Vergaberechtsspezialist MARTIN SCHIEFER über die Schiefer-Awards und Mut als wichtige Eigenschaft, um die Zukunft zu gestalten.
Die Schiefer-Awards wurden jetzt zum zweiten Mal vergeben. Was ist die Idee dahinter?
Wir stehen wirtschaftlich und gesellschaftlich vor großen Herausforderungen: Klimawende, Rezession, anhaltende Teuerung, gesellschaftliche Spaltung – die vielfältigen Krisen sind allgegenwärtig, alles ist wahnsinnig komplex. Da ist die Versuchung groß, den Kopf in den Sand zu
stecken. Aber genau das ist der falsche Weg, Resignation war noch nie ein Zukunftskonzept. Und vor allem: Es gibt positive Beispiele für nachhaltiges Wirtschaften und Kreislaufwirtschaft, es gibt Lösungen für ein zukunftsfähiges Pensionssystem, es gibt Blaupausen für ein effizienteres Gesundheitssystem und für bessere Schulen. Sie alle zeigen: Ja, es geht – man muss es nur tun! Und genau solche Beispiele holen wir bei den Schiefer-Awards vor den Vorhang.
Die Stimmung im Land ist derzeit nicht gerade optimistisch.
Umso wichtiger ist es, positive Akzente zu setzen und Perspektiven zu eröffnen. Deshalb haben wir uns bei den „Schiefer-Festspielen“ eine ganze Woche lang intensiv in Workshops und bei Podiumsdiskussionen mit Themen wie Digitalisierung, Infrastruktur und Wirtschaftsstandort beschäftigt. Also mit Themen, die Österreichs Zukunft bestimmen werden.
Welche Rolle kann das Vergaberecht dabei spielen?
Bund, Länder und Gemeinden vergeben jährlich rund 70 Milliarden Euro an öffentlichen Aufträgen
– das ist eine enorme Summe und der größte Hebel, den wir haben, um Lösungen für die entscheidenden Fragen zu finden und die Zukunft zu gestalten. Man muss ihn nur richtig anwenden.
Konkret: Was bedeutet „richtig anwenden“?
Richtig anwenden bedeutet, die Auftragsvergabe nicht als ungeliebten bürokratischen Aufwand zu betrachten, sondern als großartige Möglichkeit zu verstehen, eine lebenswerte, umweltgerechte und nachhaltige Zukunft zu gestalten. Richtig anwenden bedeutet auch, sich nicht ausschließlich am Billigstbieterprinzip zu orientieren, denn das führt uns als Wirtschaftsstandort und als Gesellschaft in eine Sackgasse. Tatsächlich sind die gesetzlichen Möglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit in der Beschaffung im Wesentlichen vorhanden, wir nutzen sie nur viel zu wenig.
Wie kann eine Veränderung gelingen?
Wir müssen die Dinge in vielen Bereichen neu denken, auch im Vergaberecht. Und bevor Sie fragen, was das konkret bedeutet: Wenn wir ein zukunftsorientiertes Vergaberecht wollen, müssen bei den Eignungs-, Auswahl- und Zuschlagskriterien konkrete Nachhaltigkeitsziele definiert werden. Und wir müssen vorbildliche Unternehmen belohnen. Es darf kein Nachteil sein, zum Beispiel Materialien aus der Region zu bevorzugen, um die regionale Wertschöpfung zu verbessern und lange Transportwege mit entsprechenden CO2-Emissionen zu vermeiden. Das ist möglich, wenn man es will. Und dann lässt sich auch Zukunft in einem nachhaltigen, ökologischen und sozialen Sinne gestalten.
Klingt nach Wunschdenken.
Nein, das ist kein Wunschdenken. Es gibt sehr gute Beispiele für moderne, effiziente und nachhaltige Beschaffung. Einige davon holen wir bei den Schiefer-Awards vor den Vorhang.
Was wünschen Sie sich, was diese Awards bewirken können?
Ziel ist, konkrete Lösungen aufzuzeigen und darzustellen, was möglich ist, wenn man den Mut hat, Dinge neu zu denken und entsprechend zu handeln, nicht nur beim Vergaberecht. Im Kern geht es um Ermutigung. Denn Mut ist das, was Österreich jetzt braucht.