Die digitale Transformation ermöglicht Produktivitätssprünge, verbraucht aber gewaltige RESSOURCEN. Neue Konzepte sollen Digitalisierung und NACHHALTIGKEIT auf einen Nenner bringen.
AUF DER ÜBERHOLSPUR.
Atemberaubend ist die Geschwindigkeit, mit der sich Programme der künstlichen Intelligenz in betriebliche Abläufe integrieren. Die weltweite Softwareentwicklung ist mittlerweile fast durchgängig auf die Überholspur gewechselt: Projekte werden früher und viel schneller fertig. Das legt eine Studie der Plattform GitLab nahe, die im Frühjahr 5.300 Führungskräfte, IT-Verantwortliche und Entwickler weltweit befragt hatte, davon über 600 in Deutschland – mit starken Ergebnissen. 69 Prozent der Befragten gaben an, in der Softwareentwicklung gleich doppelt so schnell zu sein wie im Jahr zuvor. Mit 77 Prozent erlebten deutsche Befragte gar die höchsten Effizienzgewinne. Damit steigt aber nicht nur die Produktivität der Entwickler, damit stiegen auch die Wachstumschancen der Unternehmen. Die digitale Transformation macht Dinge möglich, die vor wenigen Jahren undenkbar schienen.
EXTREMER ENERGIEVERBRAUCH.
Allerdings wird der digitale Werkzeugkasten eine immer schwerere Last: für die Umwelt. Der Ressourcenhunger der künstlichen Intelligenz wirkt sich sehr negativ auf die Klimabilanz aus, wie die jüngsten CO2-Berechnungen zweier Schlüsselkonzerne im Technologiebereich ergeben haben. Google hat 48 Prozent mehr Emissionen als 2019, Microsoft 29 Prozent mehr als 2020. Mit dem exponentiell steigenden Bedarf maschineller Berechnungsleistungen steigen Ressourcenprobleme, die nicht mehr nur mit ein paar weiteren Solarpaneelen am Dach abzufedern sind. Björn Fanta ist Forschungsexperte und als solcher in einigen europäischen Gremien tätig. Er kennt das Dilemma: „Natürlich gibt es auch Herausforderungen, die mit der zunehmenden Digitalisierung verbunden sind.“ In seiner Hauptfunktion als Head of Research versucht er, die technische Ambivalenz so aufzulösen: „Fabasoft sieht sowohl die Notwendigkeit, die Digitalisierung unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten voranzutreiben, als auch den Nutzen, der daraus für unsere Umwelt und Gesellschaft entsteht“.
GRÜNER RECHNEN.
Angewandte Forschungsprojekte sind der Schlüssel, um Ressourcenschonung und Produktivitätssprünge parallel hinzubekommen. In Projekten erproben Unternehmen, Organisationen und Forschungsgruppen bereits Konzepte. Die EU unterstützt Vorhaben mit Förderprogrammen, denn die Forschungsmittel in den Unternehmen reichen nicht einmal im Ansatz dafür aus. F&E ist in Europa und Österreich ausbaufähig.
Zwei Hauptziele hat die europäische Staatengemeinschaft für das Jahr 2030 formuliert: 90 Prozent der KMU sollten bis dahin zumindest Basisdigitalisierung hinbekommen, bei der letzten Messung hatten knapp 60 Prozent das Ziel erreicht. Zum Ende des Jahrzehnts sollen drei Viertel aller Unternehmen in der EU in der Lage sein, Clouddienste, Datenanalysen und KI produktiv zu nutzen.
Große Unternehmen tun sich bei dieser digitalen Transformation leichter und sind dementsprechend weiter als KMU. Bevor sie ebenfalls mit den jüngsten dynamischen Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz auf die Überholspur wechseln können, müssen sich die Kleinen mit den gewaltigen neuen Werkzeugen erst einmal vertraut machen.
F&E IN ÖSTERREICH.
STUDIE.
Berater EY misst mit dem „Innovation Index“ regelmäßig die F&E-Ausgaben 30 börsennotierter Unternehmen in Österreich, zuletzt 2023. Gemessen am Umsatz sanken die zuletzt leicht: um 0,3 auf vier Prozent, damit deutlich unter dem europäischen Schnitt mit sechs Prozent. Am meisten in F&E investiert hierzulande die IT-Branche mit starken 15 Prozent. Den höchsten F&E-Anteil hatte zuletzt die Fabasoft Gruppe mit 31 Prozent. Die höchste Summe nahm AMS-Osram in die Hand: 630 Millionen Euro waren es im Jahr 2022.
„DER MENSCH HAT DIE ZENTRALE ROLLE AM STEUERPULT“
Innovationsmanager BJÖRN FANTA weiß, wie ressourcenschonende Digitalisierung aussehen muss und entwirft die Strategie auf EU-Ebene mit.
