Die Steuerexperten der TPA erklären, wie überschuldete GmbHs das Ruder noch herumreißen können, wann ein Insolvenzantag unvermeidlich ist und welche Pflichten Geschäftsführer bei finanziellen Schieflagen haben.
Gefährlich wird es für eine Firma in die Pleite zu schlittern, wenn das Eigenkapital negativ ist. Doch das bedeutet noch nicht, dass dem Unternehmen zwangsläufig bald das Geld ausgeht und es einen Insolvenzantrag stellen muss. Wie man feststellt, ob das eigene Unternehmen überschuldet ist, wie man das abwenden kann und was Geschäftsführer in solchen kritischen Phasen laut Gesetz tun müssen.
Wann ein negatives Eigenkapital vorliegt
Ist das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht, spricht man von einem negativen Eigenkapital. Oder anders ausgedrückt, wenn die bestehenden Schulden das vorhandene Vermögen übersteigen. Zum Eigenkapital zählen das Stammkapital, Kapitalrücklagen, Gewinnrücklagen und der Bilanzgewinn/-verlust. Letztere sind kumulierte Gewinne oder Verluste abzüglich Gewinnausschüttungen der Vergangenheit, zuzüglich Auflösung von Rücklagen. Nicht dazugerechnet werden unversteuerte Rücklagen oder Investitionszuschüsse, die auf der Passivseite der Bilanz oft in einem eigenen Posten ausgewiesen werden.
Ist das Eigenkapital negativ, liegt buchmäßig eine Überschuldung vor und ist das im Anhang zum Jahresabschluss zu erläutern. Dann muss festgestellt werden, ob eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechtes vorliegt.
Überschuldungsbilanz klärt, wie schlimm die Lage tatsächlich ist
Um festzustellen, ob eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn vorliegt, ist es ratsam, eine Überschuldungsbilanz zu erstellen. Zuerst muss dazu geprüft werden, ob im Fall einer Liquidation das Vermögen ausreicht, um die Verbindlichkeiten zu decken. Zu beachten ist dabei, dass stille Reserven in den Aktivwerten wie eine Liegenschaft beispielsweise mehr wert sind als ihr Buchwert. Verpflichtungen, die bei Fortführung des Unternehmens nicht sofort anfallen würden, wie Abfertigungsansprüche oder Kosten für die Schließung müssen offengelegt werden. Zudem sind Steuereffekte zu berücksichtigen. Um einen raschen Überblick über die Lage zu bekommen, wird vielfach nur das buchmäßige Eigenkapital um stille Reserven und stillen Lasten korrigiert und so annähernd das insolvenzrechtlich relevante Eigenkapital ermittelt.
Wie man eine Überschuldung noch abwenden kann
Liegt tatsächlich eine insolvenzrechtliche Überschuldung vor, ist die Lage dennoch nicht zwangsläufig aussichtslos. In manchen Fällen kann es gelingen, beispielsweise durch finanzielle Hilfe von außen, legalen Bilanzgestaltungen und/oder einer positive Fortbestandsprognose eine Insolvenz abzuwenden.
So können im Zuge der Überschuldungsbilanz auch Maßnahmen helfen, den Vermögensstatus zu verbessern, wie
- Zuschuss von frischem Eigenkapital;
- Schuldennachlass von Gesellschaftern oder sonstigen Gläubigern;
- Nachrangigstellen von Gesellschafterdarlehen;
- Harte Patronatserklärung von Gesellschaftern oder anderen Personen.
Karl Schwarz, Steuerberater und Partner bei TPA Horwath: „Vor allem das richtige Nachrangigstellen von Gesellschafterdarlehen kann hilfreich sein. Das ist auch leichter als neues Kapital aufzustellen.“ Ein nachrangiges Darlehen wird im Insolvenzfall erst nach allen anderen Gläubigern bedient. „Doch das Nachrangigstellen ändert nichts an der Überschuldung“, erläutert Schwarz. Die Verbindlichkeiten müssen nach wie vor ausgewiesen werden, aber nicht in die Überschuldungsbilanz mit eingerechnet werden.
Ebenfalls hilfreich können sein
- Nutzung von Bewertungswahlrechten (z.B. Inventur, Finanzanlagen)
- Ausschöpfung von Aktivierungswahlrechten (z.B. geringwertige Wirtschaftsgüter, aktive latente Steuern)
- Überprüfung von Abschreibungsdauer und Zuschreibungsmöglichkeiten (Was bedeutet das?)
- Sale und lease back-Transaktionen vor dem Bilanzstichtag
Stichthaltige Fortbestehensprognose notwendig
Ein weiterer Schritt, um zu vermeiden einen Insolvenzantrag stellen zu müssen, ist eine rechtlich haltbare Fortbestandprognose. Darin wird beurteilt, ob das Unternehmen künftig mit überwiegender Wahrscheinlichkeit seine geschäftlichen Aktivitäten fortführen wird können, wenn sämtlichen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird. Zur Fortbestandsprognose gehört zunächst eine ausführliche Analyse der Ursachen für die Verluste und in weiterer Folge eine realistische Beurteilung der Zukunftsaussichten und die Auflistung möglicher Auswirkungen geplanter Sanierungsmaßnahmen, wie Personal- und/oder Lagerabbau, Laufzeitänderungen bei Finanzierungen oder Kostensenkungsprogramme. Die Prognosen gelten meist zumindest zwölf Monate ab Bilanzstichtag.
