Bürger erwarten viel von der MODERNEN VERWALTUNG. Wie das mit wenig Code gelingt, macht das Land NÖ vor. Zwei Experten berichten, wie’s geht.
Sie sind seit acht Jahren als CIO für das Land Niederösterreich tätig. Was hält das Land, technisch betrachtet, am Laufen?
Vom Organisationsprinzip funktioniert die Landesverwaltung nicht anders als ein Unternehmen. Die Aufgaben sind wirklich vielschichtig und umfassen Bereiche wie Bildung, Wirtschaft, Umwelt, Land- und Forstwirtschaft bis hin zur Gesetzgebung. Als moderne Verwaltung sind wir bemüht, die Services und Leistungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen einfach zugänglich zu machen, und das bedeutet heute vor allem rund um die Uhr und ohne Medienbruch. Als IT-Dienstleister des Landes befinden wir uns da in einem Spannungsfeld, eine Vielzahl von digitalen Services nach außen anzubieten und gleichzeitig Prozesse innerhalb der Verwaltung durchgängig zu unterstützen.
Hier kommen Sie ins Spiel – als Unterstützer der Unterstützung sozusagen. Die Verwaltung in Niederösterreich ist schon hochgradig digitalisiert. Geht es heute um reine Systemverbesserungen oder ganz neue Zugänge?
Sie haben recht, in Niederösterreich gibt es bereits eine sehr gut digitalisierte Struktur. Das heißt, der elektronische Akt ist ausgerollt und etabliert, Prozesse sind digital abgebildet und Abläufe eingespielt. Das ist das Ergebnis jahrelanger Anstrengungen und professioneller Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Auf Basis dieser Vorarbeit können wir jetzt im Zuge der digitalen Transformation besonders gut mit zusätzlichen Angeboten unterstützen – und da konzentrieren wir uns auf Anwendungen, die besonders rasch und zielgerichtet Nutzen stiften.
Noch schnellere Umsetzung also. Welche Projekte haben Sie in Planung?
Mit der Onlineantragstellung sowie unserer zentralen Förderapplikation haben wir im Bereich der Automatisierung von Verfahren gute Erfahrungen gemacht und massiv an Effizienz gewonnen. Berufsgruppen im Außendienst bei Betrieben oder im freien Feld können über mobile Endgeräte medienbruchfrei auf die zentralen Services zugreifen. Aktuell bauen wir ein Onlineserviceportal dazu auf. Zur Jahresmitte wird dann auch der sogenannte Teamroom – das Kernstück der Plattform, wo sich Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen mit der Behörde zu laufenden Verfahren austauschen können – umgesetzt sein. Die Testungen einfacher Formulare und Onlineservices sollen noch im dritten Quartal erfolgen. Die Erprobung der Authentifizierung inklusive eines ersten Verfahrens in der Abteilung Umwelt und Anlagenrecht wird im ersten Quartal 2025 stattfinden. Basierend auf diesen Erfahrungen und den wiederverwendbaren Komponenten wollen wir in Serie gehen und weitere Verfahrensabwicklungen in das Serviceportal integrieren.
Fabasoft ist maßgeblich an der Einführung des niederösterreichischen Serviceportals beteiligt. Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Tagesgeschäft?
Durch die jahrelange Kooperation gestaltet sich die Zusammenarbeit sehr professionell, zielorientiert und reibungslos. Regelmäßige Treffen ermöglichen einen wichtigen Informationsaustausch, von dem beide Seiten profitieren und aus dem sich der optimale Einsatz der Produkte und Potenziale ableitet.
Kernstück ist eine Plattform mit geringstmöglichem Programmieraufwand. Warum haben Sie sich für so ein No-Code-/Low-Code-Konzept entschieden?