An einer nachhaltigeren Wirtschaft führt kein Weg vorbei. Die Digitalisierung verspricht uns Abkürzungen. Welche sehen Sie?
Digitalisierung und digitale Transformation bieten einige davon schon heute. Denken Sie an die virtuelle Zusammenarbeit, die Teams aus verschiedenen Teilen der Welt verbindet und damit physische Reisen sowie Emissionen reduziert. Weniger augenfällig, aber umso wirkungsvoller sind auch Systeme für das Ressourcenmanagement, die dabei helfen, den Energieverbrauch zu optimieren und den CO2-Ausstoß zu vermindern. Zudem fördern digitale Technologien die Kreislaufwirtschaft, indem sie unter anderem das „Tracking“, die Nachverfolgung von Materialien bzw. Produkten, verbessern und damit eine effektivere Wiederverwendung und Recycling ermöglichen.
Das leuchtet ein, ist für Unternehmen aber kein Selbstläufer. Für die Umsetzung braucht es technische Fitness und Bereitschaft zum Wandel?
Natürlich gibt es auch Herausforderungen, die mit der zunehmenden Digitalisierung verbunden sind. So können digitale Technologien einen höheren Energieverbrauch haben, insbesondere bei ineffizienter Nutzung. Denken wir an „Proof of Work“-Ansätze, also den netzwerkübergreifenden Konsens bei Datenspeicherungen in der Blockchain, oder den immensen Bedarf an Rechenpower für KI-Modelle wie ChatGPT. Damit Digitalisierung tatsächlich als „Enabler“ für Ressourceneffizienz, -schonung und -optimierung fungiert, braucht es einerseits eine Betrachtung im Kontext der festgelegten Nachhaltigkeitsziele, andererseits müssen maximale Vorteile für die Beteiligten sichergestellt sein.
Wie lösen Sie diese Ambivalenz im eigenen Unternehmen auf?
Wir haben hier über die Jahre entsprechendes Knowhow aufgebaut, und das in zahlreichen Projekten. Wir verstehen digitale Geschäftsprozesse, die korrekte Anbindung, Aufbereitung sowie Verknüpfung von Daten – und sorgen dafür, dass daraus Informationen werden, die den Menschen helfen, Entscheidungen hinsichtlich Ressourceneffizienz, Abfallvermeidung oder Recyclingfähigkeit zu treffen. Der Mensch ist das Wichtigste, die digitalen Systeme unterstützen ihn: Stichwort „Human in the Loop“. Deshalb setzen wir bei Forschungsprojekten bewusst auf UI-/UX-Expert:innen.
Können Sie die Rolle „Human in the Loop“ in der praktischen Umsetzung beschreiben? Wie viel nimmt ihm das System ab? Wann darf er eingreifen?
Es ist nicht die Frage, wann der Mensch eingreifen darf – vielmehr werden diese Systeme dazu genutzt, den Menschen zu unterstützen, nicht zu ersetzen. Das Ziel ist es, die Effizienz des Anwenders zu erhöhen und die erforderlichen Schritte zur Erreichung einer qualifizierten Entscheidung zu reduzieren. Der Mensch hat daher die zentrale Rolle am Steuerpult der Entscheidungen, verstärkt durch die Möglichkeiten der Digitalisierung.
Schnelle Anpassungsfähigkeit ist ein Muss für Unternehmen. Wie rasch können Sie wissenschaftliche Erkenntnisse aus nationalen oder europäischen Projekten in die Praxis umlegen?
Für die Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in einem Produktportfolio gibt es verschiedene Wege. In der Regel fließen Forschungsergebnisse in einen Innovationsprozess von der Ideenfindung über die Entwicklung bis hin zur Markteinführung ein. Das gilt für neue Produkte oder Dienstleistungen ebenso wie für die Verbesserung von bestehenden. Durch die Begleitung aktueller Technologiethemen in Forschungsprojekten sind wir in der Lage, diese frühzeitig aufzugreifen und rasch umzusetzen.
An welchen konkreten Umsetzungen arbeiten Sie zurzeit?
Da sind zum Beispiel die zwei österreichischen Leitprojekte Zero3 und Kiramet. Bei beiden beschäftigt sich ein namhaftes Konsortium aus Forschung und Wirtschaft mit der Produktion der Zukunft (Zero3) und mit KI für Recycling (Kiramet). Zero3 adressiert drei Säulen: Zero Waste, Zero Data Gap und Zero Human Potential Loss. In Kiramet wollen wir die Recyclingprozesse durch digitale Zwillinge unterstützen. Auf europäischerEbene arbeite ich mit meinem Team seit Anfang 2022 am Thema „Ressource Efficiency and Climate Positivity“ in der Alliance for Industrial Data, Edge and Cloud der EU-Kommission mit. Die erste Roadmap mit Strategievorschlägen zur Ressourceneffizienz haben wir bereits finalisiert und übergeben.