Ab Sommer wird die sogenannte Whistleblower-Hotline Pflicht. Gut so, sagt Rechtsanwalt Martin Schiefer. Denn sie kann ein sinnvolles Frühwarnsystem für Missstände im Unternehmen sein, bevor diese teuer werden.
Erst war es an der Zeit. Jetzt wird es Zeit. Es war absolut überfällig, dass Österreich die EU-Richtlinie zum Thema „Whistleblowing“ endlich umsetzt. Das ist mit Februar dieses Jahres geschehen. Und jetzt wird es Zeit, dass die Unternehmen sich darauf einstellen. Denn private und öffentliche Unternehmen ab 250 Beschäftigten müssen bis spätestens 25. August dieses Jahres ein entsprechendes System installiert haben, das es Beschäftigten ermöglicht, vertraulich Hinweise über rechtlich fragwürdiges Fehlverhalten im Unternehmen zu geben. Kleinere Betriebe mit 50 bis 249 Mitarbeitenden haben etwas länger Zeit, sie müssen das „HinweisgeberInnenschutzgesetz“ bis 17. 12. 2023 umsetzen.
Das Verb „müssen“ führt dabei allerdings in eine falsche Richtung. Formal relevant, um die gesetzliche vorgeschriebene Frist einzuhalten, verleitet es inhaltlich zum Falschabbiegen. Denn das Hinweisgeber-Meldesystem, die sogennannte „Whistleblower-Richtlinie“, kann, sinnvoll umgesetzt, ein wichtiges Tool zur Qualitätssicherung sein.
In vielen Unternehmen ist die interne Kommunikation eine Angelegenheit, die so mitläuft. Mehr erduldet als gewollt. Mal ist es die schiere Größe eines Unternehmens, mal viele Standorte, dann eine mangelnde Unternehmenskultur – es gibt viele Gründe, warum die Chefinnen und Chefs nicht wissen, was im Unternehmen wirklich läuft.
Das kann fatale und teure Folgen haben. Etwa wenn ausgeprägtes Mobbing die Mitarbeiter:innen-Fluktuation in ungeahnte Höhen treibt oder Führungskräfte Bestechungsgelder kassieren, um fürs Unternehmen nachteilige Verträge durchzuwinken. Hier kann ein funktionierendes Hinweisgeber-Meldesystem helfen, Missstände sichtbar zu machen, die sich sonst unterhalb des Radars der Führungsetage bewegen. Und rechtzeitig auf Missstände zu reagieren, hat noch keinem Unternehmen geschadet. Im Gegenteil kann es helfen, teure Strafen oder Klagen Geschädigter zu vermeiden.
Gutes Stimmungsbild.
Was erfreulich ist: Erste Ergebnisse von Vorreitern bei der Einrichtung solcher Hinweisgeberplattformen zeigen, dass Österreich besser ist als sein Ruf. Nur in wenigen Fällen sind dabei echte Complianceverstöße festgestellt worden, etwa falsche Zeitaufzeichnungen oder ungerechtfertigte Nutzung betrieblicher Räume. Sind alle anderen Meldungen also doch nur reine Vernaderungen, die sachlich nichts bringen? Nein, denn auch wenn Beschwerden keine strafrechtliche Relevanz haben, können sie doch ein Stimmungsbild vermitteln, auf das bei Bedarf reagiert werden kann, etwa durch gezielte Kommunikation.
Voraussetzung für das Funktionieren eines Hinweisgebermeldesystems ist allerdings eine professionelle Betreuung. Denn die Hinweise müssen gefiltert und juristisch bewertet werden. Im Einzelfall ist das nicht immer einfach, wie wir aus unserer Arbeit für Klienten wissen. Reine Unmutsäußerungen sind schnell herausgefiltert, aber fällt ein Übergriff im Anschluss an die Weihnachtsfeier in die Verantwortung des Arbeitgebers, oder handelt es sich doch um eine rein private Angelegenheit?
Pflicht zum Handeln.
Diese juristische Einordnung hat Relevanz, denn die Whistleblower-Plattform ist keine Einbahnstraße, es entstehen daraus auch Verpflichtungen. Vor allem wenn ein Unternehmen einem sachlich gerechtfertigten Hinweis nicht nachgeht, kann das erhebliche Konsequenzen haben.
Mein Aufruf daher: Fürchtet euch nicht! Die Gefahr, dass ein solches Hinweisgebermeldesystem als Rachetool missbraucht wird, ist gering. Sinnvoll genutzt, also in seinem sachlichen und geschützten Rahmen und nach festen Spielregeln gemonitort, kann es ein hilfreiches Frühwarnsystem darstellen, das auf Missstände hinweist – bevor diese möglicherweise außer Kontrolle geraten. So betrachtet kann es wichtiger Bestandteil eines Compliance-Management-Systems sein.