Droht eine Krise, sollten rechtzeitig Restrukturierungsmaßnahmen eingeleitet werden.
©midjourney/Elke MayrGeraten Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten, stehen an erster Stelle präventive Restrukturierungen - Veränderungen in der Struktur, Organisation und Finanzierungs- oder Geschäftstätigkeit. Deren Ziel ist, die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu erhalten. Wenn eine Neuausrichtung, Sanierung oder Restrukturierung nicht mehr möglich scheint, sind im Insolvenzrecht klare Regeln festgelegt. Vor allem, um die Interessen der Gläubiger zu schützen. Gerald Kerbl und Bernhard Winkelbauer von der TPA-Group erläutern die notwendigen Schritte.
Steckt ein Unternehmen in der Krise? Droht vielleicht gar eine Insolvenz? Für Unternehmer:innen ist es wichtig, die Liquidität des eigenen Unternehmens immer im Blick zu haben. In der Praxis dient bei kleineren Unternehmen in der Rechtsform einer (verdeckten) Kapitalgesellschaft, die Aufstellung des Jahresabschlusses häufig als Anlass zur Prüfung, ob eine Krisensituation vorliegt.
Ein negatives Eigenkapital kann ein Indiz für eine Krise sein. Ist es negativ, liegt eine „buchmäßige“ Überschuldung vor. Allerdings bedeutet eine buchmäßige Überschuldung in vielen Fällen nicht, dass auch eine tatsächliche Überschuldung vorliegt. Im Anhang zum Jahresabschluss muss daher erläutert werden, ob auch eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vorliegt.
Im Falle einer tatsächlichen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ist der Geschäftsführer per Gesetz verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt des Insolvenztatbestandes, einen Insolvenzantrag zu stellen. Andernfalls wird der Geschäftsführer persönlich wegen schuldhafter Insolvenzverschleppung zur Verantwortung gezogen.
Was bei einer buchmäßigen Überschuldung zu tun ist
Lässt sich die buchmäßige Überschuldung durch zulässige Bilanzierungsmaßnahmen nicht vermeiden, muss anhand einer „Überschuldungsbilanz“ zu Liquidationswerten und/oder einer „Fortbestehungsprognose“ geprüft werden, ob es sich dabei auch um eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts handelt.
Eine insolvenzrechtliche Überschuldung und damit ein real negatives Eigenkapital liegt erst dann vor, wenn sowohl die Fortbestehensprognose als auch die Überschuldungsprüfung negativ ausfallen.
In der Praxis wird üblicherweise eine Fortbestehensprognose erstellt. Ist diese positiv, liegt keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor. Wenn die Fortbestehensprognose negativ ausfällt, das heißt mit einer drohenden Zahlungsunfähigkeit zu rechnen ist, sind bei der Überschuldungsprüfung Liquidationswerte anzusetzen.
Sollte diese Bilanz zu Liquidationswerten zu einem positiven Eigenkapital führen, ist nur von einer „drohenden Überschuldung“ auszugehen.
Schritt 1: Aufstellen einer Fortbestehungsprognose
Im Rahmen einer Fortbestehensprognose wird die Zahlungs- und Überlebensfähigkeit eines Unternehmens evaluiert. Dabei ist zu beurteilen, ob das Unternehmen in Zukunft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit seine geschäftlichen Aktivitäten unter Einhaltung seiner Zahlungsverpflichtungen fortführen kann. Dazu werden
die Verlustursachen ausführlich analysiert,
die Zukunftsaussichten des Unternehmens realistisch beurteilt,
die Auswirkungen geplanter Sanierungsmaßnahmen, wie Personal- und/oder Lagerabbau, Laufzeitänderungen im Finanzierungsbereich oder Kostensenkungsprogramme, einbezogen.
Eine solche Fortbestehensprognose besteht aus einer „Primärprognose“ sowie einer „Sekundärprognose“:
Die Primärprognose, zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit stellt in der Regel auf einen Prognosezeitraum von 12 Monaten ab dem Bilanzstichtag ab.
Für die Sekundärprognose wird üblicherweise ein Prognosezeitraum von 3 Jahren herangezogen. Dabei geht es neben der Darlegung plausibler und nachvollziehbarer Annahmen über den weiteren Geschäftsverlauf vor allem um die Darstellung einer nachhaltigen Trendumkehr (turn around).
Schritt 2: Aufstellen einer Überschuldungsbilanz
Eine Überschuldungsbilanz beinhaltet alle Aktiva und Passiva der Gesellschaft nach dem Gesichtspunkt eines fiktiven Verkaufes bzw. einer Liquidation. Dementsprechend müssen stille Reserven in den Aktivwerten (beispielsweise kann eine Liegenschaft mehr wert sein als ihr Buchwert), aber auch Verpflichtungen, die bei Fortführung des Unternehmens nicht sofort anfallen würden (bspw. Abfertigungsansprüche oder Schließungskosten), aufgedeckt werden.
Entsprechende Steuereffekte der Maßnahmen sind zu berücksichtigen und Annahmen zur Veräußerungsgeschwindigkeit und -intensität müssen einbezogen werden, wenn sie wesentlichen Einfluss auf die Bewertung haben.
Dabei besteht die Möglichkeit diverser Maßnahmen, wie etwa dem Nachrangigstellen von Gesellschafterdarlehen oder dem Ausgeben von harten, werthaltigen Patronatserklärungen von Gesellschaften bzw. Konzerngesellschaften, die den Vermögensstatus verbessern können.
Durch das Nachrangigstellen ändert sich nichts an der buchmäßigen Überschuldung, da der Ausweis weiterhin als Verbindlichkeit erfolgt. Allerdings kann die Verbindlichkeit im Überschuldungsstatus außer Ansatz bleiben, da eine Befriedigung im Insolvenzfall erst nach allen anderen Gläubigern erfolgen darf (Rangrücktritt).
Schritt 3: Restrukturierungs- und Sanierungsplan erstellen
Ist eine Insolvenz wahrscheinlich, besteht für Unternehmen mit der seit Juli 2021 in Kraft getretenen Restrukturierungsordnung (ReO) auch die Möglichkeit, die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens zu beantragen.
Kommt es zum Insolvenzverfahren, bietet ein Sanierungsplan Schuldnern die Möglichkeit, mit Gläubigern einen Ausgleich zu erzielen. Dabei kann bereits mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Antrag auf Abschluss eines Sanierungsplans gestellt werden, wobei mit dem Sanierungsplan auf einen teilweisen Schuldnachlass und eine Stundung abgezielt wird.
Über die Autoren
Gerald Kerbl
Gerald Kerbl ist Steuerberater und Partner bei TPA Österreich, Spezialist für Immobilienbesteuerung, Immobilienfondsbesteuerung und M&A-Transaktionen. Weiters hat er sich auf Due-Diligence-Prüfungen, Konzernbesteuerung und Umstrukturierung spezialisiert.
Bernhard Winkelbauer
Bernhard Winkelbauer ist Universitätsassistent an der Abteilung für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der WU Wien und Berufsanwärter bei der TPA Steuerberatung GmbH