"Wir versuchen, authentisch zu sein und wenig Regeln aufzustellen"

Sie kennen wohl das TV-Format "Undercover Boss": In welche Abteilung würden Sie sich einschleusen?

Natürlich kenne ich "Undercover Boss". Groß vorbereiten müsste ich mich nicht. Ich liebe es, mich spontan in Besprechungen zu setzen, um ein Gespür für die Leute zu bekommen. Tatsächlich würde ich mich am ehesten in eine andere adesso-Länderorganisation einschleusen. In Österreich habe ich einen guten Einblick und da kennt mich jeder.

Was nehmen Sie aus diesen spontanen Begegnungen mit?

Ein gutes Gespür. Mir gefällt es, wenn sich bei solchen spontanen Situationen nach zwei, drei Minuten wieder der Normalmodus einstellt und ich als Chef nicht mehr als irritierender Faktor wahrgenommen werde. Wenn die Situation gespreizt wird, wäre das schon ein kleines Alarmsignal für mich.

Adesso Austria ist unter Ihrer Führung stark gewachsen, auf 111 Köpfe. Wie lange können Sie diesen kollegialen Führungsstil pflegen?

Wir haben uns in vier Jahren mehr als verdreifacht. Wachstum ist bei mir positiv konnotiert und bedeutet, dass die Menschen mitwachsen, sich entwickeln können. Eine klassische Karriere bei uns geht etwa so: Zuerst ist man Entwickler, dann Senior-Entwickler, dann etwa Lead Developer oder Architekt. Wir versuchen, die Positionen zu schaffen, in die die Menschen reinwachsen können. Bei uns bewerben sich Leute, die anderswo keinen Platz zum Wachsen haben.

Klingt ambitioniert. Wie schaffen Sie es, die passenden Leute für die Projekte zu haben und gleichzeitig deren Karriereerwartungen zu erfüllen?

Da bin ich ganz ehrlich. Natürlich ist dieses Matchmaking eine Herausforderung, und das jeden Tag. Wir sagen den Mitarbeitern bereits beim Einstellungsgespräch klar, was sie erwarten können und was wir von ihnen erwarten. Vieles in unserem Job ist Handwerk, und das lernt man über die Zeit. Wir bewegen uns nah am Kunden, und da bekommt man viel Fach-und Organisationswissen mit. Das macht uns als Arbeitgeber besonders spannend: für einen IT-Dienstleister zu arbeiten und auch tiefen Einblick in andere Branchen, also die der Kunden, zu bekommen.

Über den Benefits-Katalog müssen wir nicht reden. Was schätzen Ihre Leute außer geldwerten Goodies?

Unsere Mitarbeitenden schätzen am meisten, dass sie durch ihr Verhalten und ihre Vorbildfunktion etwas beitragen können. Wir haben eine Vertrauenskultur, die gelebt wird. Meine Leute sagen mir, wenn ich sie gerade beim Obi erreiche, und tun nicht so, als säßen sie im Homeoffi ce. Unlängst "erwischte" ich einen Kollegen, der trotz Urlaubs bei einem Vorstellungsgespräch dabei sein wollte. Wir versuchen, authentisch zu sein und wenig Regeln aufzustellen. Eigenverantwortung und Menschenverstand regeln viel.

Wie viele IT-Unternehmen versuchen Sie, mehr Frauen zu engagieren. Wie gut gelingt das?

Frauen sind eine echte Bereicherung und bringen unglaubliche Power mit. Gemischte Teams funktionieren viel besser, das wissen wir ja alle. Wir haben in Österreich mehr als 28 Prozent Frauenanteil. Unser aktuelles Ziel ist es, über die 30 zu kommen. In der Gruppe haben wir die Initiative "She for IT". Diese Initiative hat sich die Stärkung und Förderung von Frauen in der IT-Branche zum Ziel gesetzt.

Worauf sind Sie stolz in der Mitarbeiterentwicklung und -führung?

Ich bin stolz, dass wir das Thema Recruiting nicht einer Person umhängen, sondern alle 15 adesso-Führungskräfte das als Thema sehen und wir ausgeklügelte und strukturierte Prozesse haben. Das zahlt sich aus und spricht sich herum. Wir werden heuer erstmals über 1.000 Bewerbungen haben. Am meisten bin ich aber auf unsere Firmenkultur stolz.