Nicht nur wegen der gestiegenen Zinsen werden Anleihen bei Anlegern wieder beliebter. Auch wenn es um das Thema nachhaltige Geldanlage geht, holen die festverzinslichen Wertpapiere gegenüber Aktien auf: Waren Ende 2020 gerade einmal neun Prozent des globalen Anlagevermögens von Nachhaltigkeitsfonds in Anleihen investiert, hat sich dieser Anteil mittlerweile auf knapp 19 Prozent mehr als verdoppelt. „Immer mehr Anleger erkennen die Vorteile einer Berücksichtigung von ESG-Kriterien in Anleihestrategien“, betont Vincent Denoiseux, Leiter des Bereichs Investment Strategy bei Amundi ETF.
Für den Erfolgslauf nachhaltiger Anleihen gibt es mehrere Gründe. Während der erste Aktienindex, der sich an sozialen und Umweltkriterien orientiert und verantwortungsvolle Unternehmensführung berücksichtigt – die klassischen ESG-Kriterien – bereits 1990 aufgelegt wurde, dauerte es bis zum ersten ESG-Anleiheindex bis 2013. Doch diese zeitliche Lücke hat sich rasant geschlossen. Viele Vermögensverwalter haben intensiv an ESG-konformen Lösungen im Anleihesegment gearbeitet. Auch weil sich gezeigt hat, dass die Berücksichtigung von ESG-Kriterien dazu beitragen kann, Risiken auch bei Anleihen zu reduzieren. „Für Anleiheinvestoren misst sich der Erfolg weniger an der Auswahl von Gewinnern als vielmehr an der Vermeidung von Verlieren“, weiß Denoiseux. Und gerade dabei kann die Orientierung an Nachhaltigkeitskriterien eine wichtige Rolle spielen, weil so zum Beispiel gewisse Umweltrisiken bei Unternehmen gemieden werden. Wer mit umweltfreundlichen Materialien arbeitet, möglichst viel recycelt und den Restmüll sorgfältig entsorgt, wird von Giftmüll-Skandalen verschont bleiben. Zudem belegen zahlreiche Studien, dass Unternehmen mit einer robusten ESG-Bilanz seltener in Zahlungsschwierigkeiten geraten und auf längere Sicht profitabler sind.
ETFs legen zu
Zusätzliche Bewegung in das Thema ESG-Anleihen hat die Zunahme an ETFs gebracht, also kostengünstiger börsenotierter Investmentfonds, die sich auf ESG-Anleihen spezialisiert haben. Die Entwicklung ist rasant: Ende 2019 verwalteten europäische ETFs auf ESG-Anleiheindizes ein Vermögen von rund 20 Milliarden Euro, Ende August 2022 war das Volumen mit über 56 Milliarden Euro fast drei Mal so hoch. Längst haben Unternehmen erkannt, dass ESG-Anleihen bei Anlegern gefragt sind und entsprechend gute Marktchancen haben – was für zusätzlichen Schwung in diesem Segment sorgt. „Der Trend zu einer stärkeren Berücksichtigung von ESG-Faktoren im Anleihesegment hat sich zuletzt nochmals beschleunigt“, bestätigt Experte Denoiseux. Dazu beigetragen hat, dass sich ESG-Anleihen auch während er Turbulenzen an den Finanzmärkten als flexibles und verlässliches Anlageinstrument erwiesen haben.
Nächstes Thema: Staatsanleihen
Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Für Unternehmen wird das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger, schon jetzt spielt es bei der Bonität eine entscheidende Rolle. Zusätzliches Potential bietet der Bereich der Staatsanleihen. Inzwischen gibt auch in diesem Segment Fortschritte bei den erforderlichen Daten und der Standardisierung von Messverfahren. Fazit von Vincent Denoiseux: „Am Anleihemarkt gibt es für die Berücksichtigung von ESG-Aspekten noch viel Luft nach oben. Doch das Wachstumspotenzial ist eindeutig gegeben.“