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Die Energiewende hängt am Netz

In Kooperation mit Schiefer Rechtsanwälte.
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Aktualisiert
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7 min

©APG
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Immer mehr PV-Anlagen und immer mehr Windräder liefern immer mehr grünen Strom. Aber schaffen das auch die Stromnetze? Immer deutlicher wird: Die Energiewende hängt nicht am seidenen Faden, sondern an zu schwachen Leitungsdrähten.

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Die Sonne scheint, der Wind weht, die Photovoltaik­anlagen produzieren auf Hochtouren, die Windräder drehen und kurbeln – also ein idealer Tag für die Energiewende. Nicht ganz. Denn es ist Wochenende, bei den meisten Unternehmen stehen die Maschinen still. Die Folge: Es gibt viel Strom, aber kaum Nachfrage. Also muss abgeschaltet werden, weil die bestehenden Verteilungsnetze für den starken Ausbau erneuerbarer Energiequellen nicht ausreichend gerüstet sind. So geschehen heuer unter anderem in Oberösterreich und in der Steiermark. Scheitert die Energiewende, der Ersatz fossiler Energieträger wie Öl und Gas durch erneuerbare Energie, an veralteter Infrastruktur? Wir wollen – aber können wir auch?

Klar ist: Will Österreich das Ziel erreichen, bis 2040 klimaneutral zu sein, besteht Ausbaubedarf. „Österreichs Stromnetz ist derzeit nicht ausreichend dimensioniert, um die Energiewende bis dahin zu schaffen“, warnt Gerhard Christiner, Vorstand der Austrian Power Grid (APG). „Wir reden schon seit vielen Jahren vom Ausbau der Netze, aber es geht zu langsam voran“, betont auch Verena Ehold, Geschäftsführerin des Umweltbundesamts, „wenn wir weiter im Bummelzug-Tempo unterwegs sind, wird das nicht reichen.“

Die Herausforderungen sind vielfältig. Ein zentrales Versorgungssystem mit Einbahnfunktion vom Energieversorger zum Verbraucher muss zu einem dezentralen Mehrwegsystem umgerüstet werden, bei dem viele kleine Stromproduzenten ins allgemeine Netz einspeisen können. Schon jetzt gibt es bei Planung und Genehmigung von großen PV-Anlagen Verzögerungen, weil vor Ort keine ausreichenden Netzkapazitäten zur Verfügung stehen. Damit künftig jeder Ökostromerzeuger seine Überschüsse ins heimische Netz einspeisen kann, müsse die dafür notwendige Infrastruktur erheblich ausgebaut werden, betont der APG-Vorstand. Denn regionale Stromüberschüsse, die unkontrolliert ins Übertragungsnetz rückgespeist werden, müssen wieder aus dem System genommen werden, was mit hohen Kosten verbunden ist. Allein im Juli kostete es 20 Millionen Euro, um das Überangebot an Strom loszuwerden. „Leider erfährt die Infrastruktur nicht die Bedeutung, die sie haben sollte, damit das System problemlos funktioniert“, so Christiner.

Das Stromnetz ist nicht die einzige Baustelle. Neben einem Backup für windstille, bedeckte Tage und dunkle Winter, die mit – im Ideal­fall wasserstofftauglichen – Gaskraftwerken überbrückt werden müssen, rückt immer stärker das Thema Speicherung in den Fokus. „Die Energiebranche investiert Milliarden in Speicherlösungen“, betonte auch Martin Graf, Vorstand der Energie Steiermark, bei einer Diskussion im Rahmen des Denk- und Inspirationsevents „Schiefer Festspiele“, veranstaltet vom Vergaberechtsspezialisten Martin Schiefer. „Wasserstoff wird da eine große Rolle spielen, das wird ein Gamechanger“, ist Graf überzeugt.

Überzogener Pessimismus ist jedenfalls nicht angebracht. Denn es tut sich einiges. Gerade erfolgte der Spatenstich für die Modernisierung des Umspannwerks Sarasdorf in Niederösterreich. Dort laufen, wenn das Projekt in sechs Jahren abgeschlossen ist, mehrere zen­trale 380-kV-Versorgungsleitungen zusammen. Und auch der PV-Boom hält ungebrochen an: Alleine heuer gehen in Österreich rund 120.000 neue Anlagen in Betrieb.

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Mehr Kapazität. APG-Vorstand Gerhard Christiner fordert einen Ausbau der Netze – sonst sei die Energiewende nicht zu schaffen. Die Infrastruktur müsse stärker in den Fokus rücken.

 © Alexander Felten

Schnellere Verfahren.

 „Wir können die Klimaziele erreichen, müssen aber dafür aber auch die Möglichkeiten schaffen“, sagt Leonhard Schitter, Vorstandschef der Energie AG. Vordringlich ist für ihn die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Zwar könnten Anlagengenehmigungen dank EU-Notverordnung beschleunigt werden, allerdings nicht die notwendigen Flächenwidmungen. „Das gehört geändert“, fordert Schitter.

Optimistisch stimmen auch die technischen Fortschritte. Moderne Wärmepumpen reagieren auf die Veränderung von Stromtarifen und heizen bevorzugt dann, wenn Strom im Überfluss vorhanden ist. Auch an Konzepten, E-Autos für die Speicherung von Strom zu nutzen, wird gearbeitet. 80 Prozent aller heimischen Haushalte sind bereits mit Smart Metern ausgestattet, aber die Nutzung der gewonnenen Daten steckt noch in den Kinderschuhen. Und die Leistungsfähigkeit von Windrädern hat sich in wenigen Jahren vervielfacht, vor allem aufgrund immer größerer Rotorblätter. Vier Megawatt beträgt derzeit die durchschnittliche Leistung einer Windkraft­anlage, im südchinesischen Meer wird gerade eine Anlage errichtet, die 16 Megawatt bringt. Damit können 36.000 Haushalte ein Jahr lang versorgt werden.

Kommunikation entscheidet.

Die Energiewende ist nicht nur ein technisches Thema, sondern auch ein gesellschaftliches. Denn immer wieder wehren sich Bürger gegen Windparks in ihrer Nachbarschaft. „Wir brauchen eine bessere Kommunikation“, sagt Umweltbundesamt-Chefin Ehold, „echte Partizipation und die positiven Aspekte der Energiewende müssen stärker in den Fokus rücken. Gegeneinander werden wir die Energiewende nicht schaffen, nur miteinander.“ Einen gesellschaftlichen Schulterschluss fordert auch Martin Graf. Klar ist für ihn aber auch: Die Energiewende wird etwas kosten. Und sie wird sichtbar sein. Denn Windräder unter der Erde – das wird auch den besten Ingenieuren nicht gelingen.

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Mehr Kommunikation. Vorteile herausstellen und Partizipation der Bürger ermöglichen: Das muss noch besser als bisher gelingen, sagt Verena Ehold, Chefin des Umweltbundesamts.

 © Rudi Froese
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So sehen sieger aus. Gastgeber Martin Schiefer (Mitte) mit den Gewinnern den erstmals vergebenen „Schiefer Awards“ für innovative Persönlickeiten und Projekte im Vergaberecht.

 © Umweltbundesamt/B. Gröger
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