- Für die Prognose ist die Differenz zwischen Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten zu ermitteln
- Planung der Gewinn- und Verlustrechnung künftiger Perioden und Beurteilung der langfristigen Finanzstruktur
- Erläuterung von Annahmen, Risiken und Unsicherheiten
- Eventuell die Darstellung mehrerer Szenarien
- Nachweis von Kapitalmaßnahmen und/oder Kreditlinien
Des Weiteren ist ein zweiter Prognosezeitraum vorgeschrieben. Dieser umfasst einen Zeitraum von drei Jahren. Bei dieser Prognose sollen plausible und nachvollziehbare Annahmen über den weiteren Geschäftsverlauf getroffen werden und es soll dargelegt werden, wie es zu einer nachhaltigen Trendumkehr, zu einem Turnaround, kommen soll.
Erläuterungen müssen aussagekräftig sein
Die Erläuterung, warum trotz negativen buchmäßigen Eigenkapitals keine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt, muss im Anhang mit aussagekräftigen Argumenten dokumentiert werden. So muss auf Wertansätze, geplante Maßnahmen oder das Ergebnis einer sogenannten Planrechnung eingegangen werden. Diese Planungsrechnung soll dazu dienen betriebliche Entscheidungen quantitativ vorzubereiten. Die Details dazu müssen aber nicht notwendigerweise im Anhang erläutert werden. Es kann auf Unterlagen wie Schätzgutachten oder Rangrücktrittsvereinbarungen verwiesen werden. „Inhaltsleere oder schwammige Floskeln wie ‚Eine insolvenzrechtliche Überschuldung liegt nicht vor, weil im Unternehmen stille Reserven vorhanden sind‘, schützen bei einer Insolvenz nicht vor einer möglichen Haftung der Geschäftsführer“, warnt Gottfried Sulz, Steuerexperte bei TPA Horwath.
Wann insolvenzrechtlich eine Überschuldung vorliegt
Fällt die Überschuldungsbilanz negativ aus und/oder auch eine positive Fortbestandsprognose ist nicht möglich, liegt eine aus insolvenzrechtlich gesehen eine Überschuldung vor. Die Konsequenz: Es ist unvermeidlich, dass der Geschäftsführer bei Gericht einen Insolvenzantrag stellt.
Pflichten des Geschäftsführers
Nach § 36 GmbHG ist vom Geschäftsführer eine außerordentliche Generalversammlung einzuberufen, wenn die Hälfte des Stammkapitals verloren ist, das buchmäßige Eigenkapital also geringer als das halbe Stammkapital ist oder sogar negativ oder die Eigenmittelquote weniger als acht Prozent und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre betragen.
Auch kleine GmbHs von strengen Regeln betroffen
Beides kann unabhängig voneinander zutreffen und kann getrennt voneinander beurteilt werden. Auch wenn die Bestimmungen und Haftungsfolgen des Unternehmensreorganisationsgesetzes (URG) generell nur für prüfungspflichtige Unternehmen gelten, sind diese Bestimmungen dennoch auch für kleine GmbHs, also unabhängig von Größe oder Prüfungspflicht anzuwenden. Die Regelungen sind nicht nur beim Jahresabschluss, sondern auch unterjährig zu beachten. Voraussetzung für das rechtzeitige Erkennen ist also ein geeignetes internes Kontrollsystem.
Ziel dieser Bestimmung ist es, die Gesellschafter rechtzeitig zu informieren, um zeitnah allfällige Gegenmaßnahmen zu setzen, um eine Insolvenz zu vermeiden. Ist die Hälfte des Stammkapitals bereits weg oder die Eigenkapitalquote im Keller, muss laut Unternehmensreorganisationsgesetz eine außerordentliche Generalversammlung einberufen werden. Spätestens sechs Wochen, nachdem einer der beiden Punkte eingetreten ist, bzw. wenn die prognostizierten Kennzahlen erreicht bzw. nicht erreicht wurden, ist eine Generalversammlung einzuberufen.
Wann Geschäftsführer sofort reagieren müssen
Gibt es im Unternehmen mehrere Geschäftsführer, sind diese in diesen Fällen dazu verpflichtet, unverzüglich eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Jeder von ihnen ist zur Einberufung allein berechtigt und verpflichtet. Allerdings können die Gesellschafter einvernehmlich darauf verzichten. Andernfalls muss der Geschäftsführer Vorschläge unterbreiten, wie die Sanierung erfolgen soll. Kommt es zu Gesellschafterbeschlüssen für Sanierungsmaßnahmen, wenn dazu auch keine Verpflichtung besteht, sind diese Beschlüsse dem Firmenbuchgericht mitzuteilen.
60 Tagefrist muss eingehalten werden
Liegt eine insolvenzrechtliche Überschuldung vor, ist der Geschäftsführer verpflichtet einen Insolvenzantrag zu stellen. Dieser ist verpflichtet, ohne Zögern, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der realen Überschuldung, einen Insolvenzantrag zu stellen. Tut der Geschäftsführer das nicht, muss er damit rechnen persönlich und strafrechtlich wegen schuldhafter Insolvenzverschleppung zur Verantwortung gezogen zu werden.