Pralinenverpackung und Cola gemeinsam oder getrennt entsorgen? Metalldose und Waschmittelflasche in die gelbe oder gar die grüne Tonne? Saftpackerl zum Karton oder doch gelber Sack? Fragen, die Österreich nie mehr beschäftigen werden.
Mit der Umsetzung der EU-Single-Use-Plastics- und Verpackungs-Richtlinie werden seit Jahresbeginn alle Verpackungsabfälle aus Kunststoff (und Metall verpflichtend ab 2025) gemeinsam im gelben Sack oder in der gelben Tonne gesammelt. Immerhin muss laut EU-Quotenvorgaben bis 2025 die Hälfte des in Verkehr gebrachten Materials (rund 300.000 Tonnen) recycelt werden. Das bedeutet in Österreich eine Verdopplung in nur zwei Jahren. Eine „Herkulesaufgabe“ mit ungewissem Ausgang, klagt nun die Abfallbranche. Denn für einen Kunststoffkreislauf, wie er der EU vorschwebt, fehle ein wesentlicher Teil: eine rechtliche Vorgabe für die Wiederverwendung des recycelten Rohmaterials, sagt Gabriele Jüly, Präsidentin des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe, VOEB: „Um den Einsatz von Rezyklaten in der Produktion voranzutreiben, muss dieser verbindlich vorgeschrieben werden. Nur so schaffen wir die Grundlage für einen vollständigen Rohstoffkreislauf und erzeugen nicht eine lineare Kette, die im Nirgendwo endet.“
Prozentrechnung.
Tatsächlich hat die EU mit der Quote von 55 Prozent nur die eine Hälfte des Business geregelt: die Sammlung und Aufbereitung, was der Branche genug Arbeit beschert. Sie wird dafür alle Arbeitsschritte intensivieren. Derzeit werden nur 58 Prozent gesammelt, davon nur 58 Prozent aussortiert und davon wiederum nur 78 Prozent zu Sekundärrohstoffen aufbereitet – es sollten jeweils 80 Prozent sein.
Mit der Vereinheitlichung der Sammlung könnte das Ziel im Schritt eins erreicht werden. Und auch für den Schritt zwei gibt es Vorkehrungen, expandiert doch Sammelriese ARA, der rund zwei Drittel des Sammelmarkts beherrscht, mit einem 60-Milllionen Euro-Sortierwerk im oberösterreichischen Ennshafen. Es geht um 100.000 Jahrestonnen, aus denen Dank modernster Sensortechnik rund 80 Prozent aussortiert werden können, etwas, was bisher nur mit teurer manueller Nachbearbeitung zu schaffen war. Das bringt auch einen Wettbewerbsvorteil, sagt ARA-Chef Harald Hauke: „Von Geschäftsmodell her ist der Spielraum bei der Sammlung durch gesetzliche Vorschriften nicht so groß. Der Wettbewerb beginnt erst bei der Sortierung.“
Danach wird es schwierig. Denn was mit dem aufbereiteten Sekundärrohstoff passiert, ist nicht mehr geregelt. Hier entscheiden die Produkthersteller nach aktueller Preislage, ob nun recyclierter oder neuer Kunststoff verwendet wird.
Dabei zeigt sich, dass Rezyklate preislich immer weniger mit der Neuware mithalten können. Denn die Kosten für die Verarbeitungsschritte zuvor steigen unverhältnismäßig, klagt Christian Strasser vom Spezialverwerter PET to PET: „Derzeit verzeichnen wir Rekordwerte am Markt, die preisliche Entwicklung ist jedenfalls desaströs, um nicht zu sagen: zutiefst sinnwidrig. Schon eine sortierte PET-Flasche liegt derzeit fast bei Neupreisen für den Kunststoff, noch ganz ohne Recyclingmaßnahmen. Das führt zu einer Verzerrung am Markt.“
Dabei hat es Strasser noch verhältnismäßig gut, denn PET ist ein kleines Segment der gesamten Kunststoffsammlung, wo nicht nur spezielle Sammelquoten fixiert sind (90 Prozent 2030), sondern ausnahmsweise auch der Wiedereinsatz des Sekundärrohstoffes bei den Herstellern (25 Prozent bis 2025 und 30 bis 2030). Das scheint erreichbar, auch wenn große Teile der gesammelten Flaschen zum Ärger von PET to PET auch von Herstellern anderer Produkte aufgekauft werden und nicht mehr für die Flaschenproduktion zu Verfügung stehen.
Störfall Flaschenpfand?
Bei den anderen Kunststofffraktionen (etwa PE, PVC, PP, PE-LD) sieht es schlechter aus – auch weil der derzeit per Gesetz für 2025 vorbereitete spezielle PET-Sammelkreislauf samt Flaschenpfand (geplante 25 Cent pro Gebinde) an sich für Skepsis in der Branche sorgt.
Denn das PET-Flaschenpfand pusht ein alternatives Bring-System rund um die Supermärkte. Grundsätzlich hat man sich mit der einheitlichen Sammlung der anderen Kunststoffe aber auf ein System geeinigt, wo gelbe Säcke (mit Ausnahme der Wiener gelben Tonnen) von den Haushalten abgeholt werden. Die Diskrepanz könnte das mühsam aufgebaute Bewusstsein der Konsumenten für die Abholung (Werbung, Müllsammel-App Digicycle) konterkarieren. Dazu kommt noch eine Reihe von Dämpfern für der Sammelmotivation, weil kleine Lebensmittelhändler von der allgemeinen Rücknahmeverpflichtung ausgenommen sein werden. Oder weil nach wie vor ungeklärt ist, wie die zurückgebrachten PET-Pfandflaschen genau gezählt werden.
Und so übt man sich im positiven Denken. Jüly: „Das PET-Flaschenpfand kommt 2025 fix. Jetzt gilt es, an einem Strang zu ziehen und vor allem für alle anderen Kunststoffverpackungen das Recycling zu erhöhen. Das ist die wesentlich größere Herausforderung.“
Die Zersplitterung in Einzelfraktionen ist jedenfalls wenig hilfreich für den kleinen Markt des Kunststoffrecyclings in Österreich, vieles wird erst durch große Losmengen kalkulierbar. So rechnet sich das große neue Sortierwerk der ARA nur als Joint Venture mit der Müllsammlung aus Deutschland, das rund die Hälfte des benötigten Kunststoffmülls extra zuliefern muss.