Thomas Hörmann ist Betriebswirt und seit über zwei Jahrzehnten international in der Automobilindustrie tätig. Seine Stationen führten ihn von Österreich aus nach Großbritannien, Deutschland, die Schweiz und Tschechien. Die beruflichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Sales, Operations, Marketing und Finanzdienstleistungen. Hörmann war unter anderem für Ford, Mazda, Marken aus dem Volkswagenkonzern sowie Volvo und Jaguar Land Rover tätig. Seit dem Frühjahr 2021 leitet er die schwedische Elektro-Performance-Marke Polestar in Österreich.
©PolestarWelche Rolle spielt Nachhaltigkeit im Bereich der Mobilität und welche Chancen und Herausforderungen bringt die Elektrifizierung für Unternehmen? Thomas Hörmann, Geschäftsführer von Polestar Österreich, spricht im Interview über aktuelle Entwicklungen im Automobilbereich.
Polestar ist ein Start-up, das auf rund hundert Jahren Erfahrung von Volvo aufbaut. Was macht Polestar anders?
Wir nutzen starke Synergieeffekte mit Volvo, vor allem rund um Services, Wartungen und Reparaturen. In Österreich gibt es aktuell 27 Polestar Servicepunkte von Ost nach West, somit ist ein Ansprechpartner stets in der Nähe. Als Marke gehen wir aber einen eigenständigen Weg, das beginnt bei unserem rein digitalen Vertriebsmodell und reicht bis zu unseren ambitionierten Nachhaltigkeitszielen und unserer einzigartigen Designsprache. Diese stammt übrigens aus der Feder eines Österreichers: Maximilian Missoni ist gebürtiger Grazer und hat u.a. in Linz studiert.
Die Designsprache zeigt sich auch im neuesten Modell, dem Polestar 3.
Genau. Der Polestar 3 ist aktuell in unserem Polestar Space in der Wiener Innenstadt zu sehen und auch schon bestellbar. Er ist ein Premium Performance SUV, den wir für das Zeitalter der Elektromobilität neu definieren: Er ist mit 4,9 Metern ein großes Auto, das aber aufgrund des schlanken, sportlichen und aerodynamischen Designs kompakt wirkt. Zudem geht er einen weiteren Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft, denn wir setzen auf Verbundmaterialien aus Naturfasern, auf recyceltes Aluminium und PET-Flaschen.
Kunden, die sich also für einen Polestar entscheiden, tun dies auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit?
Die Elektrifizierung ist der Schlüssel zu nachhaltiger Mobilität. Wir treiben den Wandel voran, indem wir unsere Bemühungen auf die Bereiche Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft, Transparenz und Inklusion konzentrieren. Deshalb veröffentlichen wir auch eine umfassende Lebenszyklusanalyse für unsere Fahrzeuge samt CO2-Fußabdruck. Für den Polestar 2 beträgt dieser rund 23 Tonnen, wenn er das Werk verlässt – das sind bereits drei Tonnen weniger als zum Launch vor drei Jahren. Also ja, wer sich für einen Polestar entscheidet, tut dies mit Sicherheit auch, um seinen eigenen Abdruck zu verringern.
Inwiefern betrifft dies auch Unternehmen bzw. Unternehmensflotten?
Österreich ist ein Flottenmarkt. Unsere Kunden stammen größtenteils aus dem B2B-Bereich, denn wir bieten interessante Angebote und Finanzierungsoptionen sowie eine attraktive Möglichkeit, die Flotte zu elektrifizieren. Das zahlt auf die Nachhaltigkeitsbilanz ein, vor allem, wenn Unternehmen einen Geschäfts- bzw. Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Darüber hinaus bieten Elektroautos natürlich auch finanzielle Vorteile.
Die da wären?
Die laufenden Kosten sind gering. Elektroautos weisen in der Regel niedrige Ladekosten auf, im Durchschnitt kostet eine volle Ladung in Österreich 21 Euro, wenn man von einem Strompreis von 35 Cent pro kWh ausgeht. Das trifft vor allem für jene zu, die zuhause oder am Arbeitsplatz laden können. Gemeinsam mit Plugsurfing bieten wir außerdem allen Polestar Fahrerinnen und Fahrern einen reduzierten Ladetarif bei IONITY Stationen von 40 Cent. Durch die Zusammenarbeit mit SMATRICS bieten wir Flotten- und Geschäftskunden schließlich auch die Möglichkeit, im Rahmen des digitalen Kaufprozesses die entsprechende Ladeinfrastruktur anzufragen.