Wir haben nach technischen Lösungen gesucht, um digitale Services für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu erstellen, ohne aufwendige Entwicklung sowie Wartung durch IT-Spezialistinnen und -Spezialisten. Dafür bietet sich die Technologie der No-Code-/Low-Code- Plattform an. Im Rahmen eines Proof of Concept mit unserem langjährigen Partner Fabasoft stellten wir fest, dass die hier angebotene Integration in die bestehende eGov-Suite des elektronischen Akts sehr viele Vorteile mit sich bringt. Dadurch können wir die bisherigen Investitionen in das System weiterverwenden, und das umfassende Know-how der Mitarbeitenden bleibt erhalten. Das 24/7 zur Verfügung stehende Onlineserviceportal bietet die Möglichkeit, die Kommunikation mit der Landesverwaltung neu und interaktiv zu gestalten und Prozesse zu beschleunigen.
Die Verwaltungsangestellten können also auch ohne IT-Fachwissen neue Antragsverfahren entwickeln. Wie funktioniert das?
Für die Erstellung von neuen Verfahren sind mit Low-Code/No-Code keine Programmierkenntnisse notwendig, da die Formulare nicht von Grund auf neu zu erstellen sind, sondern quasi ein Baukastensystem zur Verfügung steht, das immer wieder verwendbar ist. Die Beschäftigten legen selbstständig fest, was von den Antragstellerinnen und Antragstellern verpflichtend auszufüllen ist, welche Beilagen notwendig sind, und definieren gleichzeitig den behördeninternen Prozess. Die Behörde kann so autark, rasch und ressourcenschonend auf neue Entwicklungen und Anforderungen reagieren.
Sie haben eine Vielzahl von Dienstleistern an der Hand. Warum arbeiten Sie hier mit Fabasoft zusammen?
Der Erfolg innovativer Projekte in der öffentlichen Verwaltung hängt wie bei Unternehmen von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören vor allem ausgereifte Technologien. Außerdem braucht es ein kompetentes Projektteam und einen professionellen Projektpartner, der die Anforderungen – in diesem Fall jene der Verwaltung – versteht.
Neben Effizienzgewinn und besserem Bürgerservice – womit beschäftigen Sie sich noch? Welche technischen Visionen sind denkbar, vielleicht bald im Einsatz?
Natürlich beschäftigen wir uns auch mit dem Einsatz anderer neuer Technologien wie Drohnen, um den Aufwand für Begehungen zu reduzieren, oder den Möglichkeiten von Automatisierungen mittels künstlicher Intelligenz zur Unterstützung von Beschäftigten bei repetitiven Aufgaben. Dazu gibt es erste Versuche, und wir halten es hier wie bei den Onlineservices: Mit konkreten Anwendungsfällen evaluieren wir im Rahmen eines Proof of Concept die Funktion und den Nutzen.
An welchen spannenden Themen arbeiten die Fabasoft-Teams?
Wir sind laufend dabei, innovative Produkte für unsere Kunden zu entwickeln. Zum Beispiel ist die logische Weiterführung der Ansätze, um dem Fachkräftemangel und dem demografischen Wandel entgegenzuwirken, eine Unterstützung der Mitarbeitenden mittels intelligenter Automatisierung. Dafür haben wir mit „Fabasoft Done!“ eine Solution für unsere Kunden, welche die Qualität und die Geschwindigkeit der Prozessabarbeitung deutlich steigert. Das entlastet nicht nur Beschäftigte, sondern überführt auch das Wissen von Expertinnen und Experten in ein Regelwerk innerhalb des Systems. Dadurch erfolgen viele Schritte in den Prozessen vollkommen automatisiert oder teilautomatisiert. Ziel ist es, dass die Mitarbeitenden den Fokus ihrer Tätigkeit weg von repetitiven hin zu anderen wesentlichen Aufgaben legen können.
NIEDERÖSTERREICH: Digitalisierung in Gelb-Blau
VORREITER. Das flächenmäßig größte Bundesland mit 1,7 Millionen Menschen startete bereits 2017 als österreichweiter Vorreiter eine Digitalisierungsoffensive. Seither wurden zahlreiche Projekte für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen umgesetzt, darunter gezielte Förderungen für Digitalisierungsvorhaben. Mittlerweile stehen fast 100 Prozent der Formulare elektronisch zur Verfügung und das Land verzeichnete im Jahr 2023 einen Rekord von mehr als einer Million Onlineanträgen. In Tulln gibt es seit 2019 sogar einen spektakulären Showroom, das Haus der Digitalisierung: virtuelleshaus.at