständische Unternehmen sehr schnell auf Veränderungen reagieren können: Sie haben die Fähigkeit, ihre Ressourcen rasch zu erneuern, und blicken auch über den eigenen strategischen Tellerrand hinaus. Wichtig ist jedoch, bei jeder Innovation die Kunden einzubeziehen, zumal der Mittelstand sehr eng mit den Kunden verbunden ist.
Oft ist im Mittelstand eine Innovation die Grundlage für die ersten Erfolge, der „Gründerspirit“ der Anfangsjahre bleibt aber nur selten lange erhalten. Wie können Unternehmen in jeder Phase ihrer Entwicklung innovativ bleiben – und warum ist das wichtig?
Unternehmen können nicht nur, sie müssen sich sogar ständig weiterentwickeln – denn wer stehen bleibt, wird vom Mitbewerb überholt. Es geht dabei nicht darum, um jeden Preis Innovationsführer zu sein, doch man sollte beim Thema Innovation jedenfalls einen Investitionsschwerpunkt setzen. Das bedeutet, Mittel für Forschung und Entwicklung freizugeben, aber auch eine gesunde Fehlerkultur zu entwickeln – man muss bereit sein, neue Ideen auszuprobieren und sich auch ein Scheitern eingestehen können. Entscheidend ist zudem die Förderung der Innovationskultur im Unternehmen: Von dynamischen und agilen Organisationsformen kann jedes Unternehmen profitieren – nicht nur Dienstleister, sondern auch Produktionsbetriebe. Das ist auch im Sinne der Mitarbeiterbindung von Vorteil: Wenn Mitarbeiter unterschiedlichste Bereiche im Unternehmen kennenlernen, entwickeln sie neue Ideen – und Innovation basiert auf frischen Inputs.
Was treibt mittelständische Betriebe im Bereich Innovation an? Geht es um neue Geschäftsfelder, Kostenreduktion, Effizienzsteigerung und Kundenbindung? Oder ist das Ziel der Innovationstätigkeit eine Mischung aus mehreren Faktoren
Es ist definitiv eine Mischung aus mehreren Faktoren. Viele machen den Fehler, sich zu sehr auf interne Themen und Prozesse zu konzentrieren. Innovation darf jedoch nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss immer den Kunden einen Mehrwert bringen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass bei jeder Innovation der Kunde im Mittelpunkt stehen sollte. Denn der Erfolg einer Innovation misst sich am Unternehmenserfolg selbst.
In welche Systeme, Technologien bzw. Digitalisierungsinitiativen sollten mittelständische Unternehmen investieren, um Produktivität und Innovation zu fördern?
Wenn die Kundenbeziehungen im Mittelpunkt stehen, muss man schnell und flexibel sein. Dynamik und Reaktionsfähigkeit sind also entscheidend. Dafür eignen sich vor allem cloudbasierte Lösungen sehr gut – Stichwort „Speed to Market“. Denn um schnell reagieren zu können, braucht es agile Systeme, die hoch skalierbar und leicht integrierbar sind. Mobile Arbeitsplätze sind ebenfalls sehr empfehlenswert: Jeder Unternehmer sollte heute das Ziel haben, sein ganzes Business über das Mobiltelefon steuern zu können – denn das steigert unweigerlich Produktivität und Innovationskraft.
Ist der Stellenwert der Innovation im Mittelstand durch die Pandemie gestiegen – oder im Gegenteil sogar gesunken, weil andere Themen in den Vordergrund gerückt sind?
Die Pandemie hat vielen eindrucksvoll vor Augen geführt, was alles möglich ist – und anderen offenbart, wo ihre Schwachstellen liegen. Dass gerade der Mittelstand kurze Entscheidungswege hat und schnell Änderungen vornehmen kann, hat sich als großer Vorteil erwiesen. Jetzt geht es darum, nicht auf der Stelle zu treten, sondern den nächsten Schritt zu wagen. Gerade vor dem Hintergrund der gestiegenen Digitalisierung im Vertrieb und in den Lieferketten kann künstliche Intelligenz sehr interessant sein, da viele Daten generiert werden und sich neue Möglichkeiten ergeben. Auch hier hilft die Nähe zum Kunden, um Verbesserungspotenziale zu erkennen und zu heben.
Austria’s Best Managed Companies befindet sich in der heißen Phase. Welche Eigenschaften verbinden hervorragend geführte Unternehmen – ungeachtet der Branche oder ihres Hintergrundes?
Was alle Best Managed Companies verbindet, ist die Eigenschaft, sich immer wieder neu zu erfinden. Auch etablierte Familienunternehmen können sich wie Start-ups fühlen und so agieren. Zudem muss der Erfolg immer messbar sein, denn erst das ermöglicht gezielte Innovation. Eine weitere wichtige Gemeinsamkeit ist die direkte Einbindung der Kunden in den Innovationsprozess. Das kann beispielsweise bedeuten, dass Kunden einen eigenen Zugang zu den Systemen des Unternehmens bekommen, um den direkten Austausch zu gewährleisten. Permanenter Austausch ist die beste Basis für erfolgreiche Innovation. Das schließt auch die Mitarbeiter mit ein: Es reicht nicht, eine Innovationsabteilung einzurichten und auf ein Wunder zu warten. Vielmehr gilt es, Augen und Ohren offenzuhalten – denn Innovation kann von überall kommen.
Zur Person
Marcus Riedler ist Partner im Bereich Consulting bei Deloitte Österreich. Er leitet als Teil von Deloitte Digital die Digital Customer Experience Practice in Österreich. Mit Salesforce als innovativer Enterprise-Cloud-Lösung, die bereits bei mehr als 180.000 Kunden weltweit im Einsatz ist, unterstützt Riedler österreichische Kunden bei der Konzeption, Prozessdefinition und -modellierung sowie Implementierung komplexer Lösungen.
Are you Best in Class?
Best Managed Companies ist ein international etabliertes Programm, das aktuell in mehr als 30 Ländern hervorragend geführte Unternehmen auszeichnet. Die teilnehmenden Unternehmen werden von einer unabhängigen Expertenjury in den vier Schwerpunktbereichen Strategie, Governance & Finanzen, Produktivität & Innovation sowie Kultur & Commitment bewertet. Unternehmen, die in all diesen Bereichen überzeugen können, werden ausgezeichnet. Der Bewerbungsprozess wird von jeweils zwei erfahrenen Beratern von Deloitte begleitet. Zentrales Element ist ein Workshop gemeinsam mit dem Topmanagement, um bestmögliche Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Dabei wird die Führungsarbeit der jeweiligen Unternehmen mit international erprobten „Leading Practices“ abgeglichen. Interessierte Unternehmen können sich bereits jetzt für das Programm 2022 vormerken lassen.
Nähere Informationen finden Sie unter www.deloitte.at/bestmanaged