Außerdem sind der Wartungsaufwand und damit die Wartungskosten geringer. In einem Elektroauto sind weniger bewegliche Teile verbaut, daher sind Verschleißerscheinungen seltener und Wartungen sind weniger umfangreich. Und natürlich gibt es in Österreich Kaufprämien, Zuschüsse und steuerliche Vergünstigungen, die den Umstieg besonders attraktiv machen.
Dennoch setzen Unternehmen zum Teil noch immer auf Verbrenner oder steigen erst langsam auf eine vollelektrische Flotte um. Wieso?
Wir merken, dass die Nachfrage immer größer wird. Oft fehlt es Unternehmen aber an Mut, etwas Neues auszuprobieren oder sind die angesprochenen Vorurteile zu präsent. Diese Skepsis entsteht oft aus unbegründeten Ängsten oder alten Erfahrungen. Im Zweifelsfall entscheiden sich viele Unternehmen oder deren Dienstwagenfahrerinnen und -fahrer dann für eine Plug-in-Lösung, die aber nicht denselben Effekt hat, wie ein Elektroauto. Und natürlich ist auch die Infrastruktur manchmal eine Herausforderung.
Was sind die kurz- und langfristigen Vorteile einer elektrischen Flotte?
Kurzfristig sind es staatliche Förderungen, steuerliche Vergünstigungen und geringere Instandhaltungskosten. Es besteht für Elektroautos keine Normverbrauchsabgabe, keine motorbezogene Versicherungssteuer und kein Sachbezug, was geringere Lohnnebenkosten bedeutet. Und Elektroautos sind in einem bestimmten Rahmen vorsteuerabzugsberechtigt.
Langfristig ist der Vorteil vor allem in Sachen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit groß: Die Elektrifizierung bringt Vorteile aus ökologischer und aus wirtschaftlicher Sicht. Der direkte Vergleich von Elektroautos gegenüber Verbrennern im Mittelklassebereich auf Basis des Total Cost of Ownership (TCO) zeigt, dass sich ein Preisvorteil zugunsten von EVs ergibt, selbst wenn die Anschaffungskosten zum Teil noch höher sind.
Dennoch gibt es immer noch einige Bedenken und Vorurteile gegenüber Elektroautos. Was antworten Sie auf diese?
Vorurteile betreffen vor allem die tatsächliche Reichweite, die Lademöglichkeiten und natürlich Dinge wie den Strombedarf, Batterien und Risikomaterialien. Während man den ersten beiden Bedenken schnell dank Reichweiten von bis zu 655km (WLTP) mit dem Polestar 2 Long Range Dual Motor und dem Hinweis auf das wirklich gute Ladenetz in Österreich mit fast 20.000 öffentlichen Ladepunkten entgegnen kann, sind die anderen Fragen natürlich mehr als berechtigt. Elektroautos sind erst der Anfang im Wandel zu nachhaltiger Mobilität, aber wir sind davon überzeugt, dass wir damit die derzeit beste Lösung im Kampf gegen den Klimawandel haben.
Wir müssen dafür aber sicherstellen, dass wir Materialien verantwortungsbewusst beschaffen und dass Batterien ihr volles Potenzial entfalten können. Die Herstellung von Batteriepacks ist momentan sehr energie- und ressourcenintensiv. Umso nachhaltig wie möglich zu sein, arbeiten wir daran, unseren Produktionszyklus zirkulärer zu gestalten. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Batterien nach der Nutzung in einem Fahrzeug ein sogenanntes Second Life erhalten. Um eine vollständige Zirkularität zu erreichen, ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich. Aus diesem Grund setzen wir uns dafür ein, Autos und Batterien so zu entwickeln, dass sie leicht repariert, zerlegt, wiederaufbereitet und recycelt werden können.
Der Abbau von Metallen und Mineralien, die in Batterien verwendet werden, ist umstritten, da ihre Gewinnung hohe ökologische und soziale Kosten verursacht.
Damit Elektrofahrzeugbatterien zu einer wirklich zukunftsfähigen Option werden, muss die Automobilindustrie sicherstellen, dass Risikomineralien und Materialien mit schwerwiegenden Auswirkungen auf das Klima nicht „aus dem Kreislauf“ geraten und als Abfall oder minderwertige Rezyklate enden. Um die sozialen Aspekte des Bergbaus abzumildern, nutzt Polestar die Blockchain-Technologie zur Rückverfolgung von Kobalt. Wir erweitern auch unseren Anwendungsbereich, um andere Risikomineralien in zukünftigen Batterien aufzuspüren.
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